Frage an Martina Krogmann von Karl - Heinz L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Krogmann,
vielen Dank für Ihre Antwort zum Thema Abgeltungsteuer / Private Altersvorsorge vom 17.09.09. Erlauben sie mir zwei kurze Fragen/Ergänzungen:
Welche sachliche Notwendigkeit hat bei der Ausgestaltung der Abgeltungsteuer zur ersatzlosen Streichung der Spekulationsfrist geführt ? Könnten Sie mir hierzu 2 oder 3 Essentials mitteilen ? Zahlreiche mir bekannte Aktionäre beabsichtigen die Unterstützung der letzten weltbedeutenden Containerreederei unter Deutscher Flagge (Hapag Lloyd) durch Zeichnung von Schifffsbeteiligungen. Vor 2018 wird hier nicht mit Gewinnen gerechnet. Bleiben Schiffsbeteiligungen weiterhin steuerbegünstigt ( Tonnagesteuer ); quasi steuerfrei ?
Auf Grund der Zeichenvorgabe war mir die Hinzufügung des von Ihnen vermissten Charts als Beleg nicht möglich. Ein Kopiesatz ist bereits per Post zu Ihnen unterwegs. Für Interessierte: Der Focus ist in jeder guten Stadtbibliothek, im Zweifelsfalle per Fernleihe, erhältlich.
Sie haben mir mit Ihrer Antwort meine Wahlentscheidung leichter gemacht. Im Falle von Schwarz/Gelb werden Sie sich nach den mir vorliegenden Kenntnissen mit der Thematik erneut beschäftigen müssen, weil die FDP ein erheblich anlegerfreundlicheren Rahmen einfordert - siehe Link anbei - . Zum Wohle unseres Landes unerlässlich.
Trotz Ihrer - aus meiner Sicht - z..T. falschen Ausgangslage darf ich Ihnen für die bevorstehende Bundestagswahl alles Gute wünschen
Mit freundlichem Gruß und der Bitte um gelegentliche Beantwortung verbleibe ich
Karl - Heinz Lehmann
http://www.n-tv.de/wirtschaft/meldungen/Abgeltungssteuer-pruefen-article250583.html
http://www.fdp-fraktion.de/webcom/show_article_neu.php?wc_c=334&wc_id=768
Sehr geehrter Herr Lehmann,
meinen Sie nicht auch, dass Sie sich hinsichtlich der Verfügbarkeit des charts ein wenig im Ton vergriffen haben? Gerade in Ihrem Interesse sollte es doch liegen, wenn Sie Fragen verständlich, komplett und klar formulieren.
Bitte sehen Sie mir nach, dass ich keine Ausführungen zur steuerlichen Behandlung von konkreten Wertpapieren, die ich nicht kenne, mache.
Gern nehme ich aber zur Motivation für die Einführung der Abgeltungssteuer Stellung:
Zunächst ist festzuhalten, dass die Besteuerung von Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen mit der Einführung der Abgeltungsteuer transparenter und einfacher wird. Die Abgeltungsteuer entlastet Bürger und Verwaltung von unnötiger Bürokratie. Darüber hinaus bleibt ebenfalls festzuhalten, dass die Abgeltungsteuer zu einer steuerlichen Entlastung in Höhe von 870 Mio. € führt.
Besonders deutlich wird die Entlastung bei der Zinsbesteuerung. Vorher wurden in Deutschland Kapitalerträge sehr unterschiedlich besteuert. Sofern kein Freistellungsauftrag oder keine Nichtveranlagungsbescheinigung vorlag, wurde auf Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer als steuerliche Vorauszahlung erhoben. Für Zinsen wurden 30 % zzgl. 5,5 % Soli vom Kreditinstitut an das Finanzamt abgeführt (bei Dividenden 20 % zzgl. Soli). Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erfolgte dann eine Besteuerung nach dem individuellen Steuersatz und eine entsprechende Anrechnung auf die Steuerschuld. Dies führte bei Zinserträgen zu einer maximalen Belastung von 47,48 % (Spitzensteuersatz von 45 %, also 42 % plus 3 % sog. Reichensteuer, zzgl. Soli). Nach Einführung der Abgeltungssteuer beträgt die maximale Belastung nur noch 26,38 % (Abgeltungssteuersatz von 25 % zzgl. Soli; jeweils ohne Kirchensteuer).
Auch bei der Dividendenbesteuerung ist es zu spürbaren Entlastungen gekommen. Die maximale steuerliche Gesamtbelastung bei Dividenden betrug vor der Unternehmensteuerreform in 2007 noch 53,21 % (Belastung auf Unternehmensebene 38,65 % inkl. Soli bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 %, Halbeinkünfteverfahren, Spitzensteuersatz von 45 % zzgl. Soli), bei einem Grenzsteuersatz von 25 % lag die Belastung entsprechend bei 46,74 % und im Eingangssteuersatz von 15 % betrug diese 43,50 % (jeweils ohne Kirchensteuer). Bei der steuerlichen Gesamtbelastung ab 2009 ist zwischen privat und betrieblich erzielten Dividenden zu unterscheiden:
Bei Dividenden im Betriebsvermögen eines Personenunternehmens gilt nun ein Teileinkünfteverfahren mit einer 40 %-igen Steuerfreistellung und die Anwendung des persönlichen Einkommensteuersatzes. Daraus ergibt sich ab dem Jahr 2009 eine Gesamtbelastung von maximal 49,82 % (Belastung auf Unternehmensebene 29,83 % inkl. Soli bei einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 %, Teileinkünfteverfahren, Spitzensteuersatz von 45 % zzgl. Soli), bei einem Grenzsteuersatz von 25 % beträgt die Belastung entsprechend 40,93 % und im Eingangssteuersatz 36,49 % (jeweils ohne Kirchensteuer).
Bei Dividenden des Privatvermögens ist der Abgeltungsteuersatz von 25 % auf den vollen Bruttoertrag anzuwenden. Hierdurch ergibt sich unter Einbeziehung des Soli eine steuerliche Gesamtbelastung von 48,34 %; im Rahmen einer Wahlveranlagung unter Anwendung des Eingangssteuersatzes beträgt die Gesamtbelastung 40,93 % (jeweils ohne Kirchensteuer). Damit kommt es also sowohl bei den höheren als auch bei den niedrigeren persönlichen Steuersätzen zu einer deutlich geringeren steuerlichen Gesamtbelastung; lediglich im Bereich der mittleren persönlichen Steuersätze kommt es zu einer geringfügig höheren Gesamtbelastung. Hier ist aber zu sehen, dass aufgrund des aus Werbungskostenabzug und Sparerfreibetrag zusammengefassten neuen Sparerpauschbetrags in Höhe von 801 € für Ledige und 1.602 € für Ehegatten häufig ohnehin keine Steuer anfallen wird. Dabei gilt auch stets folgender Grundsatz: Erhält ein Bürger eine Dividende in Höhe von 1.000 €, ist die Steuer hierauf ebenso hoch wie bei einer Zinszahlung von ebenfalls 1.000 €.
Diese Vereinfachungen sind weitgehend akzeptiert worden. Die Kritik an der Abgeltungsteuer richtet sich auch nicht gegen die Zins- und Dividendenbesteuerung, sondern im Wesentlichen allein gegen die Veräußerungsgewinnbesteuerung bei Kapitalanlagen. Hier wird - wie in dem focus-Artikel - vor allem der Vorwurf erhoben, dass langfristige Sparanlagen gerade im Hinblick auf die private Altersvorsorge an Attraktivität verlieren würden.
Bei einer rein isolierten Betrachtung ist zwar einzuräumen, dass bei Kapitalanlagen ab 2009 in der Tat nun erstmals (außerhalb der Spekulationsfrist) eine Veräußerungsgewinnbesteuerung besteht und insoweit auch entsprechende Belastungen eintreten können. Die nun von einigen wenigen Interessenvertretern behauptete Konsequenz einer einsetzenden Kapitalflucht u.ä. entbehrt jedoch jeder Grundlage.
Zunächst ist festzuhalten, dass allein ein Abstellen auf die Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht sachgerecht ist. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung muss - wie bereits in meiner letzten Antwort ausgeführt - stets in Zusammenhang mit der neuen günstigeren Besteuerung von Zinsen und Dividenden gesehen werden. Nur eine Gesamtschau aller Elemente der Abgeltungsteuer ermöglicht einen aussagekräftigen Vergleich von alter und neuer Rechtslage. Dabei ist nochmals zu betonen, dass die Einführung der Abgeltungsteuer insgesamt zu einer Entlastung von 870 Mio. € führt.
Auch ist zu sehen, dass die Neureglung für Veräußerungsgewinne grundsätzlich nur Anwendung auf nach dem 31. Dezember 2008 erworbene Kapitalanlagen findet. Das heißt, dass die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Kapitalanlagen grundsätzlich Bestandsschutz genießen und auch künftig – außerhalb der Spekulationsfrist – steuerfrei veräußert werden können.
Die Veräußerungsgewinnbesteuerung ist außerdem keine „Einbahnstraße“. Künftig können selbstverständlich auch entsprechende Veräußerungsverluste steuermindernd geltend gemacht werden. Wie gerade die aktuelle Entwicklung einiger Börsenwerte zeigt, kann dies u.U. zu spürbaren Entlastungen führen.
Im übrigen teile ich Ihre Ansicht, dass diese Thematik bei einer schwarz-gelben Koalition noch einmal angefasst werden wird. Dazu müssen Sie aber entsprechend wählen!
Mit freundlichen Grüßen
Martina Krogmann