Martina Michels
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Frage von Ada A. •

Frage an Martina Michels von Ada A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Michels,

DIE LINKE hat auf ihren Wahlplakaten stehen, dass Privatisierung eine Katastrophe bedeutet. Trotzdem hat die LINKE gemeinsam mit der SPD seit Jahren über den Liegenschaftsfonds landeseigene Grundstücke an den jeweils meistbietenden Investor verschachert. Für eine soziale Stadtentwicklungs- und Mietenpolitik hat ROT-ROT nichts getan. Wie erklären Sie diesen Wisderspruch?
Wieso setzen Sie persönlich sich in Ihrem Wahlkreis nicht konkret für eine soziale und ökologische, klimaschutzgerechte Stadtentwicklungspolitik ein? Wieso habe ich in Ihrem Wahlkreis in den letzten 5 Jahren nichts von Ihnen gehört? Was machen Sie eigentlich? Wieso haben sich die Abgeordneten der LINKEn kürzlich ihre eigenen Einkommen (Diäten) um fast 10 Prozent erhöht, während sie für die zahlreichen Armen und Arbeitslosen (14 %) in der Stadt kaum etwas gemacht haben?

Den Volksentscheid zur Offenlegung der Senats-Wasserverträge hatte die LINKE leider nicht unterstützt. Über 660.000 Berliner haben für den Volksentscheid gestimmt. Laut Berliner Wassertisch müßte nun eine Normenkontrollklage von 25 % der Abgeordneten im Abgeordnetenhaus angestrengt werden, um die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe einleiten zu können. Macht ihre Fraktion jetzt wenigstens endlich diese Normenkontrollklage?

Falls Ihre Partei erneut auserkoren werden sollte mit der SPD zu koalieren, würden Sie persönlich der Kürzung von Sozialleistungen in Berlin zustimmen? Was werden Sie konkret für die zahlreichen Armen und Arbeitslosen in Berlin tun?

Vielen Dank im Voraus für ihre Antwort.
A. Adler

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Adler,

ich habe Ihre Fragen und Meinungen erhalten und bedanke mich dafür, denn dies gibt mir die Gelegenheit zur Antwort und auch Klarstellung. Zunächst möchte ich kurz auf die von Ihnen angesprochene Liegenschaftspolitik eingehen. Ihnen wir sicherlich noch in Erinnerung sein, dass wir bei Eintritt in die Regierungsverantwortung mit Rot-Rot eine milliardenschwere Schuldenlast des Landes u.a. durch den Bankenskandal der Vorgängerregierung abzutragen hatten, um in Berlin überhaupt wieder handlungsfähig zu sein. Darüber hinaus gab es, wie Ihnen sicher bekannt ist, 2006 eine Klage des Landes Berlin beim Bundesverfassungsgericht auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage und des Anspruchs auf Sanierungshilfen, die leider durch das Gericht abgelehnt wurde. Dieses Urteil war für Berlin folgenschwer, denn die Richter sahen eine extreme Haushaltsnotlage nicht als gegeben an, unter anderem weil das Land Berlin noch nicht alle Potenziale für eigene Konsolidierungsanstrengungen genutzt habe. Daraus resultiert, dass der enorme Schuldenabbau in Berlin aus eigener Kraft ohne Bundeshilfe realisiert werden musste – eine Aufgabe, die bis heute nachwirkt. Unter diesen Rahmenbedingungen musste Rot-Rot handeln und dabei auch harte Einschnitte vornehmen um die Einnahmesituation zu verbessern. Dazu zählt auch die teilweise Veräußerung bzw. Vermarktung von landeseigenen Grundstücken. Dies war unumgänglich, um Handlungsspielräume für eine soziale Politik zu eröffnen, was uns nach meiner Einschätzung auch in großen Teilen gelungen ist. Nach den Jahren der Konsolidierung des Berliner Haushaltes hat sich die LINKE zum Ziel gesetzt, die Liegenschaftspolitik des Landes in der kommenden Legislaturperiode neu auszurichten und eine Grundstücksentwicklung mit sozialem Augenmaß durchzusetzen. Künftig soll beim Umgang mit Grundstücken aus dem Treuhandvermögen des Liegenschaftsfonds durch die Einbindung von wirtschafts-, umwelt-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Aspekten eine nachhaltige und langfristig strategische Wertschöpfung für das Land Berlin angestrebt und erzielt werden. Neben der Sicherung von Standorten für soziale Infrastruktur (z.B. von Schulstandorten), gilt es vor allem den Erwerb durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften für Wohnungsneubau zu ermöglichen. Für Grundstücke, die durch den Bund verwertet bzw. verwaltet werden und von strategischer Bedeutung für Berlin sind, soll versucht werden, ein Erstzugriffsrecht durchzusetzen. Die Förderung von Baugruppen durch die Vergabe von Grundstücken zum Festpreis ist an den Abschluss von Sozialvereinbarungen zu knüpfen, die beispielsweise eine Vermietung eines Teils der Wohneinheiten zu sozial verträglichen Konditionen vorsehen. Dabei sind auch Grundstücke außerhalb des S-Bahn-Ringes einzubeziehen und das Verfahren für weitere Interessentengruppen (z.B. für sich zum Zwecke des Erwerbs neu gründende Genossenschaften) ist zu öffnen. Dass Rot-Rot nichts für die Stadtentwicklung (die übrigens unter Verantwortung von SPD-Senatorin Junge-Reyer steht) kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde, Berlin hat sich gerade in den letzten Jahren enorm als Metropolenstadt entwickelt. Dafür sprechen u.a. die vom Senat beschlossene Neuausrichtung der Planungen in der Stadt, mit der das Planwerk Innenstadt abgelöst wird. Das 1999 noch unter der Großen Koalition beschlossene Planwerk Innenstadt konzentrierte sich noch vornehmlich auf das historische Zentrum und die City West. Das ist jetzt anders. Das neue Planwerk bezieht die gesamte Stadt ein, von der inneren Stadt, dem Südostraum, über West- und Nordostraum. Für jedes dieser Teilgebiete gibt es Planungswerke, die schrittweise in der Stadt verwirklicht werden, übrigens jeweils unter öffentlicher Beteiligung. Selbstverständlich stehen die Ansätze dabei unter sozialen und ökologischen, klimaschutzgerechten Zielvorgaben. Dass wir für die Armen in der Stadt nichts getan haben, halt ich für einen nicht haltbaren Vorwurf. Gerade der Einsatz für Sozialschwache in der Stadt war ein Schwerpunkt rot-roter Politik. 120 000 neue Arbeitsplätze, die Einführung des Berlin-Passes, 7000 sozialversicherte neue Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose im neuen Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS), das 3-Euro-Kulturticket für Sozialbenachteiligte, drei kostenfreie Kitajahre oder die Verhinderung von Zwangsumzügen mit der AV-Wohnen-Regelung –das sind nur einige Stichpunkte, die das belegen. Ihre Behauptung, die LINKE hätte vor Kurzem eine 10%ige Diätenerhöhung beschlossen, entspricht nicht den Tatsachen. DIE LINKE hätte für einen solchen Beschluss gar nicht die erforderliche Mehrheit im Parlament. Richtig ist, dass 2009 auf Beschluss aller (!) Fraktionen im Abgeordnetenhaus eine Veränderung der Diätenregelung vorgenommen wurde. Nachdem die Parlamentarierer sich fast zehn Jahre lang Nullrunden bei den Diäten verordneten (was sich leider in den Medien nie so widerspiegelte), wird seit diesem Zeitraum die Bezahlung an die Entwicklung der Einkommen gekoppelt. Ab 2011 orientieren sich Zuwächse an der Entwicklung der Einkommen von Vollzeitbeschäftigten in den wichtigsten Berliner Branchen. Das entspricht der Hälfte des Gehalts eines Bezirksstadtrates der Besoldungsgruppe B4. Dieser Bezug ist im Abgeordnetengesetz festgeschrieben. Die Diäten der Berliner Abgeordneten sind im Übrigen nicht mit denen des Bundestages vergleichbar. Im Vergleich mit den Diäten der anderen Landtage belegt Berlin derzeit den vorletzten Rang. Das hat eben auch mit dem mehrjährigen Verzicht auf Erhöhungen zu tun, die wir gerade wegen der sozialen Lage in Berlin beschlossen hatten. Wieso Sie „in den letzten Jahren nichts von mir gehört“ haben weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich kann Ihnen dazu nur mitteilen, dass ich viel für die Transparenz und Bürgernähe getan habe. Das ist mein Grundverständnis von Politik. Ich zähle z.B. zu den (leider wenigen) Abgeordneten, die monatlich einen eigenen Newsletter herausgeben. Darin informiere ich regelmäßig über die neuesten Beschlüsse, Vorhaben und aktuellen Diskussionen im Parlament und in Land und Bezirk. Ich habe eine eigene Homepage im Internet, durch die meine Tätigkeit auf den verschiedenen Gebieten für Jedermann sichtbar und nachvollziehbar ist. DIE LINKE Berlin und in Friedrichshain-Kreuzberg informiert auf ihren Internetseiten ebenfalls aktuell und umfassend über ihre Arbeit. Im Bezirk geben wir monatlich eine Bezirkszeitung heraus. Auf zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen zu verschiedenen Themen bin ich im Bezirk und in der Stadt mit vielen Bürgern im Meinungsaustausch gewesen, der meine Arbeit sehr unterstützt hat. Ich unterstütze darüber hinaus aktiv ganz konkrete Kiezprojekte in unserem Bezirk, darunter Schulprojekte, ein Projekt für psychisch kranke und alleinerziehende Mütter, Jugendprojekte oder Freizeiteinrichtungen.

Viele Grüße

Martina Michels, MdA