Marlen Stryj
DIE LINKE
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Frage von Georg W. •

Frage an Marlen Stryj von Georg W. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Stryj,

Komme gerade von einer Podiumsdiskussion mit Landtagspolitikern der im Landtag vertretenen Parteien, zu der das Bündnis für Kinder und Familien Niedersachsen e.V. eingeladen hatte.
CDU und FDP waren, obwohl mehrfach eingeladen, nicht erschienen. Die Linke war auf dem Podium nicht vertreten, da sie von den Veranstaltern nicht eingeladen war, weil sie aktuell im Landtag nicht vertreten ist. Die Linke war aber im Plenum sehr wohl präsent.

Folgende Frage bewegte u.a. Plenum und Podium und da keine befriedigende Antworten gefunden werden konnte, möchte ich die Frage an sie weitergeben:
Prof. Stefan Sell von der FH Koblenz hatte in einem Eingangsreferat auf die eklatante Mangelsituation im Bereich frühkindliche Bildung hingewiesen. So müsste der bereits bestehende Etat für diesen Bereich genau verdoppelt werden, damit Deutschland im europäischen Vergleich mithalten könnte. Dabei liegt Niedersachsen am ganz unteren Ende im Vergleich zu anderen Bundesländern.

Gleichzeitig rechnete Prof. Sell überzeugend vor, dass die in frühkindliche Bildung getätigten Investitionen sich langfristig bezahlt machen, u. a. durch Einsparungen im Bereich Justiz, sowie bei Wiedereingliederungsmaßnahmen bzw. beim Strafvollzug für durch Gewaltdelikte auffallende Jugendliche.

Und jetzt die Frage: Warum werden für die notwendigen Investitionen im Bereich frühkindliche Bildung, die sich für den Staat erwiesenermaßen nicht nur ideell sondern langfristig auch ganz konkret finanziell bezahlt machen, nicht sozial verträglich die Steuern angehoben, bzw. warum werden dafür nicht die notwendigen Kredite aufgenommen?

Georg Weil

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Weil,

die letzten Bundes-Regierungen, auch die SPD-geführte Regierung unter Schröder, haben zu immer mehr steuerlicher Belastung der ArbeitnehmerInnen-Haushalte und zu immer weiteren Entlastung für die großen Industrien und die Besserverdienenden geführt. Auch in Niedersachsen steht wachsender Reichtum einer steigenden Armut von immer mehr Menschen gegenüber. (Jeder 7. Mensch lebt in Nds. in Armut) Während das obere Fünftel der Gesellschaft Einkommenszuwächse hat, stagniert das zweite Fünftel im Einkommen; die drei unteren Fünftel haben absteigend zunehmend weniger Geld zur Verfügung. Hier gilt es, diesen Trend umzukehren und die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen!!
Bildung ist Ländersache und öffentliche Aufgabe! Werden für Bildung auch noch Gebühren erhoben, dann finanzieren die Arbeitnehmer zunehmend die Bildung von Kindern aus besserverdienenen Haushalten mit. Genauso ist es, wenn Besserverdienende nicht ihrem Einkommen entsprechend mehr am steuerlichen Aufkommen beteiligt werden und im Gegenzug dazu die Arbeitseinkommen steuerlich entlastet werden.

Die Linke fordert zur Finanzierung die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, denn Eigentum verpflichtet! Zudem haben die Länder ein bisher nicht genutztes Steuerfindungsrecht. Sie können neue Steuern ins Leben rufen. Die Linke will für den Handel eine Verkaufsflächensteuer einführen für Unternehmen mit einer Verkaufsfläche von über 10000 qm. Das würde auch für Einkaufsketten mit vielen Filialen gelten, weil deren Flächen addiert würden. Mittelstand und Inhabergeführte Geschäfte blieben verschont. Zudem würde die Linke an den richtigen Stellen sparen, wie z.B. beim Verfassungsschutz, bei überflüssigen representativen Ausgaben, dem Dienstwagenpark oder den unnötigen Zuschüssen für Eirichtungen wie die "Deutsche Management Akademie". Subvetionen würden auf Mitnahmeeffekte überprüft. Die Entscheidung für einen bedarfsgerechten Ausbau der frühkindlichen Förderung und der Bildung im Allgemeinen ist eine politische ! Doch die bildungspolitischen Konzepte der etablierten Parteien laufen - von der frühkindlichen Förderung bis hin zur Universitären Ausbildung - insgesamt in die falsche Richtung. Bildung ist laut UN Charta ein Menschenrecht und muss allen Menschen ohne Diskriminierung zugängig sein. Nicht so in Deutschland: Das dreigliederige Schulsystem, an dem die CDU hauptsächlich festhält, selektiert schon früh, unabhängig von der individuellen Entwicklung eines Kindes und produziert viele Schulverweigerer, die ohne einen Abschluss die Schulen verlassen und so keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr haben. Die Hauptschule als "Grundpfeiler" ist nicht mehr arbeitsmarkttauglich und hat ausgedient.

Im Dreigliederigen Schulsystem haben Kinder von MigrantInnen trotz gleicher Begabung, eine zweimal schlechtere Chance, einen höher qualifizierten Abschluss zu erreichen. Wie PISA beweist, werden auch Kinder aus sozial schwächeren Familien strukturell benachteiligt und haben schlechtere Chancen, eine höher qualifizierten Abschluss zu erreichen. 87 % der StudentInnen kommen aus akademischen Familien, dagegen nur 13% aus Arbeiterfamilien. Es werden zunehmend die jungen Menschen aussortiert, die es ohnehin schwerer haben: Kinder aus Arbeiterhaushalten, Kinder von Alleinerziehenden und aus sozial schwachen Familien, sowie Kinder mit migrantischem Hintergrund. Das System produziert schon heute die "VerliererInnen" von morgen. Hier fordert die Linke die IGS als Schulstandard und gemeinsames Lernen bis zur 1o. Klasse.

Es hat sich, auf historischen Erfahrungen gewachsen, nicht umsonst bewährt, dass bestimmte so genannte öffentliche Bereiche dem freien Markt entzogen wurden, um den Zugang aller Bevölkerungsschichten zu diesen öffentlichen Gütern zu sichern und in allen Einrichtungen eine gute Qualität zu gewähren. Bildung ist ein solches Gut, keine Ware !

Daher fordert die Linke: Bildung muss gebührenfrei sein, von der KITA bis hin zur Uni oder Ausbildung. (+ Ausbildungsplatzabgabe für die Firmen, die nicht ausbilden)

Kommunen müssen von den entstehenden Kosten entlastet werden. Die Umsetzung des Tagesbetreuungsgesetzes (TAG) muss konsequent erfolgen. Ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz muss zur Entlastung der Eltern und für sichere Wege für die Kinder wohnortsnah eingelöst werden. ErzieherInnen müssen besser qualifiziert werden und vernünftig bezahlt werden. Die Öffnungszeiten der Einrichtungen müssen sich den Lebensbedingungen der Eltern anpassen. Kinder mit Behinderung und Entwicklungstörungen müssen besonders gefördert werden und es darf hier nicht (!!!) - wie das Land es gerade plant - zu Einschnitten kommen. Die Eltern würden durch die geplanten Kürzungen um ein vielfaches mehr belastet werden, durch weniger Betreuung und durch längere Wege, sowie durch eine höhere Ortsbindung der Betreuung durch die Zentralisation des Angebotes ! Kinder mit Migrationshintergrund haben teils andere Lern- und Sozialisationprobleme, hier bedarf es eigenständiger auf Integration bauende Lernkonzepte. Und die Gruppengröße in KITAs und Schulen muss es gewährleisten, dass BetreuerInnen und LehrerInnen individuell auf die Kinder eingehen können. So können Lernschwierigkeiten und andere Probleme frühzeitig erkannt werden.

Dieses alles kostet Geld und die Gründe, warum die Politiker dieses nicht zur Verfügung stellen, ist mangelnde Durchsetzungfähigkeit gegenüber den Lobbyisten der Wirtschaft und den Besserverdienenden auf Bundes- und auf Landesebene. Jahrelange Fehlentwicklungen in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik führten zu leeren Kassen. Die Privatisierung (privare = lat. rauben) öffentlichen Eigentums führt zu weniger Einnahmen auf Dauer. Als Rechtfertigungen vorgeschoben werden EU-Beschlüsse, die nix anderes sind als die Unfähigkeit der Regierungen, auf der EU-Ebene Beschlüsse so zu fassen, dass diese den oben genannten politischen Zielen gerecht werden. Daher müssen Wähler und Wählerinnen und besonders die betroffenen Eltern und Jugendlichen, sowie die Auszubildenen und StudentInnen ihren Willen gegen immer mehr Sozialabbau und Kürzungen im Bildungsbereich öffentlich kundtun !! Dies können alle Interessierten tun am 25.1. auf einer landesweiten Demonstration gegen Bildungs- und Sozialabbau, zu der ich Sie alle herzlich einladen möchte. Die Demonstration beginnt um 14 Uhr vorm Haupteingang der Universität Hannover. Mehr dazu können Sie lesen unter:

http://pc2.asta.uni-hannover.de/asta/index.php

Mit freundlichen Grüßen

Marlen Stryj