Frage an Martin Bartsch von Jörg W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bartsch,
Ihre Partei fordert, "Religion endlich zu privatisieren". Wie meint Ihre Partei das und wie stehen Sie selbst zu einer solchen Aussage?
Hallo Herr Willy,
wir Piraten verstehen unter Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Religion, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Wir erkennen und achten aber die Bedeutung, die individuell gelebte Religiosität für den einzelnen Menschen erlangen kann.
Die weltanschauliche Neutralität des Staates herzustellen, ist eine für die gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens mit unterschiedlichen religiösen Ansichten notwendige Voraussetzung. Wir wollen daher eine klare Trennung von religiösen und staatlichen Belangen.
Das bedeutet konkret:
Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa im Rahmen finanzieller Unterstützung, bei der Übertragung von Aufgaben in staatlichen Institutionen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen, sind abzubauen.
Im Sinne der Datensparsamkeit ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen aufzuheben, ein staatlicher Einzug von Kirchenbeiträgen kann nicht gerechtfertigt werden.
Die Piratenpartei tritt auch dafür ein, die Kirchen im Arbeitsrecht mit den übrigen Tendenzbetrieben gleichzustellen. Damit würden Kündigungsschutz, Mitbestimmung, Streikrecht, Koalitionsfreiheit und Arbeitnehmerrechte entsprechend dem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht gelten. Deshalb spricht sich die Piratenpartei dafür aus, § 118 (2) des Betriebsverfassungsgesetzes (Sonderregelung für Religionsgemeinschaften) zu streichen und § 9 des Allgemein Gleichberechtigungsgesetzes entsprechend den EU-Regelungen umzugestalten.
Als Kandidat der Piraten stehe ich zu 100% hinter diesen Forderungen und möchte noch einmal betonen: wir haben nichts gegen Religiosität, wir möchten nur nicht, das einzelne Religionen eine Sonderbehandlung erhalten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen unseren Standpunkt hiermit verdeutlichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Bartsch