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Martina Krogmann
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Frage von Thomas P. •

Frage an Martina Krogmann von Thomas P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr.Krogmann,

ohne das Thema AGG überstrapazieren zu wollen, bitte ich um Ihre Meinung zu weiteren als den bereits dargelegten Aspekten und, da es nun mal beschlossen ist, vor allem zum künftigen Nutzen:
(1) Das AGG bezieht sich auf spezielle Diskriminierungsmotive (Rasse, Alter etc.). Anders motivierte, ebenfalls unrechtmäßige Diskriminierungen werden von diesem Gesetz unverständlicherweise gar nicht erfasst.
* > Sollte stattdessen nicht jedwede sachlich ungerechtfertigte Diskriminierung untersagt werden, egal welches Motiv im Spiel ist? Kommt es bei einer diskriminierenden Entscheidung nicht vielmehr auf das Ausmaß der Unsachlichkeit an statt auf das Motiv? Bei anderen Gesetzen ist das Motiv doch auch zweitrangig.
(2) Es ist eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet worden.
* > Kann und sollte man diese Einrichtung nicht dazu nutzen, um den sozialen Arbeitsschutz insgesamt zu stärken? Kann man die Antidiskriminierungsstelle nicht mit einer erweiterten Zuständigkeit ausstatten, sodass zumindest in der Praxis alle unrechtmäßigen Diskriminierungstatbestände unabhängig vom jeweiligen Motiv erfasst werden?
(3) Beim sozialen Arbeitsschutz gibt es ein großes Defizit bzgl. amtlicher, außergerichtlicher Schlichtung. Die Gewerbeaufsichtsämter beschränken sich zu sehr auf den technischen Arbeitsschutz.. Kommt ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitsplatzkonflikt betroffen ist, innerbetrieblich nicht weiter, ist er derzeit auf den langwierigen und strapaziösen Gerichtsweg angewiesen. Mancher bleibt dabei auf der Strecke und ist ein Nervenwrack, selbst wenn er nach Jahren obsiegt hat (´Operation gelungen, Patient tot´)
* > Wäre es nicht sinnvoll und notwendig, die Gewerbeaufsichtsämter mit entsprechender Kompetenz für die soziale Organisationsaufsicht, für Konfliktschlichtung und für Diskriminierungsprävention auszustatten und eine Zusammenarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle zu organisieren?

Mit freundlichen Grüßen
T Peltason

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Peltason,

auf Grund der europarechtlichen Vorgaben waren wir schon gezwungen, eine Vielzahl von Verhaltensweisen justiziabel zu machen. Dies berührt in einem sehr erheblichen Maß die grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit: Jeder Bürger muss das Recht haben, zu entscheiden, ob und mit wem er einen Vertrag abschließt oder nicht – ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.
Daher ist es aus meiner Sicht lebensfremd, wenn man jedwede vermeintliche Diskriminierung gerichtlich überprüfbar machen wollte. Das führte dann zu einer Mammut-Bürokratie bei Unternehmen wie Privatleuten, um sich gegen mögliche Vorwürfe abzusichern, und einer Flutwelle von Prozessen. Man kann nicht alles überprüfbar machen wollen!
Daher hat der Gesetzgeber auch die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrenzt: Nur wer der Ansicht ist, wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden zu sein, kann sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt auf unabhängige Weise Personen, die sich nach Absatz 1 an sie wenden, bei der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen. Hierbei kann sie insbesondere • über Ansprüche und die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens im Rahmen gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen informieren, • Beratung durch andere Stellen vermitteln, • eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben.
Soweit Beauftragte des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung zuständig sind, leitet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Anliegen der in Absatz 1 genannten Personen mit deren Einverständnis unverzüglich an diese weiter.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt darüber hinaus auf unabhängige Weise folgende Aufgaben wahr, soweit nicht die Zuständigkeit der Beauftragten der Bundesregierung oder des Deutschen Bundestages berührt ist:
• Öffentlichkeitsarbeit,
• Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen aus den in § 1
genannten Gründen,
• Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen zu diesen
Benachteiligungen.
Dehnte man die Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bei gleichbleibenden Aufgaben aus, erhielte man die o.a. Mammutbehörde, mit der Lizenz, sich in alle möglichen Lebenssachverhalte einzumischen. Das ist abzulehnen.
Gern nehme ich auch zu der von Ihnen angeregten Zuständigkeit der Gewerbeaufsichtsämter für die Stärkung des sozialen Arbeitsschutzes Stellung: Die Ursprünge der Gewerbeaufsicht liegen in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, als der Zusammenhang zwischen der Industrialisierung und den Lebensverhältnissen der Beschäftigten vom Gesetzgeber entdeckt wurde. Die gewerbliche Arbeit wurde in große Fabriken verlegt, die durch die Arbeitsteilung entstandene hohe Produktivität führte mit den langen Arbeitszeiten bei den Beschäftigten, zu denen damals auch Frauen und Kinder gehörten, zu erheblichen Belastungen. Das 1839 erlassene „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken“ war der Beginn des gesetzlichen Arbeitsschutzes in Deutschland, der dann 1853 durch die Schaffung von Fabrikinspektoren ergänzt wurde. Die so begründete Tradition des staatlichen Arbeitsschutzes in Deutschland beschränkte sich nicht nur auf den technischen Arbeitsschutz, sondern umfasste auch gesundheitliche und hygienische Aspekte, also auch die Verbesserung der sozialen Bedingungen.
Ihnen geht aber offensichtlich um die wirkungsvolle Bekämpfung von Mobbing am Arbeitsplatz, das eine Vielzahl von Ursachen haben kann, die in der Regel nur durch psychologische Hilfe behoben werden können. Dazu müsste eine völlig neue fachliche Kompetenz bei dieser Behörde aufgebaut werden.
Auch muss dieses Verfahren keineswegs zu einer Beschleunigung einer Lösungsfindung führen, die entsprechenden Prozesse liefen dann nicht vor den Arbeitsgerichten, sondern vor den Verwaltungsgerichten, da schon jetzt abzusehen ist, dass die Betroffenen – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – sich gegen eine staatliche Intervention auf diesem Gebiet wehren würden. Hier ist Freiwilligkeit sicher die bessere – und auch schnellere! – Lösung!
Ferner bitte ich Sie, die Wirkung der Schaffung einer solchen Super-Behörde zu berücksichtigen: Wir haben jetzt schon ein sehr komplexes Arbeitsrecht, das im internationalen Vergleich den Standort Deutschland nachhaltig beeinträchtigt. Der noch stärkere Ausbau eines vermeintlich sozialen Arbeitsschutzes mit einer staatlichen Intenverentionspflicht würde einigen Arbeitsplatzinhabern in Deutschland vielleicht nützen, ansonsten aber dazu führen, dass deutsche Unternehmen massenhaft Arbeitsplätze schaffen – im Ausland! Wir brauchen weniger und nicht mehr Regulierung im Arbeitsrecht!

Mit freundlichen Grüßen

Martina Krogmann