Frage an Matthias Gastel von Frank-Philipp W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gastel,
zu verschiedenen Themen:
1. Die Digitalisierung schreitet voran und wird in wenigen Jahren Millionen von Arbeitsplätzen vernichten.
Welche Maßnahmen werden Sie einleiten um uns vor "Arbeitslosigkeit", "Depression"... zu schützen ?
Durch was soll der "arbeitslose" Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten? seine Altersrente sichern? Sowie ggf. soll das finanziert werden?
2.Kennzeichnungspflicht ist schön, gewährt uns jedoch nicht, dass nur gesunde Lebensmittel auf dem Markt sind (s. Mineralöl oder ranziges Öl in fast allen Olivenölen).
Die Industrie produziert bewusst Produkte, die nach der Gewährleistungspflicht kaputt gehen.
Wir können zwar relativ billig Produkte + Flatrates kaufen, jedoch sobald Mängel auftreten, kassieren die Firmen bei den Verbrauchern ab über Hotlinekosten + erbringen tendenziell eher zu inkompetenten Service.
Welche Schritte werden Sie u.a. bei diesen Punkten einleiten?
3. Die Schere geht nicht nur sozial auseinander, sondern in allen Lebensbereichen: Ethik, Anstand, Respekt+Anstand, Erfahrungen+Bildung, ....
heutzutage fehlen den Kindern vielfältige praktische Erfahrungen, weil sie nicht mehr im Alltag der Eltern dabei sein / mitarbeiten oder eigene Erfahrungen machen dürfen, sondern nur noch zu Lerninseln gefahren werden. Dh ihnen fehlt zunehmend das Fundament für die Inhalte, die theoretisch in der Schule gelernt werden.
Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegenwirken ? Mit welchen Lernkonzepten wollen Sie die Kinder zu mündigen und engagierten Bürgern fördern?
4. Obwohl wir inzwischen eine grüne Landesregierung haben, ist ein Unterschied in umweltpolitischen Fragen zur vorhergehenden CDU-Regierung nicht zu spüren (z.B Kosten und Umfang des öffentlichen Verkehrs,...).
Wenn die Grünen nicht einmal ihr zentrales Thema als Regierende fokussiert umsetzen, warum sollten wir Bürger grün wählen?
MfG
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 5.9.2017. Ihre 4 Fragen beantworte ich gerne wie folgt:
Zu Frage 1:
„Die Digitalisierung schreitet voran und wird in wenigen Jahren Millionen von Arbeitsplätzen vernichten. Welche Maßnahmen werden Sie einleiten um uns vor „Arbeitslosigkeit“, „Depression“ … zu schützen? Durch was soll der „arbeitslose“ Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten? seine Altersrente sichern? Sowie ggf. soll das finanziert werden?“
Sie haben Recht damit, dass die Digitalisierung immer mehr alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche, und zwar weltweit und auf allen Ebenen, verändert und verändern wird. Digitalisierung wirkt sich aus auf die Art und Weise, wie wir kommunizieren, uns informieren, wie wir konsumieren und produzieren. Digitalisierung birgt gerade auch für unser Arbeiten und Wirtschaften eine immense Dynamik, zum Guten wie zum Schlechten. Wie auch bei der Globalisierung ist Digitaler Wandel Megatrend, den man nicht zurück drehen kann. Wir können und müssen ihn aber gestalten und die Chancen nutzen.
Zweifellos stellt uns die Digitalisierung vor neue Herausforderungen. Sie kann zu dauerhafter Verfügbarkeit, Mehrarbeit, Überwachung und Kontrolle von Arbeitnehmern führen. Es ist Aufgabe der Politik, einen Rahmen zu schaffen, der es sowohl Unternehmen als auch Beschäftigten ermöglicht, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Deshalb werden wir Grüne den Arbeitsschutz an die digitale Arbeitswelt anpassen, betriebliche Mitbestimmungsrechte stärken und mit einem eigenständigen Beschäftigtendatenschutzgesetz vor umfassender Leistungskontrolle schützen. Solo-Selbstständige und Kreative müssen zukünftig für alle Lebenslagen sozial abgesichert sein und fair entlohnt werden. Deshalb wollen wir ein allgemeines Mindesthonorar als absolute Untergrenze für zeitbasierte Dienstleistungen einführen und gleichzeitig branchenspezifische Mindesthonorare für bestimmte Werke und Dienstleistungen ermöglichen, die gut zu den jeweiligen Branchen passen. Über Online-Plattformen vermittelte Arbeit und die Zahl der Clickworker*innen nimmt zu. Plattformen dürfen weder für Lohndumping noch als rechtsfreier Vertriebskanal missbraucht werden. Wir wollen die Mindestbeiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sehr deutlich sowie zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung senken. Für Selbstständige, die nicht anderweitig abgesichert sind, wollen wir den Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen verbessern, neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding stärken und diese mit Förderbanken vernetzen sowie Co-Working – und Gewerberäume für Gründerinnen und Gründer fördern.
Unter folgendem link zum Kapitel VII „Wir gestalten die Digitalisierung“ (S.223 ff) in unserem grünen Wahlprogramm können Sie weitere Informationen finden:
www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017.pdf#page=223
Zu Frage 2:
„Kennzeichnungspflicht ist schön, gewährt uns jedoch nicht, dass nur gesunde Lebensmittel auf dem Markt sind (s. Mineralöl oder ranziges Öl in fast allen Olivenölen).
Die Industrie produziert bewusst Produkte, die nach der Gewährleistungspflicht kaputt gehen.
Wir können zwar relativ billig Produkte + Flatrates kaufen, jedoch sobald Mängel auftreten, kassieren die Firmen bei den Verbrauchern ab über Hotlinekosten + erbringen tendenziell eher zu inkompetenten Service.
Welche Schritte werden Sie u.a. bei diesen Punkten einleiten?“
Wir Grünen setzen uns für mehr Verbraucherschutz in allen Alltagsbereichen ein: für klare Kennzeichnungsregeln bei Lebensmitteln ebenso wie für die Deckelung von Dispozinsen, für Verbraucherdatenschutz im Netz oder für giftfreies Spielzeug. Leider sitzen Verbraucherinnen und Verbraucher noch immer allzu oft am kürzeren Hebel, etwa wenn Autohersteller tricksen, Internetkonzerne ungefragt Daten sammeln und weitergeben, Banken Wucherzinsen verlangen oder im Supermarkt Dickmacher als gesund verkauft werden. Deshalb kämpfen wir für wirkungsvolleren Verbraucherschutz, für mehr Transparenz und für Wahlfreiheit.
Im Bereich Ernährung setzen wir uns ein für verbindliche Standards für ein vollwertiges Schulessen. Wir wollen, dass Schluss ist mit aggressivem Marketing gegenüber Kindern für ungesunde Dickmacher. Für Fleisch und Milch wollen wir eine Tierhaltungskennzeichnung – so wie sie bereits erfolgreich bei Eiern praktiziert wird. Außerdem wollen wir mehr Transparenz bei Nährwertampel und Herkunftskennzeichnung. Wir wollen ein Hygienebarometer für Gaststätten, damit Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, wie der Betrieb bei der Lebensmittelüberwachung abgeschnitten hat. Natürlich muss auch die Überwachung sichergestellt sein Weitere Informationen finden Sie hier: www.gruene-bundestag.de/ernaehrung.html
Wir stimmen Ihnen zu: Der frühzeitige Verschleiß bzw. der Verfall von Produkten ist ein riesiges Ärgernis für Verbraucherinnen und Verbraucher, bindet wertvolle Ressourcen und verursacht unnötig viel Müll. Wir Grüne machen schon seit langem auf diesen Missstand aufmerksam und haben mehrere Anfragen und Anträge an die Bundesregierung gestellt, um hier nachzubessern. Konkret fordern wir zum Beispiel, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten und einfacher zu reparieren sind. Dazu gehört zum einen ein besseres Produktdesign, zum anderen aber auch, dass Produkte nicht so verbaut sind, dass man nicht einzelne Bestandteile wie etwa Akkus leicht ersetzen kann. Außerdem müssen Ersatzteile und update-Möglichkeiten verfügbar sein. Darüber hinaus wollen wir die Gewährleistungsrechte verbessern. Denn zum einen klagen viele Nutzerinnen und Nutzer darüber, dass Produkte kurz nach Ablauf des 24-monatigen Gewährleistungsrechts defekt gehen und es demnach keinen Anspruch mehr auf Ersatz beziehungsweise Reparatur gibt. Zum anderen besteht auch im Rahmen der Gewährleistungsfrist lediglich innerhalb der ersten 6 Monate die Verpflichtung für Hersteller, nachzuweisen, dass der Schaden nicht bereits beim Kauf bestand. Danach liegt die Beweislast bei den Nutzerinnen und Nutzern, die verpflichtet sind, nachzuweisen, dass der aufgetretene Mangel von Anfang an vorhanden war. Wir Grüne fordern, dass die Beweislast während der gesamten Gewährleistungszeit beim Händler liegen muss. Um bessere Transparenz zu schaffen und die Entscheidung für langlebige Produkte zu ermöglichen, wollen wir außerdem, dass die Mindestlebensdauer eines Produkts angegeben werden soll.
Eine Stärkung der Verbraucherrechte halten wir für dringend notwendig. Denn, wie Sie richtig anmerken, haben Verbraucherinnen und Verbraucher im Schadensfall das Nachsehen. Deshalb setzen wir uns für eine strukturelle Stärkung von Verbraucherrechten und von Verbraucherorganisationen ein. Wir wollen auch die Möglichkeit der Gruppenklage einführen, damit es einzelne Geschädigte leichter haben, zu ihrem Recht zu kommen. Außerdem wollen wir die Marktwächter der Verbraucherzentralen stärken, die Finanzen und Digitales beobachten und Fehlentwicklungen aufzeigen.
Weitere vertiefende Informationen zu unserer grünen Verbraucherpolitik finden Sie hier: www.gruene-bundestag.de/verbraucherschutz.html
In unserem Fraktionsbeschluss vom 7.3.17 „Verbraucherschutz im Alltag – unser gutes Recht“ finden Sie einige der von Ihnen angesprochenen Aspekte wieder:
www.gruene-bundestag.de/files/beschluesse/170307-verbraucherschutz.pdf
Und last noch least können Sie sich bei Interesse auch in Kapitel V unseres grünen Wahlprogramms „Wir machen Verbraucherinnen und Verbraucher stark“ in unserem grünen Wahlprogramm vertiefen: www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017.pdf#page=157
Zu Frage 3:
„Die Schere geht nicht nur sozial auseinander, sondern in allen Lebensbereichen: Ethik, Anstand, Respekt + Anstand, Erfahrungen + Bildung,…
Heutzutage fehlen den Kindern vielfältige praktische Erfahrungen, weil sie nicht mehr im Alltag der Eltern dabei sein / mitarbeiten oder eigene Erfahrungen machen dürfen, sondern nur noch zu Lerninseln gefahren werden. Dh ihnen fehlt zunehmend das Fundament für die Inhalte, die theoretisch in der Schule gelernt werden.
Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegenwirken? Mit welchen Lernkonzepten wollen Sie die Kinder zu mündigen und engagierten Bürgern fördern?“
Ihre Meinungen, Wünsche und Vorstellungen können Jugendliche am besten dann äußern, wenn sie mitbestimmen können. Kinder- und Jugendbeteiligung soll deshalb an allen Orten des Aufwachsens möglich sein. Wir brauchen Kitas und Schulen, an denen Beteiligung gelebt und gelernt und Vielfalt wertgeschätzt wird. Wer früh ernst genommen wird und spürt, dass man Dinge selbst verändern kann, lernt Demokratie und geht als Erwachsener selbstbewusster durchs Leben. Wir wollen die politische Bildung in Schulen und in der Jugendhilfe ausbauen und einen Nationalen Aktionsplan zur Kinder- und Jugendbeteiligung auflegen. Dazu haben wir Grüne einen umfassenden Antrag in den Bundestag eingebracht (Bundestags-Drucksache 18/3151, finden Sie hier:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/031/1803151.pdf
Zu Frage 4:
„Obwohl wir inzwischen eine grüne Landesregierung haben, ist ein Unterschied in umweltpolitischen Fragen zu vorhergehenden CDU-Regierung nicht zu spüren (z.B. Kosten und Umfang des öffentlichen Verkehrs,…).
Wenn die Grünen nicht einmal ihr zentrales Thema als Regierende fokussiert umsetzen, warum sollten wir Bürger grün wählen?“
Die Umwelt- und Naturschutzpolitik gehört zum Markenkern der grünen Landespolitik in Baden-Württemberg. Mit dem Nationalpark Nordschwarzwald ist erstmalig ein flächenhaftes Schutzgebiet im Südwesten geschaffen worden. Das Ziel mehr biologische Vielfalt wird durch die über tausend Naturschutzgebiete und einen landesweit umgesetzten Biotopverbund angestrebt. Dabei hat das Land seit 2011 kontinuierlich mehr Mittel im Welt- und Naturschutzbereich zur Erhaltung der Kulturlandschaften bereitgestellt. Dazu gehört auch die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft mit Hilfe von Agrarumweltprogrammen. Als eines der ersten Bundesländer hat Baden-Württemberg ein Klimaschutzgesetz beschlossen und konsequente Maßnahmen zur Energiewende eingeleitet. Gerade im Verkehrsbereich setzt die grün geführte Landesregierung auf Erhalt und Sanierung von Straßen vor Neubau und unterstützt die Kommunen beim Ausbau von ÖPNV und Radwegen. Die von Verkehrsminister Hermann neu verhandelten Verkehrsverträge führen zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung im ÖPNV bei gleichzeitig reduzierten Kosten. Und zu erinnern ist an viele Verbesserungen, an denen das Land maßgeblich oder unterstützend beteiligt ist wie die Einführung der Metropolexpresszüge ab Dezember und die Expressbusse in der Region Stuttgart. Viele weitere Verbesserungen im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs befinden sich in Planung. Eine Übersicht finden Sie auf meiner interaktiven Karte: www.matthias-gastel.de/ausbau-der-bahn-interaktiv-sehen-was-geplant-wird/#.WcEoyU1lLIU
Mit freundlichen Grüßen nach Leinfelden-Echterdingen,
Matthias Gastel, MdB