Frage an Martin Neumann von Hubert Z. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Prof. Neumann,
die DSO "..sorgt dafür, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte vollzogen werden, damit Organe entnommen,.. werden können." https://www.dso.de/.
Wie kann es bei der Bedeutungsschwere dieser Aufgabe sein, daß eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts (DSO) tätig ist und nicht der Staat selbst?
Die DSO hat in einem Instanzenprozess (LG, OLG, BGH) eine Tageszeitung und eine Journalistin auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Artikels über eine Organentnahme verklagt https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=12.04.2016&Aktenzeichen=VI%20ZR%20505%2F14 .
Auszug aus den beanstandeten Textpassagen:
"(...) Die Herausnahme der Organe (...) sollte beginnen. Der junge Kollege, der die hierfür nötigen Formalitäten überprüfen musste, war damals noch nicht lange Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (...). Aber das kleine Einmaleins der Hirntoddiagnostik (...) kannte er. Er wurde stutzig. Es fehlte nicht bloß irgendeine Unterschrift. Es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll, jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass bei dem Mann (...) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war. Sondern dass der Hirntod nach einem gewissen zeitlichen Abstand erneut und von einem zweiten Mediziner nachgewiesen worden war, ...Wie weit [K.s] Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem nordrheinwestfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls starkgemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht..."
Der Mann wurde explantiert.
Der BGH hat die Klage abgewiesen. https://openjur.de/u/889287.html
Besteht eine zwingende Notwendigkeit, dass System "Organspende" gänzlich neu aufzusetzen und ein Moratorium bei der Organentnahme bis zu dessen Neustart zu erlassen
Sehr geehrte Redaktion,
anbei unsere Antwort auf die Frage von Herrn Z.:
Sehr geehrter Herr Z.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht über abgeordnetenwatch.de und die darin aufgeworfene Fragestellung zum Umgang mit Organspenden, auf die ich gerne eingehe.
Das System der Organspende in Deutschland ist rein rechtlich klar fixiert und damit (auch im Bereich der Diagnostik) wenig missbrauchsanfällig, weswegen wir in dieser Sache auch keinen Änderungsbedarf sehen. Der Umgang in Kliniken mit Organspenderinnen und -Spendern erfolgt in den allermeisten Fällen rechtskonform und damit verantwortungsvoll.
Vielmehr dreht sich die Debatte um die Frage, wie innerhalb der Bevölkerung mehr Organspenden angereizt werden können. Der von vielen Personen vorgeschlagenen Widerspruchslösung stehe ich kritisch gegenüber. Kritisch deshalb, da ich dies für schwer vereinbar mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben halte. Weder eine staatliche Instanz (Regierung, Parlament) noch eine medizinische Einrichtung (Krankenkasse, Klinikum, Stiftung) darf voraussetzen, dass Tote per se mit der post mortem-Entnahme ihrer Organe einverstanden sind, wenn diese dies nicht ausdrücklich schriftlich geäußert haben.
Aus diesem Grund trete ich für eine Stärkung der Entscheidungslösung ein. So wenig es Bürgerinnen und Bürgern zuzumuten ist, pauschal als Organspender/-innen zur Verfügung zu stehen, so sehr ist es ihnen zuzumuten, dass diese sich in regelmäßigen Abständen mit der Frage der Organspende beschäftigen müssen - etwa, indem sie in der Ausweisstelle, beim Besuch der Krankenkasse oder bei der Autozulassung auf die Möglichkeit der Organspende hingewiesen werden und einen Organspende-Ausweis ausgehändigt bekommen. Ein solcher Ansatz ist für mich am besten mit dem Selbstbestimmungsrecht jeder/jedes Einzelnen vereinbar.
Freundliche Grüße
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann, MdB