Frage an Martin Schirdewan von Wolfgang M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Viele EU-Parlamentarier sitzen vor allem wegen den hohen Bezügen im EU-Parlament. Und sie segnen dann im Grunde alles ab, was Konzerne wie Volkswagen verlangen. Was werden Sie und die Linken im EU-Parlament unternehmen,
- dass EU-Politik transparenter wird und nicht von diesen Bezügen honoriert wird und
- dass EU-Politik kostengünstiger wird - also nicht in Straßburg & Brüssel "regiert" wird?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für ihre Anfrage.
Zu ihrer ersten Frage: Ich arbeite als Parlamentarier, weil ich etwas verändern will. Das Problem, das Sie ansprechen, besteht auch darin, dass viele Beschlüsse des Parlamentes hinterher vom Europäischen Rat, in dem die einzelnen Länderregierungen sitzen oder von der Kommission verhindert oder geändert werden. Deshalb ist es geboten, das Gesetzgebungsverfahren in der EU dringend zu ändern. Auch gibt es Defizite bei der Demokratieentwicklung, weil der Einfluss von Lobbyisten so massiv ist. Das konnte man zuletzt am Beispiel der Upload-Filter sehen. Ein großes Problem ist, dass das EU-Parlament in seinen Möglichkeiten zur Gesetzgebung so stark eingeschränkt ist. Die EU-Kommission hat zu viel Macht, auch der Einfluss des EU-Rates muss zurückgedrängt werden. Da haben neulich einige Finanzminister, darunter auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD), einfach über Nacht die europäische Digitalsteuer einkassiert, die das EU-Parlament erarbeitet hat. So etwas darf nicht sein.
Deswegen will DIE LINKE mehr direkte demokratische Elemente im Gesetzgebungsverfahren und das Parlament braucht ein Initiativrecht. Im Rat brauchen wir mehr Mehrheitsentscheidungen. Insgesamt muss es eine internationale Sozial- und Steuerpolitik geben, um Sozialdumping und Steuerdumping zu unterbinden. Bislang können die Steueroasen innerhalb der EU durch ihr Veto jedes sinnvolle Steuergesetz verhindern, das sie selbst betrifft. Jährlich fließen hunderte Milliarden Euro ab durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, das ist ein Raub am Bürger.
Bei ihrer zweiten Fragen sprechen sie mir persönlich aus dem Herzen. Es ist ökologisch, finanziell und auch zeitlich ein Unsinn im Schnitt einmal im Monat für vier Tage von Brüssel nach Straßburg und zurück zu fahren. Sonderzüge, Sattelschlepper und sogar der Fahrservice des Europäischen Parlamentes müssen diesen Weg auf sich nehmen. Das muss ein Ende haben.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Schirdewan