Frage an Marina Schuster von Gudrun W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag, Frau Schuster,
am 22.03.12 wurde im Bundestag über den Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und Deutschlands historischer Verantwortung gerecht werden" abgestimmt. Sie haben als erste dazu gesprochen. Ich habe nicht verstanden und kann auch meinen Schülerinnen und Schülern (Berufliches Gymnasium und Fachoberschule) nicht erklären, warum Sie gegen den Antrag gestimmt haben.
Es wäre nett, wenn Sie das in verständlicher Weise erläutern könnten!
Vielen Dank,
G. Wolf
Sehr geehrte Frau Wolf,
haben Sie vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie auf den Namibia-Antrag vom 22. März eingehen. Gerne nehme ich im Folgenden Stellung zum Abstimmungsverhalten der FDP-Bundestagsfraktion.
Zunächst begrüße ich es sehr, dass Sie Ihren Schülerinnen und Schüler eine Auseinandersetzung mit den deutschen Kolonialverbrechen ermöglichen. Dies ist aus meiner Sicht wichtig, weil die Erinnerung an das unglaubliche Leid nicht verblassen darf. Für Ihr Engagement danke ich Ihnen daher sehr.
Der Deutsche Bundestag hat mehrmals über die deutschen Kolonialverbrechen debattiert. Erst kürzlich hat eine Delegation aus dem namibischen Parlament Gespräche mit den Abgeordneten geführt. Ich kann Ihnen daher versichern, dass alle Fraktionen im Deutschen Bundestag ihre Verantwortung sehr ernst nehmen.
Alle Bundesregierungen – egal welcher Koalition - setzen und setzten sich deshalb nachdrücklich für die Einhaltung der Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ein. Dabei haben alle Bundesregierungen – egal welcher Koalition – durchgängig die völkerrechtliche Position vertreten, dass die Konvention, die für Deutschland am 22. Februar 1955 in Kraft getreten ist, nicht rückwirkend angewendet wird.
Der Antrag der SPD und Grünen, auf den Sie sich beziehen, darf daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung – d.h. sowohl Außenminister Fischer als auch Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul – keine sogenannte „entschädigungsrelevante Entschuldigung“ (Zitat in der „Welt“) abgegeben hat. Wenn also ein Antrag der Grünen und SPD zu diesem Thema kommt, muss man wissen, dass ihr nun in der Opposition vorgetragenes Anliegen vor Jahren hätte umgesetzt werden können. Eine passende Quelle finden Sie hier:
http://www.welt.de/print-wams/article114391/Wieczorek-Zeul-bat-um-Vergebung.html
Unabhängig davon ändert sich nichts an unserem Willen zur Aufarbeitung und Zusammenarbeit. Ich möchte betonen, dass sich die Bundesregierungen vor dem Hintergrund der deutschen kolonialen Vergangenheit wiederholt zu dem schweren historischen Erbe und der daraus erwachsenden ethisch-moralischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia bekannt und die damaligen Geschehnisse zutiefst bedauert haben. Deutschland trägt seiner besonderen Verantwortung für Namibia durch eine intensive Zusammenarbeit Rechnung. So erhält das Land von Deutschland die höchsten Pro-Kopf-Entwicklungsleistungen in Afrika. Mit der „Namibian-German Special Initiative“ fördern wir die Gemeindeentwicklung, kleinbäuerliche Viehzucht, ländliche Wasserversorgung, Grundbildungsinfrastruktur, den Einfachwohnungsbau und ländlichen Wegebau zum Wohl der Menschen vor Ort. Auch begrüße ich es sehr, wenn eine deutsch-namibische Parlamentariergruppe eingerichtet werden soll - das gemeinsame Interesse der Zusammenarbeit ist hoch. Und das ist die Entwicklung, über die ich sehr dankbar bin: dass es trotz des schweren historischen Erbes gelungen ist, freundschaftliche Beziehungen aufzubauen. Diese gilt es, weiterzuführen und zu festigen.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben. Vielen Dank für Ihr Interesse
und freundliche Grüße – auch an Ihre Schülerinnen und Schüler
Marina Schuster