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Martina Krogmann
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Frage von Stephan H. •

Frage an Martina Krogmann von Stephan H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Krogmann,

mit Interesse lese ich Ihre Stellungnahmen in bezug auf Ihre Bemühungen und Leistungen im Sinne der durch Contergan Geschädigten. Gestatten Sie mir ein paar kritische Anmerkungen?

Sie schreiben, dass die Bundesrepublik seit 1972 (bis 2007) bereits 437,84 Millionen € an Entschädigungsleistungen an die Opfer gezahlt habe und das, bei derzeitigem Stand der Dinge, weitere 31 Millionen € jährlich hinzukommen.
Diese Zahl so hervorzuheben, ist gelinde gesagt befremdlich. Wenn ich durchschnittlich 47 Lebensjahre der Opfer in 2007 annehme und lediglich die noch lebenden 2800 berechne, heißt dies, dass uns die Bundesrepublik mit jährlich ca. 3300 € unterstützt hat. Danke.

Dafür hat uns die Bundesrepublik unseres Rechts beraubt, jemals gegen den Verursacher zu klagen. Das ist ein Skandal, und ein Verweis auf diese Zahlungen nicht gerade ein Indiz dafür, dass Sie Ihrer Verpflichtung der besonderen Fürsorgepflicht nachzukommen, gerecht geworden sind. Laut Urteil des Verfassungsgerichts dürfen wir aber nicht schlechter gestellt sein, als vergleichbare Opfer.

Grünenthal gegenüber auch noch die Freiwilligkeit ihrer gutherzigen Spende zu bescheinigen, grenzt für mich als Betroffenen an Zynismus.

Sie schreiben: Dennoch bin ich mir durchaus bewusst, dass alle Leistungen, die den Contergangeschädigten zugute kommen, niemals den Schaden für die Gesundheit und die Belastung der Betroffenen ausgleichen können.

Wenn Sie sich dessen bewusst sind, vermag ich nicht zu verstehen, warum Sie es nicht wenigstens annähernd versuchen.
Wir Contergangeschädigten und unsere Familien müssen und wollen angemessen entschädigt werden. Im Gegensatz etwa zur Hypo Real Estate, der Sie in den letzten Monaten 102 Milliarden € zukommen ließen, sind wir unschuldige Opfer.

Ich gehe davon aus, dass Sie sich bemühen werden. Können wir auf Ihre Unterstützung vertrauen?

mit freundlichem Gruß aus Niedersachsen

Stephan Hafeneth

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hafeneth,

ich bedaure sehr, dass Sie den Eindruck gewonnen haben, ich wollte durch die Erwähnungen der Leistungen der Bundesrepublik Deutschland irgendetwas hervorheben. Dem ist nicht so. Ich habe nur Tatsachen benannt.

Dies gilt auch für die Freiwilligkeit der Zahlungszusage der Firma Grünenthal. Freiwillig ist hier als "ohne Rechtsgrund" zu verstehen. Eine höhere Leistung des Unternehmens bzw. der Eigentümer wäre sicher auch denkbar und wünschenswert gewesen. Mit Zynismus hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Bitte gestatten Sie mir auch den Hinweis, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht mit der Frage beschäftigt hat, ob die Contergan-Opfer schlechter gestellt werden dürfen als andere Menschen mit Beeinträchtigungen. Dass dies nicht geschehen darf, ergibt sich schon aus dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Ich glaube auch nicht, dass die Opfer von Contergan gegenüber anderen Beeinträchtigten in irgendeiner Hinsicht benachteiligt worden sind oder werden.

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es vielmehr u.a. um folgende Frage: Die Bundesregierung sah sich nach der "Contergan-Katastrophe" vor die Frage gestellt, auf welche Weise den Betroffenen schnelle und wirksame Hilfe geleistet werden könne. Für die Gesetzgebungsinitiative waren die Ungewißheiten und Schwierigkeiten hinsichtlich Beweislast und Kausalität, aber auch hinsichtlich der Abwicklung von entscheidendem Einfluß. In der Begründung zur Regierungsvorlage vom 9. Juni 1970 (BTDrucks VI/926) kam die Befürchtung zum Ausdruck, der von der Chemie Grünenthal versprochene Betrag von 100 Millionen DM werde nicht ausreichen, um den Bedürfnissen der Contergan-Kinder gerecht zu werden. Es bestehe die Gefahr, daß insbesondere die Träger der Sozialversicherung und der Sozialhilfe große Teile des von der Chemie Grünenthal zugesagten Betrags gemäß § 1542 RVO und § 90 BSHG für sich in Anspruch nehmen würden. Zudem sei die Chemie Grünenthal zur Erbringung der im Vergleich vereinbarten Leistung nur bereit, wenn sichergestellt sei, daß insbesondere die Träger der Sozialversicherung und der Sozialhilfe keine übergegangenen oder Übergeleiteten Ansprüche gegen sie geltend machten. Ferner sollte sichergestellt werden, daß die Leistungen an die Kinder nicht durch steuerliche Lasten verkürzt würden und ihnen ohne Rücksicht auf Unterstützungsleistungen Dritter als zusätzliche Leistungen zuflössen. Schließlich war mit dem Gesetz die Erwartung verknüpft, es möchte Anreiz für künftige Initiativen mit dem Ziel einer nationalen Stiftung sein. Dies ist allerdings nur in geringem Umfang erfüllt worden.

Eine nicht unbeträchtliche Zahl geschädigter Kinder an dem Vergleich mit Grünenthal nicht beteiligt. Einige Hundert hatten die von den Treuhändern gesetzte Ausschlußfrist für die Anmeldung von Ansprüchen vom 30. Mai 1970 versäumt. Bei einem beträchtlichen Teil von ihnen konnte erst später festgestellt werden, daß sie durch Contergan geschädigt waren. Bei etwa der Hälfte aller Kinder waren Ansprüche auf Sozialhilfe- und Kranken-versicherungsträger übergegangen. Dieser als ungerecht empfundene Ausschluß konnte - wollte man diesen Kindern nicht zusätzliche Rechtsstreitigkeiten zumuten - nur durch den Gesetzgeber vermieden werden, zumal der Vergleich auch noch von anderen Voraussetzungen abhing, die erst durch das Stiftungsgesetz erfüllt worden sind.

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte hat es der Gesetzgeber zutreffend als ein Gebot der sozialen Solidarität angesehen, durch gesetzliche Regelungen die Auswirkungen der Katastrophe wenigstens im finanziellen Bereich zu lindern. Die außergewöhnliche Ausgangslage und besondere Schutzbedürftigkeit der geschädigten Kinder warfen Probleme auf, die den Gesetzgeber dazu veranlaßten, die Abwicklung der Schadensfälle aus der privatrechtlichen Ordnung in die gesetzliche Stiftungslösung zu verlagern. Seine sozialstaatlich motivierte Entscheidung wurde im Hinblick auf die gegebene Sachlage verfassungsrechtlich nicht beanstandet.

Die Absicht der Bundesregierung war es nicht, die Opfer ihrer Rechte zu berauben, sondern - ganz im Gegenteil - ihnen möglichst schnell eine möglichst große Hilfe zukommen zu lassen.

Wie Sie meiner Antwort auf die Frage von Frau Bentler vom 12. Februar entnehmen können, dürfen und können Sie auch weiterhin unserer Unterstützung gewiss sein.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Krogmann