Frage an Marina Schuster von Franz H. bezüglich Wirtschaft
Hallo Frau Schuster, gerade habe ich die passende Ergänzung zu meiner ersten Frage in "Spiegel online" gelesen. Ich zitiere:
"FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte im Radiosender ffn: "Ich finde es schon beunruhigend, dass sich eine Vereinigung bildet, die den Eindruck erweckt, als könne Deutschland ohne Schaden für die Ersparnisse und das Vermögen der Deutschen mal so eben seine Währung wechseln. Es ist ein bisschen komplexer."
Will er uns nur Angst machen? Sicher nicht, oder? Warum erklärt nicht wenigstens er mal dem Normalbürger die bestehende Euro-Problematik oder auch gern die Probleme, die durch die Ideen der "Alternative für Deutschland" für Deutschland entstehen-natürlich im Vergleich zu den bestehenden und noch auf uns zukommenden Probleme.
Vielleicht weisen Sie ihn ja mal darauf hin, dass sich hier in Ihrem Wahlkreis eine Menge Leute die Augen reiben, angesichts der Tatsache, dass ihnen die Politiker immer sagen: Das ist zu komplex...wähl uns einfach, dann wird das schon. So einfach machts "der mündige Bürger" den etablierten Parteien sicher nicht!
Mit freundlichen Grüßen
franz Hahn (wartet weiter auf eine Antwort...bzw. inzwischen auf zwei Antworten)
Sehr geehrter Herr Hahn,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage(n) zum Thema Euroraum-Stabilisierung.
Ich habe großes Verständnis für Ihre Sorgen. Wie Ihnen als aufmerksamer Leser sicher nicht entgangen ist, habe ich hier unter abgeordnetenwatch.de bereits im Detail einige Fragen zum Thema EFSF (bzw. StabMechG), zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) und zur Situation in Griechenland beantwortet. Es mag sein, dass meine Antworten nicht Ihrer Auffassung entsprechen. Dies ist in einer Demokratie durchaus möglich. Ihre Aussage allerdings, ich würde nicht antworten, trifft nicht zu. Ich stelle mich selbstverständlich gerne den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Zudem erreichen mich viele Anfragen direkt, also per Post, Mail, Telefon, und nicht über Plattformen.
Als politisch interessierten Menschen möchte ich Sie gerne ermutigen – diese Entscheidung liegt natürlich nur bei Ihnen – Ihre Fragen auch an die Abgeordneten der anderen im Bundestag vertretenen Parteien zu richten, damit Sie einen detaillierten Überblick über die Positionen erhalten. Auch die SPD, die Grünen und die Linken haben im Landkreis Roth sogenannte "Betreuungsabgeordnete". Und das Abstimmungsergebnis der Abgeordneten ist auch nachprüfbar, beispielsweise über www.bundestag.de. Sie wissen, dass die verschiedenen Rettungsmaßnahmen mit sehr breiten Mehrheiten aus CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen verabschiedet worden sind. Natürlich steht es Ihnen frei, auch andere sich bewerbende Kandidaten zu befragen.
Ich verstehe vollkommen, dass viele Medienberichte dazu führen, dass in der Bevölkerung eine gewisse Verunsicherung eingetreten ist. Auch bin ich mir bewusst, dass die Eurostabilisierung in der Bevölkerung kritisch gesehen wird. Wir diskutieren mittlerweile mehr über den Europäischen Stabilitätsmechanismus und den Fiskalpakt als über die Ursachen, welche diese Maßnahmen notwendig gemacht haben.
Ich lese auch von Kritikern, die zwar den Kurs von Bundeskanzlerin Merkel medienwirksam verteufeln, aber wenig aktiv sind, wenn es darum geht, eigene Vorschläge einzubringen – zumal wir immer bedenken müssen, das unter 27 EU-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Lösung gefunden werden muss. Jedoch kann nicht einmal der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn, der sich bislang als besonders entschiedener Kritiker der Eurostabilisierung hervorgetan hat, kann in dem Handeln der Bundeskanzlerin keine gravierenden Fehler erkennen ( http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87347229.html ).
Für mich ist eines klar: auch ein "Nichtstun" kostet.
Nun aber zu Ihren Punkten: In vielen Bürgergesprächen, die ich zum Thema Euro im Allgemeinen führe, werde ich oft gefragt: Wieviel Geld ist jetzt eigentlich nach Griechenland geflossen? Was waren Bürgschaften, was Kredite? Die Bürgerinnen und Bürger suchen nach einer Übersicht. Hier möchte ich auf die Homepage des Bundesfinanzministeriums verweisen: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Europa/Stabilisierung_des_Euro/Zahlen_und_Fakten/europaeische-finanzhilfen-efsf-efsm.html . Das tue ich deshalb, weil hier monatlich aktuell die Finanzhilfen dargestellt werden und auch der sogenannte "Ausschöpfungsrahmen". Ihre Anregung nehme ich gerne auf: ich werde diese Seite auch auf meiner Homepage verlinken.
Nun zu Ihrer Frage dazu, was wir getan haben, damit "der Steuerzahler nicht die Zeche zahlen muss"? Wir haben einige Maßnahmen beschlossen, die den Ordnungsrahmen für Banken verbessern. Denn es geht eben nicht nur um Finanzhilfen, sondern um den gesamten ordnungspolitischen Rahmen. Dazu gehört der haushaltspolitische Rahmen der jeweiligen Ländern sowie umfangreiche Maßnahmen, um die Versursacher an den Kosten der Krise zu beteiligen.
Wegen der Ereignisse der letzten Jahre werden seit 2011 alle deutschen Banken mit der Bankenabgabe an der Finanzierung möglicher künftiger Stützungsmaßnahmen von vornherein selbst beteiligt. Mit dem Restrukturierungsgesetz sind klare Regeln für die Sanierung und Abwicklung konkursgefährdeter großer Banken eingeführt worden. Bankenabgabe und Restrukturierungsverfahren tragen dazu bei, dass – anders als in der Finanzkrise – aus Steuergeldern bezahlte Hilfspakete für Kreditinstitute vermieden werden. Voraussichtlich ab März 2014 kann eine vernünftige und sorgfältig errichtete Bankenaufsicht für alle systemrelevanten Institute in der Eurozone ihre Arbeit aufnehmen.
Das ist aber nicht die einzige Maßnahme:
Erstens haben wir das Verbot ungedeckter Leerverkäufe eingeführt (Leerverkaufsgesetz, in Kraft seit Juli 2010. abgelöst durch: EU-Leerverkaufsverordnung, in Kraft seit November 2012) und wir haben die Regulierung des Hochfrequenzhandels (Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel) (Hochfrequenzhandelsgesetz) auf den Weg gebracht.
Zweitens haben wir darüber hinaus mit der im Juni 2011 in Kraft getretenen Ratingverordnung die Aufsicht über Ratingagenturen verbessert. Sie bringt eine Registrierungspflicht und Pflicht zur Erfüllung strenger Informationspflichten gegenüber der Aufsicht. Dazu gehören u.a. Bußgelder bei Verstößen gegen die EU-Ratingverordnung, Regelungen zur Haftung sowie Vorschriften zu Staatenratings und zur Reduzierung der Abhängigkeit von externen Ratings. Das mag jetzt technisch klingen, aber ich denke, es ist richtig, dies dennoch aufzulisten.
Alle Maßnahmen – mit zusätzlichen Erklärungen – finden Sie in dieser Broschüre, die ich sehr empfehlen kann: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Abt_7/2013-02-06-neuer-ordnungsrahmen-fuer-die-finanzmaerkte.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Gerne bin ich auch bereit, mich mit Eurokritikern inhaltlich und argumentativ auseinanderzusetzen. Dazu reichen aber 30 Sekunden in einer Radiosendung nicht. Sie sehen an meinen Antworten auf die verschiedenen Fragen auf dieser Plattform, dass ich – wenn ich alles im Detail ausführen würde – mindestens vier DIN-A4-Seiten brauchen werde. Wir sind uns sicherlich einig, dass man dies in einer Radiosendung schwer unterbringen kann. Ich glaube, bei solchen Sendungen ist man wahrscheinlich gezwungen, zu abstrahieren. Desweiteren sehe ich die Aufgabe eines FDP-Generalsekretärs darin, für die FDP zu werben, nicht darin, Personen und Forderungen der AfD zu erklären.
Sie können sicher sein, dass wir uns keinerlei Diskussion verwehren. Wir arbeiten tagtäglich an diesen Lösungen und Antworten, nicht zuletzt weil uns die europäische Einigung und Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent Herzensthemen sind. Gerade Deutschland profitiert ungemein von unserer gemeinsamen Währung und von Europa.
Für mich ist eines klar: ein Euro- oder ein "EU-Ausstieg" liegt nicht im Interesse unseres Landes. So hat beispielsweise das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, dass im Falle eines Auseinanderbrechens der Währungsunion die Wirtschaft um 9,2% einbrechen und die Arbeitslosigkeit auf 9,3% bzw. 3,9 Mio. Arbeitslose steigen würde. Die Steuereinnahmen würden einbrechen, der Bedarf an Sozialausgaben stark steigen, gleichzeitig wären diese nicht mehr finanzierbar. So etwas kann nicht in unserem Interesse liegen.
Wie Sie an meinen anderen Antworten auf abgeordnetenwatch.de zum Thema Euro-Politik sehen können, freue ich mich über die Möglichkeit, unsere Arbeit zu erklären und für Ihr Verständnis zu werben. Ich lade Sie hiermit herzlich ein, bei einer der nächsten FDP-Veranstaltungen vor Ort das Gespräch mit mir zu suchen. Gerne beantworte ich Ihnen dort auch persönlich weitere Fragen, die Sie zum Thema haben sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Marina Schuster