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Marie-Agnes Strack-Zimmermann
FDP
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Frage von Thomas S. •

Frage an Marie-Agnes Strack-Zimmermann von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag Frau Strack-Zimmermann,

Sie haben am 25.03.2021 für eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan gestimmt.

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/marie-agnes-strack-zimmermann/abstimmungen?parliament_period=All&vote=All&page=2

Frage 1:

Was waren/sind Ihre Beweggründe für diese Entscheidung?

US-Präsident Joe Biden will bis spätestens 11.09.2021 das amerikanische Militär aus Afghanistan abziehen. Die Tagesshau meldet am 02.07.2021 dass nach fast 20 Jahren Präsenz in Afghanistan NATO- und US-Truppen ihren größten Militärstützpunkt Bagram geräumt hätten, der vollständige Abzug aus dem Land könnte unmittelbar bevorstehen. Die Bundeswehr hat Afghanistan verlassen und beendete damit ihren bisher längsten Auslandseinsatz.

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-bagram-nato-abzug-101.html

Frage 2:

Wie werten Sie den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan?

Frage 3:

Sehen Sie die Zielsetzung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan als erfüllt an?

Frage 3:

Sollten Sie diese Zielsetzung als erfüllt ansehen, würden Sie Ihre Sichtweise bitte begründen?

Frage 4:

Sollten Sie die Zielsetzung des Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, als nicht erfüllt ansehen, was hat dieser Einsatz (indem 25 deutsche Soldaten gefallen sind) gebracht?

Zurück bleiben in Afghanistan Menschen, die der Bundeswehr geholfen haben und nun massiv durch Racheakte der Taliban bedroht sind, welche die geräumten Regionen zunehmend beherrschen.

Zitat Tagesschau vom 02.07.2021:

""Wir lassen Euch nicht im Stich" - lautete das Versprechen der Bundesregierung an die afghanischen Helfer der Bundeswehr. Doch daran gibt es Zweifel: Die deutschen Truppen sind zu Hause, die Afghanen noch vor Ort."

https://www.tagesschau.de/inland/ortskraefte-afghanistan-103.html

Frage 5:

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland die ehemaligen Helfer der Bundeswehr in Sicherheit bringt?

Viele Grüße, Thomas Schüller

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schüller,

vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich als verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion der Freien Demokraten gerne beantworte.

Zu Ihrer Frage 1:

Als Freie Demokraten haben wir damals für eine Fortsetzung des Einsatzes in engem Rahmen gestimmt, um mit der Bundeswehr und den internationalen Truppen dort die innerafghanischen Friedensverhandlungen vor Ort in Afghanistan abzusichern zu können, bis sich die Konfliktparteien auf eine Friedenslösung geeinigt haben. Gleichzeitig haben wir uns für den Fall eines sehr schnellen Abzuges der internationalen Truppen natürlich auch Sorgen um die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gemacht. Auch heute würde ich dem Einsatz zustimmen. Die sich nun immer weiter verschärfende Sicherheitslage in Afghanistan zeigt, dass der internationale Abzug möglicherweise zu hastig erfolgt ist.

Frage 2:

Ich sehe mit Sorge, wie die Taliban immer mehr Raum gewinnen. Mit dem überstürzten Abzug der internationalen Truppen hat man ein Druckmittel für die Friedensverhandlungen in Doha aus der Hand gegeben. Die Orientierung an symbolischen Daten - 4. Juli und 11. September - ist ein Fehler, den die USA zu verantworten haben. Die internationale Gemeinschaft musste folgen, ein Alleingang einzelner Länder, wäre nicht machbar, zumal wir alle zusammen nach Afghanistan gegangen sind. Nun müssen wir uns Gedanken über die Zukunft Afghanistans machen. Es wäre fatal, wenn das Land in einer Nachkriegsordnung wieder in mittelalterliche Zustände zurückfallen würde. Wir Freie Demokraten unterstützen weiterhin einen inklusiven Friedensprozess in Afghanistan, in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und unter Einbezug der Region. Auch nach dem Abzug der Truppen werden zivile Kräfte - Diplomaten, Entwicklungshelfer, Berater - im Land bleiben. Es wird jetzt darauf ankommen, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickelt und wie Deutschland und seine Partner am Verhandlungstisch und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf die Situation einwirken können. Wie wir weiter Verantwortung übernehmen wollen, können Sie hier im Detail nachlesen: https://www.fdpbt.de/initiative/antrag-perspektiven-fuer-afghanistan-gestalten-weiterhin-verantwortung-uebernehmen.

Frage 3 und 4:

Die Frage wird einmal historisch beantwortet werden müssen. Der Afghanistan-Einsatz hat die Bundeswehr, vor allem aber das Leben Tausender Soldatinnen und Soldaten und deren Familien geprägt - über 20 Jahre hinweg. Wir haben erreicht, dass von Afghanistan kein Terroranschlag gegen die westliche Welt mehr ausgegangen ist. Wir haben erreicht, dass Frauen und Mädchen am Bildungssystem wieder teilhaben können. Und auch die Entwicklung im Gesundheitsbereich hat große Fortschritte gemacht. Nicht erreicht haben wir, dass es ein Staatsgebilde (governance) nach demokratischen Vorbild gibt. Nach wie vor bestimmen neben der Zentralregierung in Kabul viele Warlords in den Provinzen die Richtung. Für zukünftige Einsätze auch in anderen Regionen der Welt muss daher genau analysiert werden, was machbar ist und wo wir an unsere Grenzen stoßen. Wir haben daher seit Jahren von der Bundesregierung eine Evaluation des Einsatzes gefordert. Bisher leider vergebens. Daher streben wir an, in der nächsten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission einzusetzen.

Ich danke den Soldatinnen und Soldaten von Herzen für ihren Einsatz und ihr Engagement. Die Bundeswehr war vor Ort immer ein gern gesehener Partner.

In Gedanken sind wir bei den 35 Gefallenen und den 24 im Einsatz tödlich verunglückten Soldaten und deren Familien. In einem Interview im ZDF führe ich aus, warum es keine einfachen Antworten gibt:

https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/strack-zimmermann-einiges-erreicht-truppenabzug-aus-afganistan-100.html#xtor=CS5-65.

Wichtig aber ist: Militär allein wird nie erfolgreich sein. Dazu gehört zwingend immer auch nachhaltige Entwicklungshilfe und strategische Diplomatie. Deshalb verweise ich auch nochmal auf die Antwort auf Frage 2, wie wir uns eine weitere Zusammenarbeit in und mit Afghanistan vorstellen (https://www.fdpbt.de/initiative/antrag-perspektiven-fuer-afghanistan-gestalten-weiterhin-verantwortung-uebernehmen).

Frage 5:

Als Parlamentarier haben wir schon früh darauf aufmerksam gemacht, dass

die Ortskräfte in Lebensgefahr sind, wenn die internationale Militärpräsenz in Afghanistan beendet ist. Spätestens mit der Entscheidung über das Abzugsdatum haben wir verstärkt Fragen an die Bundesregierung gestellt. Uns wurde noch eine Woche vor dem Abzug der Bundeswehr zugesichert, dass für alle zugesagten Ausreisen die Papiere noch in derselben Woche in Afghanistan ausgegeben werden sollten. Zudem wurde bekräftigt, dass nicht nur solche Ortskräfte, die seit 2019 für die Bundeswehr gearbeitet haben, ausreisen dürfen, sondern auch Personen, die ab 2013 als Ortskraft tätig waren. Es war genug Zeit, um alles vorzubereiten und zu planen. Wenn die Bundesregierung es wirklich nicht geschafft haben sollte, rechtzeitig alle Papiere auszustellen und für die Sicherheit der Ortskräfte und ihrer Familien zu sorgen, wäre das verantwortungslos. Das ist nicht nur eine Frage der Zuverlässigkeit und Loyalität, sondern auch der Menschlichkeit.

Konkret: Ja, selbstverständlich setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland diese Menschen, die uns jahrelang begleitet haben, nicht im Stich lässt und in Sicherheit bringt. Das ist das Mindeste.

Mit freundlichen Grüßen

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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