Marlen Stryj
DIE LINKE
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Frage von Johann L. •

Frage an Marlen Stryj von Johann L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stryj,

seit August 2001 ist das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. In den vergangenen sechs Jahren wurden die eingetragenen Lebenspartnerschaften mit den gleichen Pflichten wie Eheleute belegt, d.h. alle Regelungen, die finanzielle Verantwortung füreinander beinhalten, gelten auch für Lebenspartnerinnen und Lebenspartner. Dem gegenüber stehen massive, diskriminierende Benachteiligungen, z.B. im Adoptionsrecht, im Erbschaftsteuerrecht (unterschiedliche Freibeträge) und bei Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit (Anrechnung von Einkommen und Vermögen auf die staatliche Unterstützung). Im Gegensatz zu Eheleuten steht Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern für geleistete Unterstützung aber nur ein steuerlicher Absetzungshöchstbetrag von 7.680 € zu. Eine gemeinsame Veranlagung wie bei Eheleuten ist nicht möglich. Lebenspartnerschaften werden somit für die Übernahme gegenseitiger Fürsorge vom Staat finanziell bestraft, während andererseits auch kinderlose Ehen vom Ehegattensplitting profitieren können. Auch im Beamtenrecht werden mir und meinem Lebenspartner bisher der Familienzuschlag und andere Leistungen verwehrt, die meinen verheirateten und ebenfalls kinderlosen Kolleginnen und Kollegen zuerkannt werden.

Mit dieser diskriminierenden Gesetzeslage liegt die Bundesrepublik Deutschland in Europa weit hinter anderen Ländern zurück – man könnte auch sagen, wir sind eins der Schlusslichter, was die Akzeptanz alternativer Lebensformen und deren gesetzliche Gleichstellung angeht. Hieraus resultiert meine konkrete Frage:

In welcher Weise setzen Sie persönlich sich auf Bundes-, Landesebene und in Ihrem Wahlkreis zurzeit für die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Lübker,

ich bin ebenfalls der Meinung, dass eheähnliche Beziehungen oder Lebenspartnerschaften, egal ob gleich- oder andersgeschlechtlich, vom Staat, beispielsweise beim Steuer- und Erbrechtrecht sowie den Sozialversicherungen, im Falle einer Arbeitslosigkeit und teils im Krankheitsfall sehr viel schlechter gestellt werden. Der Staat mischt sich wertend in die persönliche Lebensplanung von Menschen ein, dadurch dass er die eine Partnerschaft (Ehe) finanziell fördert und eine andere, die von den Partnern ebenfalls als Lebenspartnerschaft empfunden wird, mit Mehrabgaben oder steuerlichen Nachteilen belastet.

Für mich ist es egal, ob ein Pärchen schwul oder heterosexuell ist. Ich denke, jede/r, die/der Verantwortung für seinen Partner übernehmen will bzw. lt. Gesetz soll, muss auch auf der anderen Seite dieselben Rechte zuerkannt bekommen, wie sie verheirateten Paaren zustehen. Ich persönlich ärgere mich am meisten über die Adoptionsregelungen bei homosexuellen Paaren: Die logische Unterscheidung beim Adoptionsrecht zwischen der Adoption eines Stiefkindes und einem anderen, nicht-leiblichen Kind will sich mir einfach nicht erschließen. (Das eine darf adoptiert werde, das andere nicht) Dreht man das Argument, dass ja vielerorts zu hören ist, ein Kind würde in einer "solchen Umgebung" nicht kindgerecht (oder ist vielleicht eher gemeint, nicht artgerecht???) aufwachsen, verstehe ich die Argumentationsfolge hierbei erst recht nicht: Warum gilt in den Augen der GesetzgeberInnen dieses Argument dann nicht auch für Stiefkinder?? Andersherum kann wenn eine Adoption bei z.B. einem schwule Paar für ein Stiefkind als gut definiert ist, dies ja für ein anderes Kind nicht schlecht sein... Hier zeigt sich: Das eigentliche Problem bei Homo-Ehen ist doch nicht, dass beispielsweise zwei Männer schlechtere Väter/Eltern wären, sondern, dass die Gesellschaft im Grunde noch total spießig und verknöchert ist und ihre Moralvorstellungen sehr stark an Institutionen, wie die Ehe klammern muss, um in der Wertedebatte überhaupt noch etwas zu haben, woran sie sich festhalten kann.

Bei dem Verbot von Adoptionen schwingt für mich mit, dass hier immer noch alte Vorurteile herrschen, die Schwulen latent unterstellen, entweder pervers zu sein, unterschwellig einen größeren Hang zu Straftaten zu haben oder zu Geisteskrankheiten zu neigen und sie damit nicht in das Recht versetzen wollen, für ein Kind als Eltern da sein zu können. Oder man hat Angst, dass Homosexualität ähnlich einer ansteckenden Krankheit sich auf das Kind übertragen könnte. Und das sind unhaltbare krasse Vorurteile von vorgestern, die leider immer noch tief in Großteilen der Gesellschaft verwurzelt sind. Diese müssen für eine moderne offene Gesellschaft abgebaut werden und hierfür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Es braucht mehr Aufklärung und Bildung, Interessenverbände müssen unterstützt werden.

Ein Kind, das bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwächst, leidet wohl eher unter der Diskriminierung (der Partnerschaft seiner Eltern) durch Eltern der Freunde, andere Kinder selbst, LehrerInnen der Kinder in der Schule, als durch die zwei Väter (oder Mütter), die ihren Job durchaus gut machen können. Hier müssen LehrerInnen und AusbilderInnen weiter qualifiziert werden, sowohl was den Unterricht, die Akzeptanz von schwulen/lesbischen Elternpaaren als auch den unterstützenden Umgang mit schwulen/lesbischen Kindern und Jugendlichen, z. B. beim Outing betrifft.

Ein gut ausgebautes Betreuungs- und Beratungsangebot, dass eh an die Schulen gehört, kann dabei den Eltern Unterstützung und den Kindern Alternativen anbieten. Ich bin daher dafür, dass Kinder von schwulen/lesbischen Paaren adoptiert werden können, hier muss man auf eine wirkliche Gleichstellung hinwirken, und für deren praktische Umsetzung sorgen.

Ich denke, die Idee, auch anderen Lebensentwürfen als der Ehe durch ein Gesetz wie dem Lebenspartnerschaftsgesetz einen formalen Rahmen zu geben, ist grundsätzlich richtig. Das Gesetz hat ja schon gewisse Verbesserungen z. B. bei der Witwenrente oder beim Erbrecht gebracht, die jedoch nicht ausreichend sind. Der Rahmen muss allerdings beim Lebenspartnerschaftsgesetz neu abgesteckt werden. Hier muss man über eine Bundesratsinitiative und die Bundesfraktion das Thema neu aufgreifen.

Ich persönlich favorisiere ein Gesetz, das alle Formen von Lebenspartnerschaften integriert, wie die Homo-Ehe, gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Partnerschaften und Ehen. Schwule, Lesben und Nichtverheiratete sollten sich durchaus bei bestimmten Fragen zusammentun, da sie teilweise ähnliche Interessen und Problematiken haben (z.B.Nachteile beim Erbrecht). Wichtig wäre hier auch durch Interessenverbände weiter gesellschaftlichen Druck von unten" aufzubauen. Der Artikel 3 zur Gleichberechtigung von Frauen im GG konnte 1949 auch nur unterstützt durch Petitionen durchgesetzt werden. Es ist wichtig, dass Menschen sich organisieren und gemeinsam ihre Rechte erkämpfen. Hierbei steht die Linke an der Seite der Betroffenen.

Zu meiner politischen Arbeit:

Ich arbeite derzeit auf dem Bereich Migration und möchte hier besonders die frauenpolitische Arbeit verstärken und interessiere mich für Umwelt- und Sozialpolitik. Weiterhin unterstütze ich die Gründung des Sozialistischen demokratischen StudentInnenverbandes (Linke.SDS) an der Universität Hannover, um die StudentInnen gegen Bildungsabbau und für kritische Wissenschaft wieder zu organisieren. Ich studiere Politikwissenschaften und versuche, heraus aus der Hartz IV-Misere zu kommen, in die ich als unbezahlte Dauer-Praktikantin der Generation Praktikum einstmals rein geraten bin. (Was sich auf dem 2. Bildungsweg durchaus als sehr schwierig gestaltet bei Studiengebühren)

Das heißt jedoch nicht, dass das Thema Gleichstellung dadurch weniger wichtig für meinen Wahlkreis oder die Linke ist. Es müsste schon ein kleines Wunder geschehen, sollte ich den Wahlkreis 26 gegen Herrn Jüttner gewinnen ;-) Ich würde dann im Landtag zuerst für eine konsequente Umsetzung der Niedersächsischen Gleichstellungsgesetze streiten und mich in den Bereichen, wo es noch keine solchen Gesetze gibt, für deren Einführung einsetzen.

Darüber hinaus werde ich mich nach dem 27. Januar gerne über den Landesvorstand mit der neuen Fraktion der Linken zusammensetzen, das Thema Gleichstellung, besonders mit dem Schwerpunkt Lebenspartnerschaften, dort einbringen und sehen, wie wir es hier auf Landesebene auf "die Agenda bringen" können.

In unserem Kreisverband hier in Hannover gibt es bereits einige GenossInnen, die sich auf dem Bereich der Gleichstellung sehr engagiert einsetzen. Ich denke, eine gut organisierte und teamorientierte Linke, die arbeitsteilig zu unterschiedlichen Themenbereichen zusammenarbeitet, bietet auch viele Möglichkeiten für eigenes Engagement. Wir sind immer offen für Menschen, die sich auf Gebieten, die sie interessieren oder betreffen, einsetzen wollen.

Ich hoffe, Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen ein gesundes und glückliches Jahr 2008.

Mit solidarischen Grüßen

Marlen Stryj