Portrait von Matthias Bartke
Matthias Bartke
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Matthias Bartke zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Niklas K. •

Frage an Matthias Bartke von Niklas K. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Sehr geehrter Herr Bartke,

warum haben Sie gegen die Aufnahme Geflüchteter aus Moria gestimmt? Vertreten Sie diese Ansicht immer noch? Ich beobachte, dass viele anderer Meinung sind, gerade jetzt nach dem Vorfall in Moria und mit dem Hintergrund, dass die Lebensbedingungen dort seit schon immer unmenschlich gewesen sind.

Mit freundlichen Grüßen
Niklas Kolell

Portrait von Matthias Bartke
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kolell,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zu den aktuellen Geschehnissen in Moria. Mir geht es ähnlich wie Ihnen. Die Bilder aus Moria sind unerträglich und es ist auch für mich als Bundestagsabgeordneten schlicht nicht nachvollziehbar, warum hier bislang über eine lange Zeit keine Lösung des Problems geschaffen wurde.

Gemeinsam mit einigen anderen SPD-Abgeordneten habe ich daher vergangene Woche einen Brief an die Kanzlerin geschrieben, in dem wir deutlich gemacht haben, dass wir nicht bereit sind, die von Innenminister Seehofer angekündigte Aufnahme von nur 150 Flüchtlingen aus Moria zu akzeptieren. Wir haben deutlich gemacht, dass wir erwarten, dass sie in dieser Frage von der ihr im Grundgesetz zugebilligten Richtlinienkompetenz Gebrauch macht.

Zwischenzeitlich hat die Kanzlerin angekündigt, 1553 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Das ist schon deutlich besser als die ursprünglichen 150. Auf den griechischen Inseln leben derzeit aber mehr als 40.000 Flüchtlinge in den Lagern unter unmenschlichen Bedingungen. Ich setze mich daher dafür ein, dass wir am Ende deutlich mehr aufnehmen.

Deutschland hat im vergangenen Jahr monatlich 14.000 Flüchtlinge aufgenommen - 166.000 im ganzen Jahr. Es ist völlig unverständlich, warum es angesichts dieser Zahlen nicht möglich sein soll, mehr Flüchtlinge aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Viele große Städte haben bereits angeboten, Flüchtlinge in nennenswertem Umfang aufzunehmen - auch über den Verteilerschlüssel hinaus. Dazu gehört auch Hamburg. Der Hamburger Innensenator hat dies am Montag noch einmal bekräftigt.

Das Innenministerium ist bei der Flüchtlingsaufnahme der allergrößte Bremser. Es rächt sich jetzt, dass die SPD dieses wichtige Ministerium bei der Ressortverteilung in 2018 nicht für sich selbst reklamiert hat.

Wir versuchen mit der Union zu verhandeln, um so viel wie möglich herauszuholen. Dabei ist es so, dass die Flüchtlingsfrage bei vielen Unionsabgeordneten ebenfalls sehr emotional besetzt ist - nur eben anders herum.

Natürlich ist es richtig, eine Flüchtlingsaufnahme im europäischen Verbund zu organisieren und keinen deutschen Alleingang zu praktizieren. Das kann im Umkehrschluss aber nicht heißen, dass wir darauf warten, bis der letzte EU-Mitgliedsstaat zustimmt. Wenn wir auf Kurz und Orban warten würden, so würden wir weiterhin endlos warten. Das geht einfach nicht. Es gibt mittlerweile eine „Koalition der Menschlichkeit“ von elf EU-Mitgliedsstaaten, die bereit sind, die griechischen Flüchtlinge aus den Lagern aufzunehmen. Es reicht aus, wenn man die Rettung gemeinsam mit diesen Staaten organisiert.

Ich will allerdings auch nicht verhehlen, dass ich das Agieren (oder besser: Nichtagieren) Griechenlands in der Flüchtlingsfrage als menschenverachtend empfinde: Die EU hat in den vergangenen fünf Jahren knapp 3 Milliarden Euro an Griechenland für die Unterbringung und Versorgung für die Flüchtlinge gezahlt. Davon ist offenbar nichts oder nur ein minimaler Bruchteil in Moria und den anderen Lagern angekommen.

Griechenland hält die Lager bewusst in diesem schlimmen Zustand, um abschreckend zu wirken. Es will verhindern, dass weitere Flüchtlinge kommen. So berichtete das deutsche THW vergangene Woche, dass es auf der Insel Samos ein vom Bund gefördertes Wasserprojekt realisieren wollte. Das scheiterte aufgrund von „politischen Behinderungen“ durch griechische Behörden. Es besteht auf der griechischen Seite ganz offenkundig nicht der Wille, die Probleme dort zu lösen.

Ich finde, der Brand auf Moria wirkt wie ein Menetekel. Vielleicht führt er aber ja in der Tat dazu, dass die Verhältnisse dort verbessert werden.

Zu Ihrer Frage bezüglich der Abstimmung im März: Tatsächlich sollte man in einer Koalition immer miteinander stimmen, das ist der Sinn von Koalitionen. Wenn man das nicht macht, ist die Koalition zu Ende. Wenn die SPD in dieser Frage geschlossen mit Linken und Grünen gegen die anderen Fraktionen stimmen würde, so wäre die Koalition wegen unseres Koalitionsbruches beendet. Man kann das wünschen, aber den Flüchtlingen würde es nicht nutzen. Es gibt keine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag. Daher habe ich auch im März gegen den Antrag der Grünen zur sofortigen Aufnahme von 5000 Flüchtlingen gestimmt.

Am Freitag hat der Bundestag nun aber erneut über zwei Anträge von Linken und Grünen abgestimmt. Beide forderten, dass Deutschland sofort alle 13.000 Moria-Flüchtlinge aufnehmen möge - der Grünen-Antrag etwas weniger explizit als der Antrag der Linken. Die SPD hat gegen beide Anträge gestimmt. Sie ist der Auffassung, dass Deutschland nicht noch einmal einen Alleingang machen sollte. Allerdings hätte sich auch die SPD die Aufnahme einer deutlich höheren Zahl von Flüchtlingen gewünscht.

Ich habe in dieser Abstimmung erstmalig seit meinem Einzug in den Bundestag nicht mit meiner Fraktion gestimmt. Das ist mir sehr schwer gefallen. Denn eine Partei kann im politischen Geschäft nur dann bestehen, wenn sie auch in schwierigen Fragen einheitlich agiert.

Aber nach dem Grundgesetz ist der Abgeordnete letztlich nur seinem Gewissen verantwortlich. Und mein Gewissen sagte mir, dass ich in dieser Abstimmung meine tiefe Abneigung gegen das Alleinelassen der Flüchtlinge auf Moria deutlich machen müsse.

Mit freundlichem Gruß

Matthias Bartke