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Frage von Ottmar M. •

Frage an Mark Hauptmann von Ottmar M.

Guten Tag Herr Hauptmann,

die Zeitung ND berichtete am 6.12.14, daß den EU-Staaten bzw. den europäischen Steuerzahlern seit 1994 Kosten von 30 Mrd. € durch Zahlungen an internationale Konzerne aufgrund von Schiedsgerichtsentscheidungen wegen entgangener Gewinne entstanden sind! Daraus und angesichts des Verhandlungsmandates der EU, dass durch die Abkommen CETA und TTIP Schiedsgerichte statt ordentlicher Gerichte Entscheidungen gegen Staaten und deren Institutionen treffen können sollen, ergeben sich folgende Fragen:
An wie vielen Schiedsgerichtsverfahren war die Bundesrepublik Deutschland bisher beteiligt? Musste Schadenersatz geleistet werden und wenn ja, um welche Summen handelt es sich, einschließlich Gerichtskosten? Wer befindet überhaupt über die Zusammensetzung solcher Schiedsgerichte? Wie und von wem werden/ sollen Schiedsgerichte kontrolliert werden? Konnte oder kann die Bundesregierung oder der deutsche Bundestag mittels Gesetzgebung die Zusammensetzung/Entscheidungen von Schiedsgerichten beeinflussen? Wie wird bei der Besetzung der Schiedsgerichte auf die Beeinflussung durch Lobbyisten geachtet, bzw. Einfluss genommen? Können aktuelle bzw. künftige Rekommunalisierungen deutscher Kommunen (z. Bsp. Dienstleistungen, Entsorgung, Gas-, Strom-, Wasserversorgung etc.) durch Schiedsgerichtsentscheidungen angefochten werden? Es wird um die präzise Beantwortung der Fragen gebeten! Erläuterungen über die angeblichen oder tatsächlichen Vorteile von CETA/TTIP sind nicht erforderlich, da dies aus den Medien bereits bekannt ist!

O. Müller

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Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 6. Dezember zum Thema Schiedsgerichtsverfahren.

Über die Notwendigkeit und Ausgestaltung von Investitionsschutzverträgen wird jeweils im Einzelfall entschieden. Aktuell hat die Bundesrepublik Deutschland 131 bilaterale Investitionsschutzabkommen (BIT) ratifiziert. Bis zum heutigen Tage wurden zwei Schiedsgerichtsklagen gegen Deutschland angestrengt. In beiden Fällen war der schwedische Energieversorger Vattenfall der Kläger, 2009 und 2014. Das Schiedsverfahren von 2009 endete 2011 mit einem Vergleich. Das Schiedsverfahren von 2014 ist noch anhängig. Somit hat die Bundesrepublik bislang keine Entschädigungszahlungen aufgrund eines Schiedsgerichtsverfahrens geleistet.

Die Besetzung eines Schiedsgerichts ergibt sich aus der jeweils zugrunde gelegten Schiedsordnung. Im Rahmen eines Schiedsverfahrens am „International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID https://icsid.worldbank.org/ICSID/ICSID/RulesMain.jsp )“, das an die Weltbank angegliedert ist, oder dem UN-Organ „United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention.html ) sind die Anforderungen und Regularien für die jeweiligen Schiedsrichter in den entsprechenden Konventionen festgelegt. Vor beiden Schiedsstellen kann bereits heute jede Partei den Antrag auf Ausschluss eines Richters stellen, dessen Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit angezweifelt wird.

Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion hat im Rahmen des TTIP-Abkommens den Vorschlag unterbreitet https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/ttip-schiedsgerichte-sollten-mit-hochrangigen-richtern-besetzt-werden von Seiten Deutschlands nur deutsche Berufsrichter, idealerweise Bundesrichter, als Schiedsrichter zuzulassen. Im Falle von Bundesrichtern oder Bundesverfassungsrichtern gibt es bereits einen bewährten gesetzlichen Rahmen unter Beteiligung des Deutschen Bundetags. Rechtlich ließe sich Derartiges im entsprechenden Begleitgesetz zur Ratifikation des Abkommens regeln. Verpasste man dennoch die Eignung auf einen Schiedsrichter, könnten seitens der EU der Europäische Gerichtshof und seitens der USA der US Supreme Court einbezogen werden. Ich unterstütze diesen Vorschlag der rechtspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker, und des zuständigen TTIP-Berichterstatters, Herrn Prof. Heribert Hirte, ausdrücklich.

In Bezug auf ein ergangenes Schiedsgerichtsurteil ist zwar eine Revision nicht möglich, allerdings kann sowohl vor dem ICSID als auch dem UNCITRAL eine Annullierung des Schiedsspruches beantragt werden. Zudem hat sich die Transparenz der Arbeitsweise von Schiedsgerichten in den vergangenen Jahren fortwährend erhöht. So wurden im Jahr 2006 die ICSID Arbitration Rules https://icsid.worldbank.org/ICSID/StaticFiles/basicdoc/CRR_English-final.pdf und im Jahr 2013 die UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration.html neu gefasst. Die darin festgelegt Transparenzregeln erfordern die Offenlegung von Schriftsätzen, Expertengutachten, prozessleitenden Verfügungen und ebenfalls auch den Schiedssprüchen. Auch die Anhörungen werden öffentlich erfolgen. Für das abschließend verhandelte Abkommen zwischen der EU und Kanada sollen diese ebenfalls Regeln Geltung finden.
Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion vertritt die Position, dass rechtstaatliche und demokratische Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den Bestimmungen des Gaststaates stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Dieser Umstand findet sich so beispielsweise im abschließend verhandelten Abkommen CETA wieder. Es wird nur solchen Investitionen Schutz eingeräumt, die unter Folgeleistung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden. Das bedeutet bei Investitionen in Deutschland die zwingende Einhaltung von deutschem Recht und EU-Recht. CETA enthält ebenfalls eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, u.a. im Umwelt- und Gesundheitsschutz, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. So bleibt der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) von dem geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada unberührt. Diese Regelung sollte als Modell gelten. Ich erwarte, dass sie auch in das TTIP-Abkommen Eingang findet.

Eine übersichtliche Auflistung bisheriger parlamentarischer Anfragen an die Bundesregierung zu transatlantischem Freihandel können Sie auf dieser Webseite http://www.bmwi.de/DE/Service/parlamentarische-anfragen.html?bereich=ttip abrufen.
Ich hoffe zur Klärung Ihrer Fragen beigetragen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Mark Hauptmann, MdB