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Marianne Schieder
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Frage von Martin G. •

Frage an Marianne Schieder von Martin G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Schieder,

Sie Verweisen im Bezug auf Ihre Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung immer wieder darauf, lediglich eine EU-Richtlinie umzusetzen.

In besagter EU-Richtlinie ist jedoch nur die Rede von einem Zugriff auf die vorgehaltenen Daten bei "schweren Straftaten". Die von Ihnen verabschiedete Fassung des Gesetzes sieht jedoch auch vor, einen Zugriff auf die Daten bei "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" zu ermöglichen. Davon ist in der EU-Richtlinie keine Rede. Durch diese Ausweitung stellen Sie quasi einen Blankoscheck für den Zugriff auf die gespeicherten Daten aus, etwa bei Beleidigungen in Internetforen oder Urheberechtsverletzungen.

Desweiteren sieht die Vorgabe der EU eine Speicherung der Daten erst ab März 2009 vor, das bundesdeutsche Gesetz verlangt eine Speicherung jedoch schon ab 1. Januar 2008. Es gibt noch weitere eklatante Abweichungen der deutschen Gesetzesfassung von der EU-Richtlinie.

Das von Ihnen mitgetragene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird vorraussichtlich zu größten Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bunderepublik führen, an der sich mindestens 20.000 Menschen beteiligen werden. Hier auf abgeordnetenwatch.de befassen sich seit dem Bundestagsbeschluss ca. 50% der Beiträge mit der Vorratsdatenspeicherung. Soweit ich das ersehen konnte, äußern sich die Beitragsschreiber ausschließlich ablehnend zur Vorratsdatnspeicherung.

Dadurch stellen sich mir folgende Fragen:

1. Halten Sie Ihren Gesetzentwurf wirklich für eine "Mindestumsetzung" der Richtlinie, bzw. aus welchem Grund haben Sie einem Gesetz zugestimmt, das über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie deutlich hinaus geht?

2. Mach sich der Gesetzgeber mit diesem Gesetz nicht zum Handlanger der Rechteinhaber urheberrechtlich geschützter Werke?

3. Hätten Sie die Entscheidung auch mitgetragen, wenn Sie vorher gewusst hätten, dass das Gesetz in der Bevölkerung auf so breite Ablehnung stößt?

mfg

Martin Gorges

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gorges,

vielen Dank für Ihre Mail.

Für den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen haben wir hohe grundrechtssichernde Schwellen eingezogen. Eine Telefonüberwachung wird künftig nur noch bei schweren Straftaten zulässig sein, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Haft bedroht sind. Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen, ist eine Telefonüberwachung von vornherein verboten. Insbesondere bei den Berufsgeheimnisträgern wird der nach geltendem Recht bereits vorhandene Schutz nicht nur erhalten, sondern ausgebaut. Zudem sorgen verfahrenssichernde Regelungen wie Benachrichtigungspflichten, einheitliche Löschungsregelungen und ein umfassender nachträglicher Rechtsschutz für den Grundrechtsschutz der von heimlichen Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen. Insbesondere gilt künftig wie bisher, dass jede eingriffsintensive verdeckte Ermittlungsmaßnahme grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden darf.

Bei der Notwendigkeit, die EU-Richtlinie zur so genannten Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG) in deutsches Recht umzusetzen, haben wir im Bewusstsein der Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung unsere Verpflichtung für Bürgerrechte ernst genommen und dafür Sorge getragen, dass die EU-Vorgaben so grundrechtsschonend wie möglich gestaltet wurden. So ist es ein vom Deutschen Bundestag wirksam unterstützter Verhandlungserfolg der Bundesregierung auf EU-Ebene, dass gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedstaaten die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate beschränkt wurde - ursprünglich waren auf EU-Ebene 36 Monate in der Diskussion. Die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, also insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.

Die Daten werden - wie bisher - nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Antworten meiner SPD-Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlaments ,die sie auf abgeordentenwatch nachlesen können.

Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB

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