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Marina Schuster
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Frage von Stefan K. •

Frage an Marina Schuster von Stefan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Schuster,

mich würde interessieren, wie sie zur geplanten Sperrung von Kinderporno-Seiten stehen. Insbesondere wäre ich an einer Stellungnahme zu den aus meiner Sicht problematischen Teilen dieses Gesetzentwurfes interessiert:

a) Sperren statt Löschen. Der Großteil der bereitgestellten Seiten sind nachweislich in Deutschland, den Niederlanden, USA und Kanada beheimatet. Wo nicht die nationale Strafverfolgung sofort eingreifen kann, sollte zu diesen zivilisierten Ländern doch ein ausreichender Draht bestehen um ein konzertiertes Vorgehen hinzubekommen?! Ich bin ein sehr großer Freund davon, das KiPo wirklich bekämpft wird, aber ich wehre mich gegen dagegen dass es keine besseren Mittel als die angedachten Sperrungen geben soll.

b) Missachtung der (doch sehr bewährten) Gewaltenteilung. Wie kann es sein, das die Exekutive BKA neuerdings Blankoschecks ohne richterliche Kontrolle in die Hand bekommt und geheime Listen nach Gutdünken pflegen darf. Wo Menschen sind, werden Fehler gemacht und hier findet keinerlei Kontrolle durch andere Instanzen statt, die Fehler aufdeckt.

c) damit einhergehend der Aufbau einer Zensurinfrastruktur. Selbst die Steigerung der o.g. Fehler ist denkbar. Also die vorsätzliche Aufnahme unliebsamer Seiten! Zusammen mit einigen anderen Gesetzen und -entwürfen die vermeintlich unsere Sicherheit erhöhen sollten (das BKA-Gesetz wurde weiter oben ja schon behandelt) sehe ich eine deutliche Beschneidung von Bürgerrechten.

Ich würde mich sehr über eine klare Positionierung ihrerseits freuen.

Gruß Stefan Kremer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kremer,

vielen Dank für Ihr Schreiben zu den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Kinderpornographie, auf das ich Ihnen hiermit gerne Antwort gebe.

Kinderpornographie muss effektiv und entschlossen bekämpft werden. Kinderpornographie, bei der der Missbrauch von Kindern in Bild oder Film wiedergegeben wird, ist ein äußerst widerliches und schreckliches Verbrechen, das schutzlose Kinder in besonders erniedrigender Form sexueller Ausbeutung preisgibt. Der vorangegangene Missbrauch hinterlässt unheilbare Wunden an Seele und Körper der missbrauchten Kinder.

Notwendig ist daher die konsequente Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie. Die Erfolge der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich müssen fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen. Zudem muss die Prävention des Kindesmissbrauchs verbessert werden. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben, sondern jeder, der Hinweise auf Kindesmissbrauch hat, muss ermutigt werden, dies auch regelmäßig zur Anzeige zu bringen.

Den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, lehnt die FDP-Bundestagsfraktion ab.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Zugleich müssen sich staatliche Maßnahmen an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.

Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder, wohingegen der Bund nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist.

Der Gesetzentwurf wirft darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfasst sein, wie die Bundesregierung selbst darlegt. Daher muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob die vorgeschlagene Maßnahme verhältnismäßig ist.
Dies korrespondiert auch mit den von Ihnen genannten Problemen, die aus einer Aufweichung des Prinzips der Gewaltenteilung resultieren.

Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Die Verbreitung, Beschaffung wie auch der Besitz von Kinderpornographie sind strafbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den geplanten Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich sind, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Wenngleich die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, gang und gäbe ist und so eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel.
Während also die durch den Gesetzgeber vorgeschlagene Sperrung von DNS-Adressen nur die "Wegweiser" im Internet zu den kinderpornographischen Webseiten blockiert und dabei - technisch völlig unzulänglich - am Symptom herumdoktert, ist es notwendig, die Inhalte selbst zu löschen. Das bestehende Strafrecht ermöglicht es schon heute, kinderpornographische Inhalte zu löschen und gegen die Urheber vorzugehen.

Von der Bundesregierung wird vorgetragen, dass die Maßnahme der Sperrung aber deshalb erforderlich sei, weil ein strafrechtliches Vorgehen gegen die Betreiber ausländischer Server schwierig bis unmöglich sei. Wie Sie sehr richtig schreiben, befinden sich die weit überwiegende Zahl der Server in Nordamerika und Europa. Bei diesen auf ausländischen Servern eingestellten kinderpornographischen Inhalten müssen die deutschen Strafermittlungsbehörden verstärkt Rechtshilfegesuche an die betreffenden Staaten richten. Da sich dies zumeist im Hinblick auf westliche Staaten wie USA, Kanada und andere EU-Staaten bezieht, sind hier ausreichende Kooperationsmöglichkeiten geben. Die Rechtshilfe zwischen diesen Staaten wird bereits jetzt auch regelmäßig und erfolgreich praktiziert.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht. So fehlen in dem Gesetzentwurf Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr ist abzulehnen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird das nun anstehende parlamentarische Verfahren dazu nutzen, ihre Bedenken sachlich und kritisch vorzutragen, um eine ernsthafte Debatte anzustoßen. Es verbietet sich nach meiner persönlichen Ansicht wie auch derjenigen der FDP-Bundestagsfraktion, das Thema in die eine oder andere Richtung zu instrumentalisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Marina Schuster