Frage an Matthias Bartke von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Bartke,
Auf den Pflegenotstand angesprochen antworten Sie:
"Es ist also dringend erforderlich, junge Leute zu motivieren, sich für eine Pflegeausbildung zu entscheiden. Deswegen prüft die Bundesregierung gerade, ob und wie wir durch die Modernisierung der Pflegeausbildung die Attraktivität des Berufs erhöhen können.´"
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_matthias_bartke-778-78015--f462885.html#q462885
1. Kann mit einer Modernisierung der Pflegeausbildung die Attraktivität der Pflegeberufe effizient erhöht werden?
2. Wie werten Sie die in der Pflege üblichen Bezahlung? Sollte da nicht deutlich nachgebessert werden?
3 Sehen Sie Möglichkeiten die in der Pflege üblichen Arbeitsbedingungen (z.B. Nacht-, Schicht- und Wochenendarbeit) zu verbessern, wenn ja welche?
Zitat Antwort Dr. Bartke:
"Meines Erachtens können außerdem Zuwanderer und Geflüchtete erheblich zur Lösung des Fachkräftemangels im Pflegebereich beitragen."
4.Wie sollen nicht ausgebildete Zuwanderer "erheblich zur Lösung des Fachkräftemangels im Pflegebereich beitragen"?
Zitat Antwort Dr. Bartke:
"In der Pflegeversicherung gilt der Vorrang der häuslichen Pflege."
Im häuslichen Bereich scheint das Problem prekärer Beschäftigung besonders hoch: Zeit-online verweist darauf, dass bis zu 300.000 Frauen aus Osteuropa in Deutschland als Haushalts- oder Pflegekraft für Angehörige tätig sind, die sich keine offizielle 24-Stunden-Betreuung für ihre bedürftigen Verwandten leisten können. Diese meist prekären Arbeitsplätze entziehen sich der öffentlichen Kontrolle und Qualitätssicherung und wenn aus einer einfachen Haushaltskraft eine überforderte Pflegekraft wird, bekommt es niemand mit.
Ist das oben benannte Problem nicht eine Peinlichkeit für das eigentlich reiche Deutschland?
Was ist mit den pflegebedürftigen Menschen in der Heimat der Migranten?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zum Pflegesystem, die ich wie folgt beantworte:
1. Mit einer Modernisierung der Pflegeausbildung kann die Attraktivität der Pflegeberufe deutlich erhöht werden. Vorgesehen ist, dass neben die inhaltliche Modernisierung und Weiterentwicklung der beruflichen Pflegeausbildung Maßnahmen zur Verbesserung des Unterrichts und der praktischen Ausbildung treten müssen - z.B. durch eine angemessene Praxisanleitung vor Ort. Eine zukunftsfähige Pflegeausbildung trägt zur Verbesserung der Pflegequalität bei. Dies stärkt das Berufsbild „Pflege“ und berufsständische Identifikation wird gestärkt.
2. Bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern wird m.E. deutlich zu wenig gezahlt. Gerade im privaten Bereich wird häufig gerade einmal der Mindestlohn gezahlt – noch nicht einmal der gesondert festgesetzte Pflegemindestlohn. Ich setze mich daher unter Berücksichtigung der kirchlichen Besonderheiten für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des einschlägigen TVöD-Tarifvertrages ein, weil die höheren Tariflöhne dann für sämtliche Arbeitsverhältnisse gelten würden. Insgesamt spiegeln die im Pflegeberich häufig gezahlten Billiglöhne überhaupt nicht den immer größer werdenden Stellenwert wider, der der Pflege in unserer Gesellschaft zukommt.
3. Es ist mir ein großes Anliegen, dass in den ambulanten Pflegediensten und –heimen ausreichend Personal ist. Wenn der Personalmangel zur Überforderung der Pflegekräfte führt, haben wir ein ernsthaftes Problem. Deshalb muss verbindlich festlegt werden, wie viele Pflegebedürftige von einer Pflegekraft versorgt werden. Daher finde ich, dass wir die Einführung eines verbindlichen Personalschlüssels für stationäre Pflegeheime, nämlich Vorgaben zum Verhältnis von Heimbewohnern und Pflege-/Betreuungskräften brauchen. Aus diesem Grund wird mit dem Pflegestärkungsgesetz II ein Gremium mit Expertinnen und Experten beauftragt, bis 2020 ein fachwissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Personalbemessung zu entwickeln. Wir müssen also sicher stellen, dass die Pflegerinnen und Pfleger, die täglich hervorragende Arbeit leisten, langfristig in ihrem Beruf bleiben. Denn schon heute spiegeln sich die berufsbedingten Belastungen in hohen Fehlzeiten wider. Nur sehr wenige Pflegekräfte üben ihren Beruf über 20 Jahre hinweg aus.
4. Viele Zuwanderer haben die Möglichkeit, bei uns eine Pflegeausbildung absolvieren. Dabei ist ein bestimmtes Niveau von Sprachkenntnissen notwendig. Zuwanderer müssten außerdem bereit sein, für einen längeren Zeitraum in Deutschland aufzuhalten. Seit dem 1. Juli 2015 gilt überdies die Arbeitnehmerfreizügigkeit für alle osteuropäischen EU-Beitrittsländer. Familien mit pflegebedürftigen Senioren ist es möglich, sich selbst um eine Pflegekraft aus Osteuropa zu kümmern oder einen ausländischen Dienstleister mit der Pflege und Betreuung zu beauftragen. Auch eine rund um die Uhr Betreuung muss aber unter legalen Arbeitsbedingungen stattfinden. Deswegen brauchen wir europaweite und faire Regeln um effektiv Sozialdumping zu bekämpfen. Bei der grenzüberschreitenden Vermittlung von Pflegekräften muss die Beratung und Information der Beschäftigten schon in deren Heimatländern gefördert werden. Der Internationale Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) vermittelt Fachkräfte aus dem europäischen Ausland an Haushalte mit pflege- und betreuungsbedürftigen Personen. Ich halte es für wichtig, die Vermittlung über die ZAV zu stärken. Für alle Dienstleistungs- und Vermittlungsagenturen müssen wir außerdem Strukturmodelle entwickeln, die es ihnen ermöglichen, rechtssichere und sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse anbieten zu können. Nur so können wir gute Arbeitsbedingungen für ausländische Fachkräfte gewährleisten und eine Art von „Fachkraftdraining“ in ihrer Heimatländer vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bartke