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Frage von Wolfgang A. •

Frage an Marina Schuster von Wolfgang A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Abgeordnete.

Ihre Antwort habe ich mit Interesse gelesen. Bei Ihrer Antwort sind bei mir allerdings Fragen aufgetaucht. Sie schreiben davon, daß eine Kommune nicht privatisieren muß aber kann. Aber wenn sie privatisiert, dann MUSS sie europaweit ausschreiben? Wie ist das eigentilch bei einer solchen Ausschreibung? MUSS die Kommune dann den günstigsten Anbieter nehmen (damit wäre ja auch mafiösen Strukturen Tor und Tür geöffnet, siehe Italien) oder kann sie auch einen zunächst teureren, aber einen Anbieter ihres Vertrauens wählen? Auch ich nehme nicht den billigsten Handwerker sondern den Handwerker meines Vertrauens. In welcher Weise ist also eine Kommune durch diese Richtlinie, die ja offensichtlich in Brüssel durchgewunken und NICHT bereinigt wurde (lt. Reden im Bundestag), gebunden?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Vorschlag für eine Richtlinie über Konzessionen.

Ich habe großes Verständnis für die Beunruhigung, die infolge der oftmals missverständlichen Presseberichterstattung bei vielen ausgelöst wurde. Hilfreich für die weitere Diskussion ist der Text des Entwurfs, den Sie unter folgendem Link finden können: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/modernising_rules/COM2011_897_de.pdf

Wie Sie richtig schreiben, sieht die geplante Richtlinie nicht vor, dass Kommunen oder Gemeinden Dienstleistungskonzessionen, z. B. für die Wasserversorgung, grundsätzlich europaweit ausschreiben müssen. Sprich, öffentliche Auftraggeber werden nicht zu einer Ausschreibung gezwungen, wie die Medien oft suggeriert haben.

Nur wenn Kommunen entscheiden, private Anbiete einzubeziehen, ist ab einen Schwellenwert von fünf Millionen Euro eine EU-weite öffentliche Ausschreibung erforderlich. Der zuständige Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäischen Parlament hat gefordert, diesen Schwellenwert sogar auf acht Millionen Euro zu erhöhen. Macht ein betroffenes Unternehmen allerdings 80 Prozent seines Geschäfts in seiner eigenen Kommune, kann auf eine Ausschreibung verzichtet werden. Auf viele Stadtwerke in Deutschland trifft dies zu.

Entscheidend für die Beantwortung Ihrer konkreten Frage ist der Art. 39 in der Richtlinie. Dort heißt es: „Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die öffentlichen Auftraggeber und die Vergabestellen Konzessionen gemäß Absatz 2 auf der Grundlage des Kriteriums des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben. Diese Kriterien können neben dem Preis oder den Kosten jedes der folgenden Kriterien umfassen […].“ Dazu zählen, wie Sie unter 4 a bis d entnehmen können u.a. Kriterien wie der Kundendienst und technische Hilfe; Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist; oder auch Umwelteigenschaften. Die Kommune hat damit Entscheidungshoheit darüber, welche Kriterien es für die Unternehmen vorgeben will. Es geht also nicht um das per se billigste Angebot.

Von einem „Durchwinken“ der Richtlinie kann allerdings keine Rede sein. Zuständig in diesem Fall ist die Europäische Union, da es nicht um eine nur für Deutschland geltende Regelung geht, sondern eine Regelung in allen 27 Mitgliedstaaten. Bereits im Dezember 2011 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge für die Neufassung der Regelungen zum öffentlichen Auftragswesen vorgelegt. Bis zum 5. Juli 2012 konnten die Mitglieder des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments Änderungsanträge zum Richtlinienvorschlag stellen. Bei der Abstimmung hat die FDP gegen die Einbeziehung des Wassersektors in den Richtlinienentwurf gestimmt, um dessen besonderem Wesen Rechnung zu tragen – leider vergeblich.

Gerade aus meiner Erfahrung als Kreisrätin bin ich der Überzeugung, dass an der kommunalen Selbstverwaltung gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Trinkwasserversorgung nicht gerüttelt werden darf. Uns als FDP ist im jetzigen Entwurf vor allem wichtig, dass Kommunen dennoch in keiner Weise „Zwangs-Privatisierungen” hinnehmen müssen – und dieses Ziel konnte auch durch den Einsatz meiner FDP-Kolleginnen und -kollegen im Europäischen Parlament erfreulicherweise erreicht werden. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Marina Schuster