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Marianne Schieder
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Frage von Tim S. •

Frage an Marianne Schieder von Tim S. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Schieder,

gemäß § 436 Sozialgesetzbuch 3. Teil (SGB III) wurden mit Wirkung vom 01.01.2004 die Beamten und Angestellten der Arbeitsmarktinspektion der Bundesanstalt für Arbeit in den Dienst der Zollverwaltung übergeleitet.

Die ehemaligen Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit nehmen nun im Dienst der Zollverwaltung gem. § 14 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch Vollzugs- u. Strafverfolgungsaufgaben wahr und haben bei diesen Aufgaben die gleichen Rechte und Pflichten wie ihre beamteten Kollegen. Die Angestellten tragen Schusswaffen, sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft und erhalten die Polizeizulage.

Seitens des Bundesfinanzministeriums (BMF) war angedacht möglichst viele dieser Angestellen zu verbeamten. Jedoch ermöglicht der § 38 der Bundeslaufbahnverordnung nur eine Verbeamtung ab dem 30. Lebensjahr. Der Bundespersonalausschuss beim Innenministerium (der für diese Verbeamtung zuständig ist) war aufgrund der gesetzlichen Regelungen nicht in der Lage, anderweitig zu entscheiden.

Viele lebensjüngere Angestellte müssen nun bundesweit jahrelang auf eine entsprechende Verbeamtung (im Eingangsamt!) warten. Im schlimmsten Fall bis zu 9 Jahre. Dies ist teilweise mit erheblichen Einkommenseinbußen und einer ungenügenden Absicherung verbunden, da die Regelungen des Beamtenrechts für diese Angestellten nicht gelten.

Meine Fragen:

Wie stehen sie zu diesem Vorgang auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung?

Sehen Sie Möglichkeiten, den § 38 BLV so zu ändern, dass auch eine Verbeamtung vor dem 30. Lebensjahr möglich ist?

Ist die geplante Beamtenrechtsreform dazu geeignet, den entsprechenden Paragraphen zu ändern?

Gruß

Tim Stöger

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Sehr geehrter Herr Stöger,

vielen Dank für Ihre Mail zur Verbeamtung von Angestellten bei der Zollverwaltung.

Zum 01.01.2004 wurden rund 2.000 Angestellte der ehemaligen Arbeitsmarktinspektionen von der Bundesagentur für Arbeit gesetzlich zur Zollverwaltung übergeleitet, um im Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) tätig zu sein.

Vorweg möchte ich Ihnen sagen, dass sich die Zahl der Tarifbeschäftigten, die das gesetzliche Mindestalter für die Verbeamtung noch nicht erreicht haben, auf ca. 100 Beschäftigte beläuft. Bis zum Jahr 2012 werden die vereinfachten Verbeamtungsverfahren weitestgehend abgeschlossen sein.

Nach Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz soll die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse regelmäßig Beamtinnen und Beamten übertragen werden. Da Polizeivollzugsbefugnisse für viele Aufgaben der FKS zwingende Voraussetzungen sind, ist es notwendig, möglichst viele der übergeleiteten Angestellten zu verbeamten.
Die in Rede stehenden Beschäftigten besaßen bzw. besitzen nicht die erforderliche Laufbahnbefähigung bzw. entsprechende Vorbildung. Sie können allerdings nach § 38 Bundeslaufbahnverordnung (BLV) als „andere Bewerberinnen und Bewerber“ unter den dort genannten Voraussetzungen verbeamtet werden. Das Verfahren zur Feststellung der Laufbahnbefähigung regelt nach § 38 Abs. 4 BLV der Bundespersonalausschuss (BPersA). Mit Blick auf die Vielzahl der von der Überleitung betroffenen Angestellten hat der BPersA auf Antrag des Bundesfinanzministeriums hier ein vereinfachtes Verfahren zugelassen. Für dieses vereinfachte Verfahren ist das in § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BLV vorgegebene Mindestalter von 30 Jahren vorgeschrieben; es war mit dem BPersA nicht verhandelbar. Durch das Mindestalter wird zum einen das für die Zuerkennung der Laufbahnbefähigung nach § 38 BLV erforderliche zeitliche Maß an Lebens- und Berufserfahrung dokumentiert. Zum anderen soll diese Altersgrenze auch verhindern, dass andere Bewerberinnen und Bewerber eher zu Beamten ernannt werden als vergleichbare Laufbahnbewerber. Damit soll möglichen Problemen bei der Nachwuchsgewinnung im Wege der Laufbahnausbildung vorgebeugt werden. Die Mindestaltersgrenze ist ein angemessenes und erforderliches Mittel, um den in § 38 BLV verankerten Ausnahmecharakter bezüglich der Befähigungsfeststellung außerhalb der regulären Laufbahnausbildung weiterhin zu gewährleisten. Unter diesen Voraussetzungen ist eine altersbedingte unterschiedliche Behandlung von Bewerbern und Bewerberinnen auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungssatz (AGG) zulässig. Ergänzend möchte ich noch anmerken: Durch die Überleitung in die Bundeszollverwaltung wurde und wird die berufliche Absicherung der betroffenen Tarifbeschäftigten nicht in Frage gestellt. Die Bundesrepublik Deutschland trat in die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt der Überleitung bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Darüber hinaus wurde den betroffenen beschäftigten zugesichert, dass sie ihre bisher wahrgenommenen Funktionen unabhängig von der Wertigkeit der ihnen im Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit übertragenen Dienstposten weiter ausüben konnten. Die bestehenden tarifvertraglichen Verpflichtungen waren nach der vollzogenen Überleitung keinen Änderungen unterworfen.

Eine objektive Bewertung, ob durch das Abwarten bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres einem Tarifbeschäftigten Vor- oder Nachteile erwachsen, ist auf Grund der Verschiedenartigkeit der beiden Rechtssysteme nicht möglich.

Eindrucksvoller Beleg hierfür ist auch, dass für eine nicht unerhebliche Zahl von Tarifbeschäftigten eine Verbeamtung nicht erstrebenswert ist. So sieht das Tarifrecht keine Beförderungen vor. Während jede/r reguläre Laufbahnbewerber z.B. für den gehobenen Dienst nach der Regelprobezeit von 2 ½ Jahren immer noch dreimal befördert werden muss, um Amtsrat/rätin zu werden, kommt es bei Tarifbeschäftigten lediglich darauf an, dass sie sich auf einen nach Vergütungsgruppe III bewerteten (d.h.: einem bestimmten Tätigkeitsniveau entsprechenden) Arbeitsplatz mit Erfolg beworben und eine Probezeit von 6 Monaten absolviert haben. Dies zeigt beispielhaft auch mögliche Nachteile einer Verbeamtung auf.

Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB

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