Frage an Matthias Büger von Jörg S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Büger,
zufällig habe ich von der geplanten Änderung des Hessischen Forstgesetzes erfahren. Im Entwurf heißt es unter anderem:
"Feste Waldwege sind befestigte oder naturfeste Wege, die von nicht geländegängigen, zweispurigen Kraftfahrzeugen ganzjährig befahren werden können."
Und:
"Betreten mehrere Personen den Wald zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, steht ihnen das Betretungsrecht nur zu, wenn nach den örtlichen Gegebenheiten eine Beeinträchtigung des betroffenen Waldgebietes nicht zu erwarten ist."
Jetzt frage ich mich: was soll der Zweck dieses Gesetzes sein? Und ist eine solche Regelung überhaupt verfassungsgemäß? Denn zum einen existiert ein allgemeines Betretungsrecht des Waldes, das hier meiner Meinung nach schon unzulässig eingeschränkt wird und zum anderen sollten Gesetze doch so formuliert sein, dass sie eindeutig nachvollziehbar und durchführbar sind. Hier ergeben sich gleich mehrere Punkte, an denen ich Zweifel habe, ob dies gegeben ist. Zum Beispiel:
Wie breit ist ein zweispuriges Kraftfahrzeug? Was ist ein "nicht geländegängiges" Kraftfahrzeug"? Woran erkenne ich, ob ein Weg von einem "nicht geländegängigen" Kraftfahrzeug befahren werden kann? Woran erkenne ich, ob ein Weg ganzjährig befahren werden kann?
Es wäre schön, könnten Sie mir diese Fragen eindeutig und nachvollziehbar beantworten, bevor CDU und FDP in braver Vertretung der Jagd- Und Forstbesitzer-Lobby den hessischen Wald wieder unter Feudalherrschaft stellen - betreten nur nach Gutdünken der Eigentümer.
In Erwartung ihrer Antwort,
Jörg Schrod
Sehr geehrter Herr Schrod,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Änderung des Hessischen Forstgesetzes. Sie nehmen mit Ihren Fragen Bezug auf den § 15 und die darin enthaltenen Betretungsrechte im Wald. Ich kann Ihnen versichern, dass es uns fern liegt, diese Betretungsrechte der Allgemeinheit einzuschränken. Mit dem § 15 sind vielmehr und ausdrücklich Duldungspflichten seitens der Grundeigentümer verbunden, wenn Einzelne oder Gruppen den Wald zu Erholungszwecken betreten.
Gleichwohl war auch im bisherigen Forstgesetz (§ 24, Abs. 2 und 3) bereits geregelt, dass jeder Waldbesucher sich so zu verhalten hat, dass die Lebensgemeinschaft des Waldes nicht gestört, die Bewirtschaftung des Waldes nicht behindert, der Wald nicht gefährdet, geschädigt oder verunreinigt und die Erholung anderer nicht beeinträchtigt wird. Diese sogenannte „Wohlverhaltensklausel“ dient vor allem dem Naturschutz und beinhaltet die Rücksichtnahme auf die Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen im Wald. Sie dient aber auch dem Schutz von Grundeigentumsrechten sowie der Sicherheit der Erholungssuchenden, weil damit ebenso Sicherungspflichten der Besitzer einhergehen.
In der Vergangenheit ist es aufgrund einzelner rücksichtsloser Personen oder Gruppen wiederholend dazu gekommen, dass z.B. Mountainbikefahrten quer durch den Wald verliefen und zu Beeinträchtigungen und Schäden in der Natur und an den Grundstücken geführt haben. Diese Verhaltensweisen wollen wir keineswegs verallgemeinern, eine solche Interpretation lässt der derzeitige Gesetzentwurf aber auch nicht zu. Das Gesetz muss letztlich jedoch den praktischen Anforderungen gerecht werden. Handlungen, die ebendieser oben genannten Wohlverhaltensklausel zu wider begangen werden, sollen unterbunden werden. Ebenso wie beim Begehen, Radfahren oder Reitern auf offener Flur die angelegten Wege zu berücksichtigen sind – und eben nicht Agrarflächen und damit Grundstücke überquert werden sollen – kann und sollte dies auch für den Wald gelten. Auch in diesem gelten mitunter nicht nur Eigentumsrechte, sondern auch Schutzanforderungen für eine der Bevölkerung dienenden Naturlandschaft.
Aus diesem Grund und als Grundlage, wo das Begehen, Reiten und Fahren für jedermann zu jederzeit möglich ist, wurden als Abgrenzungskriterium so genannte „feste oder naturbefestigte Wege“ aufgenommen. Mit dem Zusatz, dass dies Wege betrifft, die von „zweispurigen, nicht geländegängigen Kraftfahrzeugen“ befahren werden können, sollen vor allem Wege genutzt werden, die von der Breite und Befestigung so beschaffen sind, dass sie mit jedem Auto befahren werden können.
Selbstverständlich soll es Wanderern, Spaziergängern oder Radfahrern auch weiterhin möglich sein, Wanderwege zu nutzen, die für ein normales Fahrzeug beispielsweise zu klein sind. Die Duldung der Benutzung solcher Wege wird nicht durch das Gesetz eingeschränkt. Wer hingegen rücksichtslos und wie in Absatz 4 des § 15 aufgeführt, den Wald als Erholungsgebiet, aber auch als Naturlandschaft und dem Grundrechtsschutz unterliegendes Gebiet beeinträchtigt, d.h. schädigt, sollte jedoch wissen, dass dies durch das geltende Recht nicht gedeckt wird und er damit den Interessen der Allgemeinheit zuwider handelt. Dies ist Zweck der von Ihnen angesprochen Regelung.
Gerne werden wir aber Ihre Kritik im Hinblick auf die Formulierungen zum Betretungsrecht aufnehmen und versuchen, in den weiteren parlamentarischen Gesprächen zum Gesetzentwurf zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Büger