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Martin Modlinger
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Frage von Matthias S. •

Wie sollte die Landespolitik nach Ihren Vorstellungen mit der Migration nach Bayern, nach Deutschland und in die EU umgehen?

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Zuerst: Es wird in diesen Debatten viel durcheinander geworfen, von Migration und gewollter Zuwanderung aufgrund unseres (bald noch steigenden) Arbeitskräftemangels bis hin zu Asyl (nach deutschem und europäischem Recht), Fluchtrouten und Fluchtgründen sowie dem Umgang damit an den europäischen Außengrenzen, in den jeweiligen Ländern Europas und vor Ort in den Kommunen. Das Thema ist komplex, einfache Lösungen gibt es nicht und bei allen Debatten dürfen wir nicht nur abstrakt von irgendwelchen Zahlen reden, sondern konkret von einzelnen Menschen und ihren jeweiligen Schicksalen. Deswegen habe auch ich keine kurze und einfache Antwort.

Asyl ist ein Menschenrecht und das ist gut so, die leidvolle Erfahrung von Kriegen und derjenigen, die am meisten darunter leiden, hat zu dieser Errungenschaft des Asylrechts geführt. Es lässt sich nicht einfach abschaffen, das wäre fatal, und es kennt auch keine zahlenmäßige Grenze, nur weil irgendjemand mitzählt, es kennt nur den Menschen. Wenn wir hieran rütteln, rütteln wir an allem, was uns ausmacht.

Die überwiegende Zahl der Asylanträge wird auch gewährt, weil nach Prüfung eben feststeht, dass diese Menschen tatsächlich Schutz brauchen – bei Flucht aus z.B. Syrien oder Afghanistan sollte das auch eigentlich niemanden wundern. Dieser Schutz muss unbedingt aufrechterhalten werden. Wären wir individuell in der selben Situation, so würden wir auch um Asyl ersuchen.

Es wird sicher Möglichkeiten geben, eine bessere europaweite Abstimmung in dieser Frage zu finden. Aber es darf kein Wettlauf um das unmenschlichste Vorgehen und die härteste Grenze sein. Das verringert nicht die Zahl der Menschen in Not, es macht nur ihre Situation noch schlimmer.

Das gesellschaftliche Klima in Deutschland und Bayern ist in letzter Zeit aber immer feindlicher geworden gegenüber Menschen, die bei uns Schutz oder Zukunft suchen. Als könnten diese Menschen etwas dafür, dass wir jahrzehntelang unser Bildungssystem und soziale Gerechtigkeit (z.B. in der Verfügbarkeit von Wohnungen, Kinderbetreuung) vernachlässigt haben. Als könnten diese Menschen etwas dafür, dass zusätzlich noch Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt hat und deswegen auch noch näher bei uns als sonst Angst, Zerstörung und Krieg herrschen.

So wird Hass geschürt von Rechts und von anderer Seite wird die schwierige Situation vieler Kommunen – die ohne Zweifel besteht – an schutzsuchenden Menschen festgemacht anstatt an einer langen Liste von Versäumnissen vorher. Dieser Hass wirkt nicht nur auf die Menschen, die bei uns Schutz suchen. Er wirkt auch auf diejenigen, die mancher gerne als „Fachkräfte“ nach Deutschland locken möchte, etwa für die Pflege oder auch in anderen Zweigen unserer Wirtschaft. Warum aber sollte jemand sein Leben nach Deutschland verlagern, wenn hier so viel Hass und Hetze gegen andernorts geborene Menschen verbreitet wird? Dieser Hass unterscheidet selten zwischen Asylsuchenden noch ohne Arbeit und der dringen gesuchten IT-Spezialistin oder dem Bäckergesellen.

Die explizit gewollte Zuwanderung wird nicht funktionieren, wenn hier ein Klima von Angst und Hass herrscht. Geflüchtete wiederum werden nicht zufällig gerade nur jene Berufe mitbringen, die wir dringend brauchen. Deswegen meine generelle Vorstellung: Wir arbeiten nicht mit Mauern und Verboten, sondern mit Integration, (Weiter-)Bildung, Arbeitserlaubnissen und Gemeinsamkeit. Das wird nicht von heute auf morgen zu lösen sein, es wird Reibungen mit sich bringen und uns oft auf die Probe stellen – gerade dort, wo vieles seit langem in der Integration, Bildung und Betreuung verschlafen wurde. Und das wird auch nicht ehrenamtlich zu leisten sein. Die Helferkreise z.B. leisten herausragende Arbeit – aber es kann nicht sein, dass sie größtenteils allein gesamtgesellschaftliche Aufgaben tragen müssen. Das wird Geld kosten, Zeit sowieso, und hier und dort auch Überwindung verschiedenster Barrieren, seien es Sprache, Kultur oder andere Distanz, die sich irgendwann als Vielfalt entpuppen wird. Aber es bringt uns näher zusammen, sichert uns eine demokratische und solidarische Gemeinschaft, und ist menschlich das, was wir selbst erhoffen und erwarten dürften. Die eigentlich kurze Antwort ist also: Die Landespolitik soll und muss strukturelle Versäumnisse im Bereich der Integration in den Blick nehmen – aber dann nicht hilflos mit den Achseln zucken, sondern Unterstützung und Strukturen verbessern, und dabei eines nie vergessen: Es geht um Menschen, um ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde.