Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann MdB
Martin Neumann
FDP
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Frage von Florian K. •

Frage an Martin Neumann von Florian K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Neumann,

warum ist das sog. Homeschooling ("Schule zu Hause") in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen legal? Prof. Volker Ladenthin von der Uni Bonn hat auf verschiedene Umstände aufmerksam gemacht, unter denen eine Verpflichtung der Kinder, Bildung allein in Form einer staatlichen Schulpflicht wahrzunehmen, in zahlreichen Fällen zu Problemen führen, z.B. bei Kindern, die Schwierigkeiten im sozialen Bereich o.ä. haben. (vgl. z.B. "Homeschooling", Bonn 2010)

Warum kann den betreffenden Eltern nicht ermöglicht werden, die Schulbildung selbst in die Hand zu nehmen? Länder wie Österreich, Spanien, Schweiz, Großbritannien, Italien Irland, Belgien, Schweden, Portugal, USA sehen jedenfalls keinen Bedarf, Eltern staatlich zu bevormunden, sondern haben vielmehr Modelle entwickelt, welche die Bildungspflicht auch für Kinder, die keine Schule besuchen, in einem hilfreichen Rahmen sicherstellen können.

Mir sind ferner keine belastbaren Daten bekannt, die dafür sprechen, dass eine sinnvolle Regelung von Homeschooling die entsprechenden Kinder sozial benachteiligt.

Wie lautet Ihre Position bzw. die Position Ihrer Partei zu diesem Thema? Was werden Sie politisch für diejenigen Eltern unternehmen, die sich durch die staatliche Schulpflicht heute in ihrer Erziehungsaufgabe eingeschränkt fühlen, bzw. deren Kinder darunter leiden?

mit freundlichen Grüßen,

Florian Kraemer.

Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann MdB
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kraemer,

ich danke Ihnen vielmals für Ihre Anfrage zum Thema Homeschooling, zu welchem ich Ihnen gerne meine Position darlegen werde.
Jedes Kind ist anders und braucht eine individuelle Form der Betreuung und Bildung. In diesem grundsätzlichen Punkt teile ich die Auffassung der Befürworter von Homeschooling. Jedoch bin ich der Meinung, dass sich der Blick der Befürworter von Homeschooling zu sehr auf die reine Wissensvermittlung beschränkt. Denn oftmals wird vergessen, dass die gemeinsame Bildung in der Schule auch eine elementare Vorbereitung auf das Miteinander in Beruf und Gesellschaft ist. Soziale Kompetenzen werden meines Erachtens auch in Schulen herausgebildet, wo sich Kinder tagtäglich begegnen und bei der eigenen charakterlichen sowie sozialen Entfaltung gemeinsam begleiten. Wie wichtig die Schule als Instrument für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung ist, zeigen die aktuellen Diskussionen entlang der sozialen Herausforderungen und der Inklusion von Kindern mit Migrationshintergrund oder Behinderung.

Ein weiterer Nachteil von Homeschooling ist aus meiner Sicht die fehlende oder nur mangelnde pädagogische Betreuung. Zwar sind die Argumente der Befürworter, dass festgelegte Lehrpläne und die häuslich-familiäre Umgebung ebenso in der Lage ist den Kindern Wissen zu vermitteln wie die Schule, in ihrem gesetzten Rahmen richtig. Jedoch übernehmen Lehrer eine weitergehende Funktion als nur Wissen anzubieten. Pädagogen verstehen es, die Kinder rechtzeitig vor Fehleinschätzungen des eigenen Leistungsvermögens zu bewahren. Sie verstehen es, die Streitkultur maßvoll zu fördern. Sie wissen, wo Grenzen und wo Freiräume zu setzen sind und sie sind beispielsweise in der Pubertät ein neutraler Partner. Diese Beispiele können weiter ergänzt werden, verdeutlichen aber bereits stark die herausgehobene Bedeutung der Lehrer in der Bildung. Insofern sollte aus meiner Sicht Homeschooling nicht über die gegenwärtigen Regelungen hinaus ausgeweitet oder gar generalisiert werden. Jedoch sollte jedes Bundesland prüfen, inwieweit vertretbare Ausnahmen von der Schulpflicht durch das geltende Recht gedeckt werden können.

Das Thema Homeschooling wird sicherlich aktuell bleiben und uns als FDP und konkret die Fachpolitiker fordern, zukünftig eine klare und differenzierte Position zu erarbeiten und einzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann