Portrait von Martina Krogmann
Martina Krogmann
CDU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Martina Krogmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ulrich M. •

Frage an Martina Krogmann von Ulrich M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Krogmann!

Ich habe eine Frage zu unseren Wahlen:

GG Artikel 38 Abs. 1 III Rn 121 Wahlgrundsätze

Im Bund und in den Ländern bestehen die Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren , freien, gleichen und geheimen Wahl ( Artikel 38 Abs. 1 , 28 Abs. 1 Satz 2 i.V. den entsprechenden Verfassungsvorschriften der Länder ).
Der Begriff der Wahl umfaßt Abstimmungen, durch die eine oder mehrere Personen aus einem größeren Kreis von Kandidaten ausgewählt werden. Die Wahlgrundsätze gelten für das gesamte Verfahren. Das verfassungsrechtlich geschützte Wahlrecht darf nicht durch zu weitgehende Verlagerung der Aufgaben und Befugnisse des Bundestages auf supranationale Einrichtungen entleert werden, so daß praktisch keine demokratische Legitimation mehr möglich ist . Die Grenze ist dabei aufgrund von Artikel 23 GG zu ziehen.

GG Artikel 38 Abs 1. 2. Rn 125 Unmittelbarkeit der Wahl

Unmittelbarkeit der Wahl schließt jedes Wahlverfahren aus , bei dem sich zwischen Wähler und Wahlbewerber eine weitere Instanz - insbesondere eine Versammlung gewählter Wahlmänner - einschiebt , die nach ihrem eigenen Ermessen die Abgeordneten auswählt und damit deren direkte Wahl ausschließt !

Nun denke ich, daß eine Partei schon vorher ihre Favoriten auf die Listenplätze setzt? Wählt die Partei nicht nur die Leute aus, die diese selbst bestimmt und auf Ränge in den Wahllisten setzt ?

Welche Möglichkeit habe ich, einen Abgeordneten zu wählen, der überhaupt nicht auf der Liste erscheint, weil die Partei es nicht für richtig hält ?

In diesem Sinne hat die Partei schon für mich gewählt und ich werde eigentlich nur aufgefordert, den genannten Kandidaten zu bestätigen.

Ist da nicht ein generelles Verbot, daß sich zwischen dem Wähler und Abgeordneten eine Institution egal welcher Art und Form schiebt ?

Über Ihre Stellungnahme würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Mertens

Portrait von Martina Krogmann
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Mertes,

zu Ihrer Frage nehme ich gern Stellung:

Nach dem in Vollzug des Art. 38 Abs. 3 GG erlassenen Bundeswahlgesetz werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages etwa je zur Hälfte nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen und nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt. Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Im Wahlkreis gewählt ist der Bewerber, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Landeslisten können nur von politischen Parteien aufgestellt werden. Der Wähler gibt seine Zweitstimme in der Weise ab, dass er durch ein auf den Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht, welcher Landesliste sie gelten. Die in den einzelnen Wahlkreisen errungenen Mandate werden von der für jede Landesliste ermittelten Abgeordnetenzahl in Abzug gebracht. Die restlichen Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Der Wähler ist mithin im Rahmen des mit der Wahl im Einerwahlkreis verbundenen Verhältnisausgleichs an die von den Parteien vorgeschlagenen Listen und die in ihnen festgelegte Reihenfolge der Bewerber gebunden.

Insofern ist die Frage, ob das damit verwirklichte System der starren oder gebundenen Liste mit den im Art. 38 GG enthaltenen Wahlrechtsgrundsätzen der Unmittelbarkeit, der freien Wahl und der Wahlrechtsgleichheit vereinbar ist, durchaus naheliegend:

Wenn die Volksvertretung durch Mehrheitswahlen gewählt wird, kommt dem Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit die Bedeutung zu, die Wahl von Wahlmännern zu verhindern. Der Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit war ursprünglich gegen jenes Wahlverfahren gerichtet, bei dem der Wähler seine Stimme zunächst einer Mittelsperson, dem Wahlmann, gibt und der Wahlmann seinerseits nach seiner freien Entscheidung den Abgeordneten wählt.

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit läßt sich aber, wie bereits unter der Weimarer Verfassung anerkannt worden ist, schon seinem Wortlaut nach nicht darauf beschränken, dass er nur eine indirekte Wahl durch Wahlmänner verbiete. Er schließt darüber hinaus jedes Wahlverfahren aus, bei dem sich zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung eine Instanz einschiebt, die nach ihrem Ermessen die Abgeordneten auswählt und damit dem einzelnen Wähler die Möglichkeit nimmt, die zukünftigen Abgeordneten durch die Stimmabgabe selbsttätig zu bestimmen. Unmittelbarkeit der Wahl i. S. des Art. 38 Abs. 1 GG verlangt, dass auch heute im Parteienstaat des Bonner Grundgesetzes die Abgeordneten direkt gewählt werden. Sie garantiert die Personenwahl im Parteienstaat. Dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl ist mithin dann Genüge getan, wenn das Wahlverfahren so geregelt ist, dass jede abgegebene Stimme bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden muß, ohne dass erst nach der Stimmabgabe noch eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen die Abgeordneten endgültig auswählt. Nur wenn die Wähler das letzte Wort haben, haben sie auch das entscheidende Wort; nur dann wählen sie unmittelbar.

Bei der Verhältniswahl mit gebundenen Listen, wie sie das Bundeswahlgesetz mit der Einerwahl koppelt, wird allerdings dem Wähler die Möglichkeit, eine bestimmte Einzelperson zu wählen, insoweit beschränkt, als seine Stimme mehreren Wahlbewerbern, die derselben Liste angehören, nicht aber einer bestimmten Person auf dieser Liste zugerechnet wird. Dadurch wird jedoch die formal zu interpretierende Unmittelbarkeit der Wahl der Abgeordneten nicht aufgehoben. Sie bleibt erhalten, weil wenn man von Nichtannahme, späterem Rücktritt oder ähnlichen Handlungen des Gewählten selbst absieht - das Wahlergebnis allein von der im Wahlakt bekundeten Willensentscheidung der Wähler abhängig ist. Der Grundsatz der unmittelbaren Wahl hindert nicht, dass die Wahl eines Bewerbers von der Mitwahl weiterer Bewerber abhängig gemacht wird, sofern nur die Zurechnung der abgegebenen Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlbewerber sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischenschaltung eines von dem der Wähler verschiedenen Willens vollzieht. Auch die Wahl von auf einer Liste im voraus festgelegten Kandidaten ist daher als unmittelbare Wahl von Abgeordneten anzusprechen. Der Bundesgesetzgeber hat somit durch das System der starren Liste im Bundeswahlgesetz nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl verstoßen.

Die gebundene Liste verletzt auch nicht den Grundsatz der freien Wahl: Die Wahlfreiheit besteht zunächst darin, dass jeder Wähler sein Wahlrecht frei, d. h. ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann. Durch sie soll vor allem die freie Wahlbetätigung geschützt werden. Ob darüber hinaus die Freiheit der Wahl heute noch mehr verlangt, kann hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls lassen sich aus dem Begriff der Wahlfreiheit keine Grundsätze für die technische Ausgestaltung der Wahlrechtsausübung im Einzelnen herleiten. Der Grundsatz der freien Wahl wird deshalb durch die Einführung starrer Listen nicht berührt. Ob eine mit Elementen der Mehrheitswahl verbundene Verhältniswahl mit freien oder mit gebundenen Listen durchgeführt wird, ist nicht eine Frage der mehr oder minder freien Wahlbetätigung, sondern eine Frage der näheren Ausgestaltung der Wahlrechtsausübung.

Ebensowenig verfängt der von einigen vorgebrachte Einwand, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit darin gesehen werden müsse, dass infolge der Verbindung der gebundenen Liste mit der d´Hondt´schen Rechnung eine Stimme, die einem Bewerber am Schluß einer Liste gelte, für diesen Bewerber nur mit einem Bruchteil gezählt werde, während die für den Listenführer intendierte Stimme voll gerechnet werde. Denn dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit läßt sich nicht entnehmen, dass dem Wähler, der eine Präferenz für einen speziellen Bewerber der Liste hat, die Möglichkeit eröffnet werden müßte, seine Zweitstimme für diesen Listenbewerber abzugeben. Der Grundsatz der Wahlgleichheit im Rahmen der Verhältniswahl besagt lediglich, dass jeder nach den allgemeinen Vorschriften Wahlberechtigte seine Stimme wie jeder andere Wahlberechtigte abgeben darf, und dass diese gültig abgegebene Stimme ebenso mitbewertet wird wie die anderen Stimmen; alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluß auf das Wahlergebnis haben. Dabei kommt es bei der Mehrheitswahl auf den gleichen Zählwert jeder Stimme an, während bei der Verhältniswahl darüber hinaus - von den in engem Rahmen zulässigen Differenzierungen abgesehen - auch der gleiche Erfolgswert garantiert wird.

Die gebundene Liste differenziert im Rahmen des Bundeswahlgesetzes nicht in unzulässiger Weise die Chancen der einzelnen Wahlbewerber. Es ist zwar richtig, dass es eine Gleichheit der Chancen der Wahlbewerber gibt; ebenso richtig ist, dass die Erfolgsaussichten des einzelnen Listenbewerbers maßgeblich davon abhängen, welchen Platz seine Partei ihm auf der Liste zuweist. Soweit das Wahlrecht aber gebundene Listen vorsieht, kann es für Wahlbewerber auf der Liste naturgemäß keine Gleichheit der Bewerber geben. Insoweit kann es sich nur um die Verfassungsmäßigkeit der gebundenen Listen handeln. Diese Listen sind aber seit je unangefochten als mit dem Grundsatz der Gleichheit der Verhältniswahl vereinbar angesehen worden. Der Gleichheitssatz kann insoweit schon deshalb nicht verletzt sein, weil die Bewerber sich freiwillig einer politischen Partei angeschlossen haben. Da die Erfolgsaussichten der nicht an eine Partei gebundenen Einzelbewerber davon nicht berührt werden, hat also der Bewerber die Wahl, ob er sich im Vertrauen auf die Zugkraft seiner Persönlichkeit allein zur Wahl stellen oder im Wahlkampf die Hilfestellung einer politischen Partei in Anspruch nehmen will. Schließt er sich einer Partei an, so unterwirft er sich damit freiwillig den Mehrheitsentscheidungen dieser Partei und willigt damit zugleich in die mit der Platzierung auf der Liste möglicherweise verbundene Minderung seiner Erfolgsaussichten als Bewerber ein.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen für Sie hilfreich waren.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Krogmann