Martina Michels
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Frage von Kanstansin K. •

Frage an Martina Michels von Kanstansin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Michels,

es gibt eine massive Armutseinwanderung. Ich senden Ihnen hierzu einen Link mit:

http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/swr/2013/rumaenien-fantanele-100.html

Was tut die EU, um die Armut in Bulgarien und Rumänien zu lindern?
Warum nimmt die EU hin, dass beide Länder diese Bevölkerungsgruppe diskriminieren?

Nimmt die EU Serbien und andere Problemländer auf bzw. ist Ihre Fraktion dafür?
Wie man sehen kann, sind jetzt schon viele Städte mit der Armutszuwanderung überfordert.

Mit freundlichen Grüßen

Kanstansin Kavalenka

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Kavalenka,

Vielen Dank für Ihre Frage.

Sie haben völlig recht damit, daß ärmere Länder und Regionen berechtigter Weise in einer politischen Gemeinschaft Hilfe von den stärkeren erwarten dürfen. Ebenso stimme ich Ihnen zu, daß die Städte und Kommunalverbände besondere Lasten tragen, denn hier wird ein Großteil der ganz praktischen Dinge organisiert - und bezahlt - die wir alle im alltäglichen Leben brauchen: von den Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge bis zu Sozialhilfeleistungen.

Die EU stellt für die unterdurchschnittlich entwickelten Regionen Gelder aus den Strukturfonds< http://ec.europa.eu/regional_policy/thefunds/index_de.cfm > (EFRE; ESF), für die ärmsten Länder zusätzlich Mittel aus dem Kohäsionsfonds< http://ec.europa.eu/regional_policy/thefunds/cohesion/index_de.cfm > sowie für die Gemeinsame Agrarpolitik Mittel aus den Landwirtschaftsfonds< http://ec.europa.eu/agriculture/cap-funding/index_de.htm > (EAGFL und ELER) zur Verfügung. Sie und ein paar weitere kleinere Finanzierungsinstrumente machen den übergroßen Teil des EU-Haushalts< http://ec.europa.eu/budget/figures/2013/2013_de.cfm > aus (ca. 85%) aus. Diese Umverteilung innerhalb der Europäischen Union ist Ausdruck der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Regionen. In Deutschland haben seit 1990 insbesondere die ostdeutschen Bundesländer enorm von der Regionalpolitik der EU profitiert. Aber auch Regionen im Westen unseres Landes haben viel Unterstützung erhalten.

Zugegeben: Es ist oft kein sehr großer Tropfen auf dem heißen Stein, denn der EU-Haushalt reicht bei weitem nicht, um alle Herausforderungen und Aufgaben zu bewältigen. Insbesondere die reichen Geberländer haben nun auch noch darauf bestanden, daß der EU-Haushalt kleiner wird. Und das, obwohl die EU seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags nicht nur mehr Aufgaben hat, sondern inzwischen auch mehr Mitglieder. Ich halte daher Kürzungen für eine falsche Politik. Denn gerade in Krisenzeiten wäre es sinnvoll, mehr konkrete Solidarität zu zeigen, was eben auch mehr Umverteilung zwischen armen und reichen Ländern und Regionen bedeuten würde. Aber "die EU" kann immer nur soviel geben, wie die Regierungen der Mitgliedstaaten bereitstellen. Das Europaparlament hatte einen Sonderausschuß "zu den politischen Herausforderungen und den Haushaltsmitteln für eine nachhaltige Europäische Union nach 2013". Im von diesem Ausschuß erarbeiteten und vom Plenum des EP im Juni 2011 angenommenen Bericht< http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2011-0266&language=DE&ring=A7-2011-0193 > wird klipp und klar gesagt: Selbst die besten politischen Beschlüsse können nur dann glaubwürdig sein, wenn die Kohärenz zwischen ihren Zielen und den für sie auf der Ebene der EU und nationaler Ebene bereitgestellten Finanzmitteln sichergestellt wird. Leider hat das ebensowenig Wirkung bei den Regierungschefs gezeitigt, wie die Aufforderung, ernsthaft an einer sozialeren Union zu arbeiten.

Wenn die EU weitere Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Serbien aufnehmen sollte, würde das auch eine zusätzlich größere Verantwortung für die Überwindung sozialer Unterschiede bedeuten.
Wir LINKEN im Europaparlament finden, daß jedes europäische Land einen Aufnahmeantrag stellen dürfen sollte und haben den Beginn der Verhandlungen mit Serbien auch begrüßt. Natürlich müssen Kandidaten vor der Aufnahme eine Reihe von Kriterien erfüllen, die von einem gewissen wirtschaftlichen Niveau, einschließlich dem Vorhandensein von Verwaltungsstrukturen, über die Übernahme der vorhandenen EU-Gesetze bis hin zu demokratischen Standards reichen (Kopenhagener Kriterien< http://europa.eu/legislation_summaries/glossary/accession_criteria_copenhague_de.htm >). Wir fügen noch hinzu: Vor allem die Menschen in den betreffenden Ländern müssen es wollen und am besten findet man das heraus, wenn sie über ihren Beitritt abstimmen können.

Ich hoffe, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben.
Beste Grüße,
Ihre Martina Michels