Frage an Marianne Schieder von Rudolf M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schieder
1. Wie stehen Sie zu intransparenten Handelsabkommen (TTIP, CETA, JEFTA, etc.), die Konzerninteressen vor das Bürgerwohl stellen sowie den Spielraum demokratischer Entscheidungen einzuschränken versuchen?
Das Verhalten Ihrer Partei auf Ihrem Parteitag bezüglich CETA empfand ich - gelinde gesagt - merkwürdig und feige. Nach kraftvollem Beginn kuschte die Delegiertenmehrheit vor Herrn Gabriel !?
2. Durch Lobbyismus werden demokratische Entscheidungen (siehe VW-Affäre: Herr Weil und Konsorten, Energiewende: Kohleverstromung, etc.) beeinflusst. Gesetze werden zum Wohl von Konzernen und nicht zum Wohl der Bürger modifiziert. Ein öffentlich einsehbares Lobbyregister würde zumindest soweit Transparenz schaffen, indem es ersichtlich macht, wer auf welchem Weg versucht, demokratische Entscheidungen zu beeinflussen.
Bitte erklären Sie mir kurz, wie Sie und Ihre Partei sich im Falle einer Regierungsbeteiligung bei diesen Punkten, die für viele Menschen wesentlich für ihr Vertrauen in die Demokratie sind, verhalten würden.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
R. M.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Zu Frage 1:
In unserem Wahlprogramm haben wir festgeschrieben:
„Die SPD setzt sich für fairen Handel ein. Handelspolitik ist nicht nur ein Instrument der Wirtschaftsförderung. Im Kern geht es um die Frage, nach welchen Regeln wir in einer globalisierten Welt leben wollen. Nationale Alleingänge und Protektionismus versprechen keinen Erfolg. Offene Märkte sind gut, dort muss aber auch frei von Wettbewerbsverzerrungen gehandelt werden. Falls dies nicht gewährleistet ist, müssen gerade auf europäischer Ebene effektive Schutzmaßnahmen greifen. Der beste Rahmen für diese Verhandlungen sind die Vereinten Nationen mit ihren Organisationen für Arbeit (ILO), Handel (UNCDAT) und Entwicklung (UNIDO), sowie die Welthandelsorganisation (WTO). Gemeinsam mit unseren Partnern in Europa und weltweit wollen wir die aktuellen Blockaden im Bereich multilateraler Verhandlungen zum Welthandel überwinden.
Bilaterale Handelsabkommen der EU mit wichtigen Partnern sind zu einer immer stärker genutzten Alternative geworden. Unser Ziel ist es, in allen Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Regeln für die verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher, ökologischer, verbraucherpolitischer und sozialer Standards wie der ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Beschwerde-, Über-prüfungs- und Sanktionsmechanismen zu vereinbaren.
Wir wollen perspektivisch einen unabhängigen internationalen Handelsgerichtshof etablieren, um das Primat der Politik durchsetzen. Die Verhandlungen mit den USA über ein Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) zeigen, dass ein Abschluss nach diesen Maßgaben derzeit nicht erreichbar ist. Hingegen ist es in intensiven Verhandlungen mit der neuen kanadischen Regierung gelungen, im Abkommen zwischen EU und Kanada (CETA) zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof zu vereinbaren. Private Schiedsgerichte sind damit ausgeschlossen. Dies muss auch für alle künftigen Handelsabkommen der EU gelten. CETA muss als gemischtes Abkommen sowohl durch das Europäische Parlament als auch durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden. Im Zuge dieser parlamentarischen Kontrolle werden wir alle Aspekte einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Wir werden auch die Partnerschaftsabkommen der EU mit den afrikanischen Staaten (Economic Partnership Agreements) daraufhin prüfen, ob sie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den betroffenen Entwicklungsländern dienen oder Abhängigkeiten weiter zementieren. Wir wollen Afrika bei der Schaffung einer afrikanischen Freihandelszone unterstützen.“
Zu Frage 2:
Ich setze mich gemeinsame mit der SPD-Bundestagsfraktion nach wie vor für mehr Transparenz und auch für die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters ein. Leider konnten wir dies mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU nicht umsetzen. In anderen Bereichen wie der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung, der Karenzzeit für ausscheidende Regierungsmitglieder oder der Begrenzung der Bundestags-Hausausweise haben wir in dieser Legislaturperiode deutliche Erfolge erzielt.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB