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Martina Krogmann
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Frage von Inge N. •

Frage an Martina Krogmann von Inge N. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Dr. Krogmann,

die nachstend hier hineinkopierte Anfrage habe ich am 6.. Februar an Frau Faße gerichtet. Offenbar ohne Aussicht auf eine Antwort:

06.02.2008
Frage von

Sehr geehrte Frau Faße,

vor einigen Tagen bin ich auf diesen Bericht von 2003 in der WELT am SONNTAG gestoßen:

http://www.welt.de/print-wams/article131117/Empoerte_Anrufe_im_Ministerium_-_Deutsche_in_Krankenkassen_benachteiligt.html

Da mich sehr interessiert, ob diese Bestimmungen bzw. Zahlungen weiterhin geltende Praxis sind, ich aber weder im Internet noch in meinem persönlichen Umfeld eine Antwort finde, bitte ich Sie um Klärung.

Ich selbst bin Rentnerin und der 9/10-Regelung "zum Opfer" gefallen. Mußte mich dann mit 60 Jahren privat krankenversichern. Wäre das toll, wenn ich als Deutsche auch kostenlos bei meinen Kindern mitversichert sein könnte.

Ich danke Ihnen vorab für eine Antwort.

Tja - wie gesagt, eine Antwort scheint es nicht zu geben. Da sich aber in meinem Rentner-Bekanntenkreis mehrere Menschen für die Klärung dieser Frage interessieren, wende ich mich heute an Sie. Vielleicht habe ich ja bei Ihnen mehr Erfolg.

Und auch bei Ihnen bedanke ich mich im voraus für Ihre Mühe.

MfG I. Nell

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Nell,

bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Recherche manchmal etwas länger dauert. Dafür bekommen Sie und Ihr Bekanntenkreis eine fundierte Antwort.

Zunächst einmal: Die "Welt" hat den Sachverhalt ein wenig zugespitz. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung! Die Sache ist allerdings nicht einfach:

In der Türkei oder im ehemaligen Jugoslawien lebende Familienangehörige eines in Deutschland krankenversicherten Arbeitnehmers erhalten im Krankheitsfall Leistungen der Krankenversicherung ihres Wohnsitzstaates. Die der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates hierdurch entstehenden Kosten sind von der deutschen Krankenversicherung zu erstatten. Rechtsgrundlage dieser Regelung sind im Verhältnis zur Türkei das deutsch-türkische Abkommen vom 30. April 1964 über Soziale Sicherheit und im Verhältnis zu Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo das deutsch-jugoslawische Abkommen vom 12. Oktober 1968 über Soziale Sicherheit. Mit Kroatien und Slowenien wurden eigene Sozialversicherungsabkommen am 24. November 1997 bzw. am 24. September 1997 geschlossen. Bezüglich Mazedonien ist am 1. Januar 2005 das am 8. Juli 2003 unterzeichnete Abkommen in Kraft getreten.

Bei diesen Regelungen handelt es sich jedoch nicht um eine Besonderheit in den von Deutschland mit anderen Staaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Sie entsprechen vielmehr internationalem Standard, wie er bereits seit vielen Jahrzehnten üblich ist, und finden Anwendung in der allgemeinen Praxis sowohl des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts (bilaterale Sozialversicherungsabkommen) als auch des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts (EU-Regelungen über Soziale Sicherung - VO (EWG) Nr. 1408/71 -). Sie beinhalten u.a., dass die Beiträge der Versicherten in aller Regel nicht nur der Abdeckung des eigenen Krankenversicherungsschutzes dienen, sondern zusätzlich auch der Abdeckung des Schutzes der nicht erwerbstätigen Familienangehörigen, die im Herkunftsland des Versicherten wohnhaft geblieben sind. Um nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall eine verwaltungsaufwändige Abrechnung mit der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen durchführen zu müssen, erfolgt die Abrechnung der Kosten in Bezug auf die Türkei, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo durch kalenderjährlich zu vereinbarende Monatspauschalbeträge je Familie. Diese Beträge basieren auf den Durchschnittskosten der in den Wohnsitzstaaten geschützten Personen nach dortigem Recht und berücksichtigen die durchschnittliche Zahl der in diesen Staaten wohnenden Familienangehörigen. Bei der Abrechnung wird auf das Kostenniveau in den Wohnsitzstaaten der Familien abgestellt (also auf den durchschnittlichen monatlichen Aufwand in der jeweiligen Landeswährung).
Der vereinbarte Monatspauschalbetrag wird je Familie unabhängig von der Zahl der anspruchsberechtigten Familienangehörigen gezahlt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das pauschalierte Abrechnungsverfahren den Verwaltungsaufwand wesentlich verringert und daher auch im Interesse der deutschen Krankenkassen liegt.

Für den Fall der Kostenabrechnung auf der Grundlage von familienbezogenen Monatspauschalbeträgen, folglich im Verhältnis zur Türkei, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo, richtet sich der Kreis der anspruchsberechtigten Familienangehörigen nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen. Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören im Verhältnis zu den vorgenannten Vertragsstaaten regelmäßig die Ehefrau, sofern sie nicht selbst versichert ist, und die minderjährigen Kinder eines Versicherten. Zu der immer wieder aufgestellten Behauptung der Mitversicherung einer moslemischen Zweitfrau ist zu sagen, dass bereits 1926 die Einehe in der Türkei gesetzlich verpflichtend eingeführt wurde.

Eltern eines Versicherten mit Wohnsitz in der Türkei, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo sind nur dann ausnahmsweise anspruchsberechtigt, wenn sie nicht ohnehin leistungsberechtigt nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates aufgrund einer eigenen Versicherung (z.B. wegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung) oder der Versicherung einer anderen Person sind, sie dabei nicht über eigene Einkünfte bzw. Eigentum verfügen und der unterhaltsverpflichtete Versicherte ihnen gegenüber tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringt. Geschwister eines Versicherten gehören in keinem der Länder zu den anspruchsberechtigten Personen.

Es wird zusätzlich immer wieder vorgetragen, dass Eltern eines türkischen oder jugoslawischen Versicherten, wenn sie sich nach Deutschland begeben, hier zu dem versicherten Personenkreis gehörten und folglich Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen erhielten. Hierzu ist zu sagen: Bei Verlegung des Aufenthalts nach Deutschland gilt deutsches Krankenversicherungsrecht mit der Folge, dass Ansprüche des o.g. Personenkreises gegenüber der deutschen Krankenversicherung nicht bestehen; Eltern werden nach deutschem Recht nicht von der Familienversicherung erfasst.

Aufgrund der genannten Sozialversicherungsabkommen kommt es nicht zu einer ungerechtfertigten Besserstellung ausländischer Versicherter in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Die Sozialversicherungsabkommen stehen im Einklang mit internationalen und supranationalen Standards wie sie innerhalb der EU bestehen und werden strikt eingehalten.

Durch die Anwendung des deutsch-türkischen und deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens entstehen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung keine Mehrbelastungen, sondern sogar Einsparungen, da die Familienangehörigen in ihren Herkunftsländern verbleiben und somit nicht zu den deutlich höheren deutschen Sätzen medizinisch versorgt werden müssen.

Die Vereinbarung zur Abrechnung der zu erstattenden Kosten für die Sachleistungsaushilfe basierend auf Monatspauschalen führt im Ergebnis zu erheblichen Kostenreduzierungen bei den gesetzlichen Krankenkassen, insbesondere wegen des unbürokratischen Verwaltungsverfahrens.

Unabhängig davon wird bei möglichen künftigen Verhandlungen über eigenständige Sozialversicherungsabkommen mit Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo, also Abkommen, die das bisher im Verhältnis zu diesen Staaten noch weitergeltende deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12. Oktober 1968 ablösen würden, dafür Sorge getragen, dass sich der Kreis der in diesen Staaten lebenden mitversicherten Familienangehörigen eines Stammversicherten der deutschen Krankenversicherung ausschließlich nach deutschem Recht bestimmt. Gleiches würde selbstverständlich bei einer Revision des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens vom 30. April 1964 gelten.

In Bezug auf das deutsch-mazedonische Regierungsabkommen vom 8. Juli 2003 über Soziale Sicherheit wurde dies bereits sichergestellt. Denn durch das Inkrafttreten dieses Abkommens am 1. Januar 2005 wurde das auch im Verhältnis zu Mazedonien bislang anzuwendende deutsch-jugoslawische Abkommen abgelöst. Eine rechtssichere Regelung verhindert, dass Mazedonien selbst mit einer Änderung im dortigen nationalen Recht den im Rahmen der Familienversicherung anspruchsberechtigten Personenkreis eines Stammversicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung erweitern könnte.

Ich hoffe, ich konnte mit diesen Informationen den Sachverhalt ein wenig aufhellen und vor allem dem - bei weniger gut informierten Menschen in Einzelfällen auftretenden - Eindruck entgegenwirken, dass hier der deutsche Sozialstaat ausgenutzt würde.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Krogmann