Frage an Markus Söder von Dr. Rolf G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Minister Söder!
Die Bayrische Verfassung sagt in Art. 161 (2): Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. „Die wirtschafts- und sozialpolitische Sachprogrammatik dieser »Vollverfassungen « blieb jedoch weitgehend Papier“, wie der Sozialrechtler Prof. Hans F. Zacher (u.a. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Bundesverfassungsgericht) bereits 1972 monierte. „Auch praktischpolitische Vorschläge... bezogen und beziehen sich... nicht auf das wirtschafts- und sozialpolitische Programm der Verfassung.... Dieses Maß an Vernachlässigung ist nicht gerechtfertigt.“ (Verfassung und Verfassungsrechtsprechung, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.(1972), epub.ub.uni-muenchen.de/9931/1/9931.pdf
Der Artikel 161 (2) eröffnet zwei Chancen,
1. Entlastung der Haushalte. Im Kontext der BV (dritter Hauptteil: Gemeinschaftsleben) ist hier besonders an die Sozialleistungen zu denken.
2. Reduktion des Erschließungsdrucks, der sich aus der Erwartung exzessiver Wertsteigerungen ergibt. Damit wäre dem Ziel der Bayrischen Staatsregierung gedient, Flächenverluste zu vermeiden.
Nun meine Frage
1. Halten Sie den Artikel 161 (2) in Bayern für angemessen umgesetzt?
2. Wenn ja, womit?
3. Werden Sie sich für eine angemessene Berücksichtigung des Artikels einsetzen?
4. In welcher Größenordnung schätzen Sie die Einnahmen, die der öffentlichen Hand bei Umsetzung des Artikels zufließen würden?
Mit besten Grüßen
Dr. Rolf Grebenstein
Sehr geehrter Herr Dr. Grebenstein,
unter den Programmsatz des Art. 161 Abs. 2 BV wird u. a. die Möglichkeit diskutiert, für Grund und Boden eine „Wertzuwachssteuer“ oder eine sonstige „Wertsteigerungsabgabe“ einzuführen. Die Einführung neuer Steuern oder Abgaben stünde aber im Widerspruch zur steuerpolitischen Grundhaltung der Bayerischen Staatsregierung, die Steuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger nicht zu erhöhen. Ziel der bayerischen Staatsregierung ist es, den Bürgerinnen und Bürgern die finanziellen Spielräume weitestgehend zu erhalten und so jedem Einzelnen ein möglichst eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen. Darüber hinaus werden realisierte Wertzuwächse bei Grund und Boden bereits nach geltendem Recht zur Besteuerung herangezogen, so bei der privaten Veräußerung von Grundstücken innerhalb der Spekulationsfrist von zehn Jahren.
Eine darüber hinausgehende, eigenständige Besteuerung nicht realisierter (Boden-) Wertzuwächse würde die Finanzverwaltung bei der steuertechnischen Erfassung vor enorme praktische Vollzugsschwierigkeiten stellen. Die Wertentwicklung ist nämlich sowohl regional als auch im Einzelfall sehr unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund ist eine Abschätzung eines Wertzuwachsvolumens und des damit verbundenen theoretischen Einnahmepotentials ohne nicht zu rechtfertigenden Erhebungsaufwand nicht möglich.
Richtig ist, dass der Weg aus der Verschuldung nur über eine konsequente Haushaltskonsolidierung geht. Doch eine solche Haushaltskonsolidierung kann nach Überzeugung der Bayerischen Staatsregierung nicht an der Einnahmenseite anfangen, sondern muss auf der Ausgabenseite beginnen und darüber hinaus die Tilgung der Altschulden umfassen.
Auch als Instrument zur Reduzierung des Flächenverbrauchs in Bayern kann die Einführung einer Wertzuwachssteuer nicht überzeugen. Die Verwirklichung außerfiskalischer Zwecke durch das Steuerrecht, wie dies beim Flächensparen der Fall wäre, ist eine wesentliche Ursache für die allseits beklagte Komplexität des Steuerrechts. Diese darf nicht weiter verschärft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Söder, MdL
Staatsminister