Frage an Marina Schuster von Torsten U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schuster,
von mir eine ganz kurze Frage. Sie haben sowohl dem Antrag der Grünen als auch der Linken, Deutschland vor einer privaten Wasserversorgen zu bewahren abgelehnt. Warum? Welche Folgen für uns Bürger erwarten Sie?
Sehr geehrter Herr Uhl,
sehr gerne erkläre ich mein Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag. Und ich bin froh, dass Sie mich hier bei abgeordnetenwatch.de fragen, denn das gibt mir die Möglichkeit, genau über den Sachverhalt zu informieren.
Eines vorweg: Es ging bei der Abstimmung keinesfalls um eine Zwangsprivatisierung. Auch ging es nicht darum, ob Trinkwasser ein Menschenrecht ist oder nicht. Dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser ein Menschenrecht ist, ist nicht nur im Deutschen Bundestag zurecht und erfreulicherweise absoluter Konsens.
Weil die politische Debatte im Allgemeinen sehr emotional und zum Teil auch unklar geführt wurde, habe ich zu den Abstimmungen am 28.02.13 im Deutschen Bundestag auch eine persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags abgegeben.
Die Wasserversorgung in Deutschland ist ausgezeichnet. Deshalb soll sie selbstverständlich in kommunaler Hand bleiben, wenn die Kommunen dies wünschen. Städte und Gemeinden können auch im Wasserbereich grundsätzlich frei zusammenarbeiten. Es bleibt also weiterhin möglich, dass Kommunen die Wasserversorgung gemeinsam organisieren. Es besteht überhaupt keine Pflicht, private Wasserversorger einzuschalten. Dies alles ist durch die Konzessionsrichtlinie nicht in Frage gestellt. Auch zukünftig wird keine Kommune zur Privatisierung der Wasserversorgung gezwungen.
Wenn eine Kommune aus eigenem Antrieb (!) privatisieren will, müsste sie nach der neuen EU-Richtlinie allerdings ausschreiben – die Ausschreibung ist bzw. wäre das neue. Das Ziel ist ein transparentes Verfahren bei der Vergabe. Genau dies ist der Kerninhalt der Konzessionsrichtlinie. Der Entwurf überführt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in geschriebenes Recht. Zu dem, was in der Richtlinie steht und was nicht, empfehle ich folgenden Artikel bei Zeit Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-02/wasser-stadtwerke-privatisierung-eu-kommission
Nochmals zur Klarstellung: Kommunen können auch künftig ihre öffentlichen Aufgaben wie beispielsweise die Wasserversorgung natürlich selbst erbringen. Es besteht und bestand KEIN Zwang zur Privatisierung (auch nicht durch die Hintertür). Die Wahlfreiheit der öffentlichen Hand, wie sie öffentliche Aufgaben erbringt, wird durch die Richtlinie nicht geändert. Diese gilt nur, wenn die Kommunen im Rahmen ihrer Autonomie die eigene freie Entscheidung getroffen haben, eine Leistung von einem privaten Unternehmen erbringen zu lassen.
Weder die hohe Wasserqualität noch die Versorgungssicherheit in Deutschland sind von der Richtlinie gefährdet. Im Gegenteil: Jede Kommune kann auch künftig hohe Anforderungen an die zu erbringende Leistung stellen. Auch andere Aspekte wie die Wartung und Investition in die Netze, die Einhaltung bestimmter Umwelt- und Sozialstandards können zur Grundlage der Auswahlentscheidung gemacht werden. Die Richtlinie schreibt auch nicht vor, nach welchen inhaltlichen Kriterien der Anbieter ausgewählt wird – wenn die Kommune denn überhaupt aufgrund ihrer eigenen Entscheidung einen privaten Anbieter wählen will. Die öffentliche Hand hat für diesen Fall einen weiten Ermessungsspielraum und kann damit eine hohe Wasserqualität durchsetzen.
Allerdings gab es bis vor kurzem Detailprobleme, die ich hier auch ansprechen will. Es stellte sich die Frage, wie bei der interkommunalen Zusammenarbeit vorzugehen ist. Ferner bestand die Gefahr, dass Mehr-Sparten-Stadtwerke die Wasserversorgung in eine eigene Gesellschaft auslagern müssten, was zu unnötigen Bürokratiekosten geführt hätte. Dagegen habe ich mich stets gewandt. Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite mit ihm geführt worden sind, hat der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier bei diesen Fragen nunmehr die Position der Kommunen in vollem Umfang übernommen. Dieses Einlenken ist zu begrüßen. Zudem hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel eine deutliche Verschlankung des Richtlinientextes erreichen können.
Daher bin ich sicher, dass es bei den bald beginnenden Trilog-Verhandlungen zu einer endgültigen Lösung kommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltung der bewährten kommunalen Trinkwasserversorgung erfüllt wird.
Die FDP Bayern hat in ihrem Landtagswahlprogramm übrigens folgende Forderung beschlossen. Sie finden Sie auf der S. 10 im veröffentlichen Landtagswahlprogramm auf www.fdp-bayern.de.
„Die bayerische FDP will keine europäische Regulierung der bayerischen Trinkwasserversorgung. Die Wasserversorgung ist aus dem Anwendungsbereich der europäischen Dienstleistungsrichtlinie auszuklammern. Als Kernaufgabe der Daseinsvorsorge und lebensnotwendige Existenzgrundlage unterliegt die Wasserversorgung dem hoheitlichen Zugriff.“
Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle auf einen von mir initiierten Antrag zum Menschenrecht auf sauberes Wasser und sanitäre Grundversorgung hinweisen. Diesen finden Sie unter diesem Link:
http://www.fdp-fraktion.de/files/253/1702332_1_.pdf
Diesen Antrag habe ich bereits vor zwei Jahren eingebracht - als Trinkwasser noch gar kein großes Thema war. Dazu habe ich auch im Plenum des Deutschen Bundestags gesprochen. Dieser Antrag hat eine breite Mehrheit im Bundestag gefunden.
Wenn Sie sich zum Menschenrecht auf Wasser einbringen möchten, darf ich Ihnen die Organisation WASH United ans Herz legen, siehe http://www.wash-united.org/ Dort bin ich selbst dabei und ich freue mich, wenn noch mehr mitmachen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Marina Schuster MdB