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Martin Gerster
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Frage von Benedicta von A. •

Frage an Martin Gerster von Benedicta von A. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gerster,

es ist erfreulich, dass Sie als junger Abgeordneter das Thema Rechtsextremismus offensiv angehen. Im Rahmen Ihrer letzten Rede im Deutschen Bundestag haben Sie vor allem vor der Gefahr gewarnt, die von der so genannten "Neuen Rechten" ausgeht. Glauben Sie ernsthaft, dass diese Gefahr besteht? Oder handelt es sich um Übertreibung der "linken Presse"? Woran genau machen Sie die Gefahren fest, die von der "Neuen Rechten" ausgehen?

Für Ihre Antwort danke ich Ihnen schon jetzt.

Beste Grüße
B. von Arnold

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau von Arnold,

vielen Dank für Ihre Frage zu meiner politischen Bewertung der „Neuen Rechten“ (NR). Ich halte diese Strömung, die in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus anzusiedeln ist, in der Tat für gefährlich. Denn ein Hauptziel ihrer Anhänger ist es, die Grenzen zwischen demokratisch-konservativen und extremistischen Positionen zu verwischen und das entsprechende Gedankengut in der gesellschaftlichen Mitte „salonfähig“ zu machen. Gleichzeitig dient die Neue Rechte dem Rechtsextremismus als Inspirationsquelle und intellektuelle Avantgarde. Die Bewegung ist in - mehr oder weniger informellen – Zirkeln organisiert, die häufig im Umfeld bestimmter Medien und Verlagen angesiedelt sind. Vor allem über diese publizistischen Netzwerke wirbt die NR um Anerkennung und öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Positionen. Für Politiker aller demokratischen Parteien ist deshalb im Umgang mit Vertretern und Veröffentlichungen der NR äußerste Vorsicht geboten, um dieser angestrebten „Erosion der Abgrenzung“ vorzubeugen.

Anzeichen, dass die Neurechten mit ihrer subversiven Strategie ankommen gibt es zur Genüge. Immer wieder verewigen sich demokratische Politiker jeglicher Couleur in einschlägigen Publikationen - wie der Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und anderen Gewächsen aus dem neurechten Blätterwald. Auch gelingt es der NR ihre Ideen auch im rechten Flügel konservativer Parteien zu verankern. Der wegen einer als antisemitisch kritisierten Rede aus der CDU-Bundestagsfraktion ausgeschlossene Martin Hohmann pflegte zur Neuen Rechten enge Kontakte. Genau wie sein in dieser Legislaturperiode ausgeschiedener Parteikollege Henry Nitzsche, der sich über den angeblich in Deutschland gepflegten „Schuldkult“ ausgelassen hatte. Auch die hochnotpeinlichen Solidaritätsbekundungen aus Teilen der baden-württembergischen CDU für Günther Oettingers verfehlte Filbinger-Trauerrede und das umstrittene Weikersheimer Studienzentrum zeugen für die Geländegewinne am rechten Rand der Union.

Um auch im demokratischen Spektrum Gehör zu finden, hat die NR eine Reihe von Modernisierungen am klassischen Themenkanon der extremen Rechten vorgenommen. Statt platter Idealisierung der NS-Zeit wird versucht, die Bedeutung der damals von Deutschen begangenen Verbrechen gezielt zu relativieren. Statt Ausländerfeindlichkeit wird das Konzept des "Ethnopluralismus" propagiert, wonach Kulturen, Religionen und Ethnien zwar als grundsätzlich gleichwertig anzusehen seien - ihre Vermischung sei jedoch schädlich und deshalb möglichst zu vermeiden. Im Umgang mit dem Thema Integrationspolitik, die pauschal mit der – bei Neurechten zur Horrorvision verzerrten – Idee einer „multikulturellen Gesellschaft“ gleichgesetzt wird, zeigt sich die Neigung zur auf das vermeintlich „Fremde“ bezogenen Menschenfeindlichkeit der entsprechenden Ideen besonders deutlich.

Mit ihren Argumenten bedient die NR tendenziell Denkmuster, die demokratische Grundrechte und Freiheiten den überhöhten Idealen eines Kollektivs – also Volk und Nation – unterordnen will. Damit steht sie in klarem Widerspruch zu den liberalen Werten des Grundgesetzes. Diese Frontstellung wird jedoch durch – mehr oder weniger kunstvolle – Rhetorik verschleiert, um nicht mit den Potentialen der wehrhaften Demokratie in Konflikt zu geraten. Diese Taktik bezeichnete der neurechte Vordenker Karlheinz Weißmann als politische „Mimikry“.

Gerne stilisiert sich die NR als Opfer einer vermeintlichen Übermacht „linker“ Medien und nährt den Mythos ihre „Wahrheit“ würde gezielt unterdrückt und kriminalisiert. Dabei sind ihr insbesondere – aus neurechter Sicht – missliebige Regelungen wie der Paragraf 130 StGB, der „Volksverhetzung“ unter Strafe stellt, ein Dorn im Auge. Einwände, dass die Freiheit der geäußerten Meinung in der Würde des betroffenen Menschen ihre Grenzen finden muss, werden dabei geflissentlich ignoriert. Hier zeigt sich eine wichtige Anleihe der NR bei ihrem historischen Vorbild Carl Schmitt. Schmitt gilt als Wortführer der „Konservativen Revolution“, die in Weimarer Tagen an der Demontage der jungen Demokratie arbeitete und somit dem Aufstieg der Nationalsozialisten den Weg ebnete. Nach dem Krieg verhöhnte Schmitt die im Grundgesetz festgeschriebenen universellen Menschenrechte als „unveräußerliche Eselsrechte“.

Sie sehen, liebe Frau von Arnold, dass die NR hinsichtlich ihrer historischen Wurzeln sowie in ihrem Wirken als „Scharnier“ zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus durchaus nicht zu verharmlosen ist. Ich werbe deshalb an dieser Stelle dafür, sich intensiv mit den Positionen des neurechten Spektrums auseinanderzusetzen und dessen Vertreter gut im Auge zu behalten.

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