Frage an Matthias Körner von Heinz B. bezüglich Soziale Sicherung
Was sagen Sie zum Thema: "bedingungsloses Grundeinkommen". Sind Sie bereit diese Frage im Europaparlament einzubringen und zu diskutieren?
Sehr geehrter Herr B.,
Vielen Dank für Ihre Frage, schneidet sie doch ein heftig diskutiertes Thema an.
Vorab: Ehrlicherweise sehe ich die momentane Herausforderung eher darin, den Umfang jetziger Sozialstaatlichkeit gegen diverse Angriffe zu verteidigen, als in der Detailausgestaltung und Vollumbauten des Sozialstaatsmodells. Populisten, Rechte und neue Nationalisten stellen sich frontal gegen den europäischen Einigungsgedanken, und auch in sozialpolitischen Fragen erwarte ich von dieser Seite nichts Gutes.
Der Gedanke eines bedingungslosen Grundeinkommens, ist auf den ersten Blick bestechend. Verspricht es doch, die um Zuge der Digitalisierung drohenden Umwälzungen in der Arbeitsgesellschaft, mit einem einfachen Modell abzumildern. Ohne kleinteilige Bedarfsprüfungen erhielten alle eine materielle Absicherung.
Aus (hauptsächlich) drei Gründen, bin ich derzeit äußerst skeptisch
1. Vereinfacht sehe ich die Modelle als eine Kombination aus sozialpolitischer Maßnahme (Zahlung des Betrags) und steuerpolitischen Maßnahmen (Erhebung diverser Steuern zur Finanzierung der Zahlung). Die materielle / wertschöpfende Basis wird aber durch beide Maßnahmen beeinflusst. Da ja von den meisten BefürworterInnen eines BGE, die dadurch ausgelöste Veränderung der Arbeitsgesellschaft teils sogar als erwünscht angesehen wird, müsste die Debatte ums BGE diese Veränderung in die Überlegungen mit einzubeziehen. Derzeit sehe ich aber nur Finanzierungsmodelle, die die besteuerbaren Einkünfte von jetzt - also ohne BGE, einfach auch für eine fiktive Zeit nach dem BGE anwenden.
2. Mit dem BGE, sind die unterschiedlichen Bedarfe und Lebenslagen der Menschen nicht beantwortet. Eine der mit einem BGE verbundenen Hoffnungen besteht ja darin, weite Teil der Ausgaben für die Verwaltung, stattdessen direkt in die Leistungen stecken zu können. In manchen Lebenslagen, sind die Leistungen heute bereits höher als die diskutierten Größenordnungen eines BGE. Diese Mehrbedarfe wird man irgendwie ermitteln und zuerkennen müssen. Auf europäischer Ebene kommt man m.E. ohnehin nicht mit einem EU-weit geltenden Pauschalbetrag hin. Beides erfordert wieder Verwaltungsaufwände.
3. Egal auf welcher Anwendungsebene des BGE: Am Ende wird es Grenzen geben, die Gebiete mit niedrigerem oder gar keinem BGE, von Gebieten mit höherem Pauschalsatz trennen. Die aus den Auswirkungen resultierenden Forderungen nach neuen Grenzregimes oder Anspruchswartezeiten mag ich mir gar nicht ausmalen.
Stattdessen:
Ich bin davon überzeugt, dass soziale Rechte und soziale und politische Teilhabe, nur auf dem Wege durchsetzungsfähiger Mitbestimmung durchgesetzt werden konnten und auch in langer Zukunft durchgesetzt werden müssen. "Es rettet uns kein höheres Wesen"...aber es rettet uns auch keine Aneinanderreihung von gesetzlichen Garantien, die bei sich ändernden Mehrheiten auch schnell wieder kassiert sind. Besonders in den Kapitel I und II des SPD Programm zur Europawahl, sind zahlreiche Punkte genannt: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Europa_ist_die_Antwort/SPD_Europaprogramm_2019.pdf
Ich grüße Sie herzlich
Matthias Körner