Frage an Martina Michels von Carla K. bezüglich Umwelt
Lieber Martina Michels,
entschuldige, dass ich Dir eine für Linke etwas unkonventionelle Frage stellen werde: wir Linken sind ja sehr sauer auf das neoliberale und zum Teil sogar Kriege führende Europa, natürlich muss Europa sich ändern, und ich bin sicher, dass Du in unserer neuen Gruppe dazu beitragen wirst, aber manches kann Europa sicher auch verbessern: ich wohne hier in Berlin an der ständigen lauten und CO2-verpesteten Prenzlauer Allee. Mein Traum ist, dass ich eines morgens aufwache und im S-Bahn-Ring bis auf Fahrräder und Taxis, Dienstwagen und Laster mit Extraerlaubnis (Trams können ja auch Frachtwaggons haben) niemand mehr Autofahren darf. Und wenn das eine europäische Richtlinie wäre, könnten die neoliberalen Parteien auch nichts dagegen machen (wissen wir ja aus Erfahrung, z.B. was die Subventionierung angeht). Den öffentlichen Sektor in Berlin würde das auch immens stärken.
Und es sollte auch eine bessere Verpackungsordnung geben. Warum nicht mit einem Plastikmilchkanister zum Laden gehen, statt jedesmal soundsoviel Plastik oder Pappe wegzuwerfen? Könnt Ihr Euch als Linke im Europaparlament vorstellen, dafür Politik zu machen, sozusagen die besseren Grünen zu werden?
Mit herzlichen Grüßen
Carla Krüger aus Berlin
Liebe Carla Krüger,
vielen Dank für Die Anfrage und die Skizzierung des Traums von einer autofreien Innenstadt. Sicherlich wird dies auf absehbare Zeit ein Traum bleiben, zumal es dafür keine gesetzliche Grundlage und vor allem keinen gesellschaftlichen Konsens - und damit auch keine politische Mehrheit - gibt. Dennoch sind die angesprochenen Fragen zur Umweltpolitik sehr wichtig. Eine denkbare Maßnahme, um dem Ziel näher zu kommen, wäre die Einführung einer Stadtmaut, wie sie in London oder Stockholm erfolgreich betrieben wird. Eine Maut würde jedoch finanziell schwächer gestellte Bürgerinnen und Bürger hart treffen und in ihrem Recht auf Mobilität, zu dem auch der Autoverkehr zählt, stark einschränken. Eine solche unsoziale Lösung lehnen wir ab.
Ich bin gegenwärtig noch Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus und kann die Frage daher gerade aus Berliner Sicht gut beantworten. Die Linke ist für umweltfreundliche Angebote und für die Umsetzung bereits vorhandener Richtlinien. Zum einen verfolgen wir politisch die konsequente Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs und des Rad- und Fußgängerverkehrs. Durch die rot-rote Verkehrspolitik ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs in Berlin deutlich gesunken. Der Radverkehr hingegen hat sich verdoppelt. Zum anderen setzen wir in unserer Regierungsbeteiligung die bereits erlassenen EU-Richtlinien auf kommunaler Ebene auch gegen großen politischen Wiederstand der Oppositionsparteien um. Unsere Umweltsenatorin Katrin Lompscher hat einen Lärmaktionsplan für das Land Berlin vorgelegt. Die Lärmbelastung in Städten hat die Europäische Union bereits 2002 veranlasst, mit der Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm Vorschriften zur systematischen Erfassung von Lärmbelastungen zu erlassen. Ziel ist, durch Lärmminderungspläne eine Reduzierung zu hoher Lärmbelastungen zu bewirken. Mit dem "Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm" aus dem Jahr 2005 wurde die EU-Umgebungslärmrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die EG-Umgebungslärmrichtlinie sieht die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit in der Lärmaktionsplanung vor. Die Bürgerinnen und Bürger Berlins konnten sich bereits seit Herbst 2007 über das Internet an der Lärmaktionsplanung beteiligen. Der Entwurf des Lärmaktionsplans wurde Mitte 2008 öffentlich ausgelegt. Mit dem Berliner Lärmaktionsplan werden nun Maßnahmen zur Reduzierung der Belastungen durch Verkehrslärm im Ballungsraum Berlin vorgestellt. Ein Maßnahmengebiet ist die Prenzlauer Promenade und die von Dir angesprochene Umgebung. Darin vorgesehen ist u.a. Tempo 30 zur Lärmminderung. Die von unserer Senatorin eingeführte Umweltzone, die mit der zweiten Stufe ab 2010 in Kraft tritt, ist das Kernstück, mit dem eine weitere EU-Richtlinie umgesetzt wird. Denn um die gesundheitlichen Risiken durch Luftschadstoffe zu senken, sind in der Europäischen Gemeinschaft seit 1999 strenge Grenzwerte für die Luftqualität verabschiedet und 2002 fristgemäß in deutsches Recht übernommen worden. Inzwischen hat mit der neuen Richtlinie 2008/50/EG (Luftqualität und saubere Luft für Europa) vom 21.05.2008 eine Revision der europäischen Vorschriften stattgefunden. Die Linke hat damit in Berlin – gegen viel politischen Widerstand – konsequent die Vorgaben der EU für weniger Lärm und mehr Luftreinheit umgesetzt. Auch wenn Dein Traum sich damit noch lange nicht erfüllt, sind wir bereits wichtige Schritte vorangekommen.
Zur Anregung einer besseren Verpackungsverordnung: Auch hier geht es um die Ausgestaltung vorhandener Verordnungen auf kommunaler Ebene. Den rechtlichen Rahmen für Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen bildet das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus dem Jahr 1994 sowie die Verpackungsverordnung von 1998. Mit der Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz durch das Berliner Abgeordnetenhaus Anfang diesen Jahres werden die inhaltlichen Anforderungen an die verpackungsbezogene Abfallberatung definiert. Eine Beratung bei allen Fragen zur Abfallvermeidung und zur richtigen Entsorgung bieten die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Indem wir die BSR als landeseigenes Unternehmen behalten und nicht privatisiert haben, können wir die Aufsicht über ein sinnvolles Angebot an Beratungen zur Abfallvermeidung ausüben.
Mit solidarischen Grüßen
Martina Michels