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Martin Häusling
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Frage von Renate S. •

Frage an Martin Häusling von Renate S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Häusling,

warum fordert die EU eine Beimischungsquote für Agrosprit und fördert den Energiepflanzen-Anbau? Agroenergie aus eigens angebauten Energiepflanzen ist nicht nachhaltig.
Die Entwicklung zeigt, dass sich der Anteil, der für den Tank vorgesehenen intensiv bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen erhöht hat und zusätzlich massiv Grünland- und Brachflächen umgebrochen wurden (Widerspruch Biodiversitätsstrategie).
Von ethischen Gesichtspunkten (Tank oder Teller?) abgesehen, führt die Förderung des Energiepflanzenanbaus zu einer kleineren Verfügbarkeit von Flächen für den Viehfutteranbau. Für den Viehbestand muss mehr Futter importiert werden mit entsprechenden Emissionen beim Transport (Klimabilanz!) und Nährstoffeinträgen in Boden, Gewässer- und Grundwasser durch die unverändert großen Mengen an Wirtschaftsdünger. Jetzt addieren sich dazu noch die Gärreste aus der Agrogasproduktion.

Die ausgedehnten Monokulturen reduzieren Lebensräume (Widerspruch Biodiversitätsstrategie), erhöhen den Einsatz von Spritzmitteln und Düngern und die Bodenersosion (Wind und Wasser). Diese widerum wirken auf die Gewässer- und Grundwasserqualität (Gefährdung Zielerreichung WRRL). Bei Anbau und Ernte wird durch Fahrzeugeinsatz nochmals CO2 emittiert. Hohe Düngergaben und Entwässerungen bewirken, dass der Boden ebenfalls Klima schädliche Gase abgibt. Daneben sind Energiepflanzen Einfallstor für die Agro-Gentechnik.

Der Wirkungsgrad der Biomasse ist im Vergleich mit anderen regenerativen Energieträgern denkbar schlecht. Da es keine Auflagen gibt, die die Nutzung der Abwärme bei Agrogasanlagen vorschreibt, verringert sich die Effizienz weiter. Eine nennenswerte Reduktion von Klimagasen wird mit dieser Strategie nicht erreicht. Diese Kurzsichtigkeit kostet die Bürger Milliarden und schädigt unsere Lebensgrundlagen. Die Wirkung für das Klima ist dagegen vernachlässigbar. Wäre das Geld bei den Milchbauern nicht besser aufgehoben?

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Sehr geehrte Damen und Herren,

Herrn Häusling können Sie direkt über sein Europabüro kontaktieren (info@martin-haeusling.de). Diese Email habe ich bereits an das Büro weitergeleitet.

Mit freundlichen Grüßen
J. Reithofer

Jutta Reithofer
Leiterin Finanzen und Organisation
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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Sehr geehrte Frau Schwäricke,

vielen Dank für Ihre Frage zu dem wichtigen Thema Agrosprit. Sie haben völlig recht, Agrotreibstoffe sind auf mehreren Ebenen problematisch. Die Konflikte zeigen Ihre Auswirkungen nicht nur in Indonesien oder Malysia, wo immer noch Regenwaldflächen für Palmölplantagen abgeholzt werden, sondern auch hier bei uns. Inzwischen sind die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen in Europa vielerorts massiv gestiegen. Grund dafür: Energiepflanzen-Monokulturen nehmen zu. Allein der Maisanbau in Deutschland hat im letzten Jahr ein neues Allzeithoch erreicht. Im Gegenzug kommt es verstärkt zu Grünlandumbruch. Wie Sie richtig schreiben, bedeutet dies den Verlust an CO²-Speicherkapazitäten sowie an Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Wir Grüne gehörten von Anfang an zu den Befürwortern der erneuerbaren Energien. Rasch haben wir aber auch reklamiert, dass Agrotreibstoffe nicht zu Menschenrechtsverletzungen und Biodiversitätsverlusten führen dürfen und zudem effizient sein müssen. Wir sehen die Beimischungspflicht mit großer Sorge und sprechen uns -bevor wir negative Effekte von Agrosprit nicht ausschließen können - gegen die Beimischquote aus.

Einen Teilerfolg haben wir im Herbst 2008 erreicht, als im Industrieausschuss des Europaparlaments einige Aspekte des bisherigen Agrosprit-Ziels verändert wurden: Auf unseren Antrag hin wird es eine vollständigen Revision im Jahre 2014 geben. Auch müssen vom 10 %-Anteil, die Agrotreibstoffe im Jahre 2020 bei der Treibstoffen erreichen sollen, mindestens 40 % aus Quellen kommen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- oder Futtermittelerzeugung stehen. Ebenfalls auf unser Betreiben müssen Agrotreibstoffen nun eine Einsparung an Treibhausgasemissionen von mindesten 45 % erreichen, bisher waren es nur 35%, und ab den Jahr 2015 sogar 60%. Dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den Vorschlägen der Kommission.

Warum die EU-Kommission sowie Teile des Parlaments eine Beimischungsquote fordern, kann ich Ihnen nicht erschöpfend beantworten. Klar ist aber: es gibt eine starke Lobby. Agrarhändler haben ebenso wie zahlreiche Mineralölkonzerne bereits viel investiert, sei es in Agrosprit-Plantagen, Raffinerien oder entsprechende Logistik. Eine Recherche von Friends of the Earth Europe (FoEE) hat gezeigt, dass hier auch Banken ihre Finger im Spiel haben. Aus der Recherche geht hervor, dass von den europäischen Banken allen voran die britische HSBCBank und die Deutsche Bank an der Finanzierung der Produzenten und Händler beteiligt sind.

Für uns Grüne ist klar: Bevor wir Agrotreibstoffe in Europa einsetzen, müssen wir negative Effekte ausschließen können. Dies bedeutet, dass wir eine verpflichtende Zertifizierung brauchen, die strenge ökologische und auch soziale Kriterien anlegt. Das dies im Einzelnen schwierig umzusetzen ist, ist klar, ändert aber nichts an der Notwendigkeit.

Davon abgesehen müssen wir erneuerbare Energien mit Bedacht und mit der größtmöglichen Effizienz eingesetzt . Diese Effizienz ist bei Agrotreibstoffen nicht gegeben, weder mit Blick auf den Ressourceneinsatz noch im Hinblick auf die Klimawirkung. Sinnvoller ist der Einsatz von Energiepflanzen in Biogasanlagen. Aber auch hier dürfen wir die Grenzen sinnvoller Nutzung nicht überschreiten. Ganz generell müsse wir dazu kommen, Rest- und Abfallstoffe vermehrt zur Energieerzeugung einzusetzen.

Weitere Infos zum Thema Energieeffizienz finden Sie auch auf unserer Homepage
http://www.gruene-europa.de/cms/default/dok/191/191462.energie_und_klimapolitik@en.htm

Herzliche Grüße aus Brüssel,

Martin Häusling

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