Frage an Marianne Schieder von Ralph A. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Schieder,
Ich hätte zwei Anliegen.
1. Was halten Sie von der von Herrn Tiefensee befürworteten Privatisierung der Bahn?
2. Warum befürworten Sie den Nato-gesteuerten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan?
Mit solidarischen Grüßen,
Ralph, 16, SPD-Mitglied
Sehr geehrter Herr Apfelbacher,
vielen Dank für Ihre Mail vom 29.12.07 zur Bahnprivatisierung und zur Fortsetzung des OEF-Einsatzes in Afghanistan.
zu 1)
Mit dem von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes wollen wir dazu beitragen, die Bahn noch attraktiver gegenüber der Straße zu machen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des immens wachsenden Güterverkehrs in Deutschland und in Europa. Die Öffnung des europäischen Binnenmarktes für den Güterverkehr seit Beginn dieses Jahres und für den internationalen Personenverkehr ab dem Jahr 2010 wird für zusätzlichen Wettbewerb sorgen, und sie eröffnet unseren deutschen Bahnunternehmen neue Chancen in Europa. Aber nur mit einer starken Bahn können wir beim ökologisch vorbildlichen Verkehrsträger Schiene für Zuwachs sorgen.
Mit der Teilprivatisierung verhindern wir, dass der Konzernverbund zerschlagen wird. Den rund 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DB AG geben wir die Sicherheit, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt und das Beschäftigungsbündnis weitergeführt werden können. Und: Die enge Sozialpartnerschaft zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft Transnet soll auch nach der Teilprivatisierung erhalten bleiben – also auch über das Auslaufen des Beschäftigungspaktes im Jahr 2010 hinaus.
Der Verzicht auf eine Teilprivatisierung der DB AG ist aus meiner Sicht keine Alternative. Denn das Unternehmen hat Verbindlichkeiten von fast 20 Milliarden Euro, und sie muss diese abbauen. Wir wollen weitere Investitionen finanzieren und so Arbeitsplätze langfristig sichern bzw. neue schaffen. Zum Vergleich: In den letzten 24 Jahren des Bestehens der Bundesbahn bis 1994 wurden lediglich 50 Milliarden Euro investiert; dagegen wurde das System Schiene allein im Zeitraum von 1994 bis 2005 mit rund 92 Milliarden Euro im Rekordtempo modernisiert. Eine Fortsetzung dieser Investitionsoffensive ist ohne privates Kapital nicht möglich.
Wir wollen nichts „übers Knie brechen“, sondern wir werden uns die Zeit nehmen, über die Inhalte des Gesetzentwurfes zu diskutieren und offene Fragen zu klären.
Wie Sie sicher als SPD-Mitglied wissen, hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg intensiv über die Bahnprivatisierung diskutiert und das so genannte "Volksaktien-Modell“ beschlossen. Demnach sollen Bahnanteile nur als "stimmrechtslose Vorzugsaktien" ausgegeben werden. Das bedeutet, die Anteilseigner verzichten auf das Mitspracherecht und erhalten dafür eine sichere Dividende.
Neben der Ausgabe von "stimmrechtslose Vorzugsaktien" hat sich der Parteitag für Maßnahmen ausgesprochen, die ein leistungsstarkes und flächendeckendes Bahnangebot gewährleisten sollen:
Die Bahn AG muss sich bei der Pflege des Netzes und der Bahnhöfe an konkrete Vorgaben halten. Über Zustand und Entwicklung des Bahnnetzes ist mit einem regelmäßigen Bericht genaue Auskunft zu geben. Die Länder erhalten mehr verkehrspolitischen Einfluss.
Damit kann die weitere Entwicklung der Bahn AG so gestalten werden, dass die flächendeckende Versorgung mit schienengebundenem Verkehr gewährleistet bleibt. Vor allem wird sichergestellt, dass neben der reinen Kapital-Rendite auch wichtige verkehrspolitische Aspekte bei der Unternehmensführung der DB AG berücksichtigt werden. Das war von Anfang an Bedingung für eine Bahn-Privatisierung und steht so auch im Koalitionsvertrag.
Die Delegierten in Hamburg haben festgelegt, dass bei einer Ablehnung unseres Modells durch CDU/CSU auf einem Parteitag der SPD erneut über eventuelle Alternativen abgestimmt werden muss. Den Beschluss füge ich Ihnen in der Anlage bei.
zu 2)
Sie dürfen versichert sein, dass ich mir die Entscheidung, für die Verlängerung des Mandates zu stimmen, nicht leicht gemacht habe. Vielen Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere die Gespräche mit Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und den Kolleginnen und Kollegen, die sich vor Ort in Afghanistan ein Bild von der Situation machen konnten, haben meine Entscheidung geprägt.
Das Engagement der Vereinten Nationen erlaubt den Wiederaufbau der afghanischen Zivilgesellschaft, die die Grundlage jedes demokratischen Staates ist. So gehen wieder über sechs Millionen Mädchen und Jungen zur Schule, die Kindersterblichkeit ist stark gesunken. Die medizinische Versorgung konnte erheblich verbessert werden. Es wurden also in Zusammenarbeit mit den afghanischen Partnern schon große Fortschritte gemacht.
Von entscheidender Wichtigkeit sind zusätzlich die Einsätze der Bundeswehr, deren Aufgabe es ist, den Aufbau der Zivilgesellschaft abzusichern und die afghanische Zentralregierung in ihrem Bemühen um den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Es gilt ein Wiedererstarken der Taliban und damit des Terrorismus zu verhindern.
Mit dem Petersberg-Prozess und dem so genannten "Afghan-Compact" vom Januar 2006 hat sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, den Menschen in Afghanistan so lange zu helfen, bis sie selbst in der Lage sind, das Land friedlich weiterzuentwickeln. Die Afghanen haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die demokratisch gewählte Regierung arbeitet an diesen Zielen und wir unterstützen sie dabei. Der Wiederaufbau verlangt viel Engagement, Augenmaß und Geduld. Doch der Einsatz lohnt sich.
Im Bewusstsein der vielen Probleme in Afghanistan ist es wichtig, auch die erzielten Fortschritte in diesem Land zu betrachten und am Ende abzuwägen, ob eine Verlängerung der Afghanistan-Mandate sinnvoll ist oder nicht.
Die SPD-Bundestags-Fraktion hat sich, u. a. im Rahmen einer "Task-Force", intensiv mit dem Thema Afghanistan befasst und ist dabei zum Schluss gekommen, dass sich die Fortsetzung unseres Engagements in Afghanistan unter der militärischen Absicherung lohnt.
In der Diskussion im Deutschen Bundestag hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor einem überstürzten Ausstieg aus dem US-geführten Anti-Terror-Einsatz gewarnt. Im Kampf gegen "ideologisch unbeugsame Terroristen" sei die "Operation Enduring Freedom" (OEF) auch im kommenden Jahr unverzichtbar. Gemeinsam mit den USA müsse jedoch geprüft werden, ob die Ausbildung der afghanischen Polizei und Armee stärker unter dem Mandat der Nato-Truppe ISAF zusammengezogen werden könne. 80 Prozent der OEF-Soldaten sind bisher mit dem Training afghanischer Polizisten und Soldaten befasst. Außerdem hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier eine Überprüfung des internationalen Vorgehens in Afghanistan im militärischen und zivilen Bereich vorgeschlagen. Dies könnte im Rahmen einer Konferenz in Deutschland geschehen. Vorstellbar sei auch, dass der OEF-Einsatz oder zumindest Teile davon über einen eigenen Beschluss des Sicherheitsrates auf eine neue Basis gestellt würden. Bisher gründet das Mandat für den OEF-Einsatz auf dem Artikel 51 der UN Charta, in dem das Recht von Staaten zur Selbstverteidigung verankert ist.
Zur Kenntnis füge ich Ihnen den Beschluss des SPD-Bundesparteitages zu Afghanistan bei.
Viele Informationen zum Thema finden Sie außerdem auf der Sonderseite des Auswärtigen Amtes:
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/Afghanistan/Uebersicht.html
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB