Frage an Marianne Schieder von Johann R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
SPD - die vertane Chance
Es ist nicht leicht zu ertragen, mit Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer einer Meinung zu sein, aber die beiden haben zu recht das überfallartige Verfahren kritisiert, mit dem die SPD zu einer neuen Führung gekommen ist. Es ist vielleicht nicht “putschistisch”, wie Scheer meinte, aber es ist auf jeden Fall eine vertane Chance. Diesem Neuanfang wohnt kein Zauber inne, sondern ein böser Makel. Eine Handvoll untereinander rivalisierender und verfeindeter Politiker kungelt im Hinterzimmer aus, wie die Macht künftig verteilt wird. So kommt die SPD nicht aus der Krise, so schreckt die SPD junge Staatsbürger ab, sich für sie und in ihr zu engagieren. Der Rückfall in vordemokratische Kungelpolitik der vergangenen Jahre macht den Neustart zum Fehlstart.
Es ist noch schlimmer als vordemokratisch, es ist einfach dumm. Statt wenigstens den Versuch zu machen, neue Begeisterung für die älteste deutsche Partei zu entzünden, sendet die SPD das Signal aus: Beteiligung unerwünscht. Dabei hätte die SPD das Instrument gehabt, die Entscheidung für den neuen Vorstand zu einem demokratischen Feuerwerk zu machen - den Mitgliederentscheid.
Wie aufregend und spannend wäre es geworden, wenn sich zwei oder drei Kandidaten in einer Fülle von Regionalkonferenzen den Mitgliedern in der offenen Diskussion gestellt hätten. Streitbar und unterscheidbar. Der Kampf um den neuen Kurs der Partei und die Frage, wer ihn repräsentieren soll, hätte auf die Partei vitalisierend wirken können.
Eine Partei lebt und überlebt nur mit demokratischer Lebendigkeit. Jetzt heißt es, die SPD hätte sich ein längeres Führungsvakuum nicht erlauben können, dann hätten Streit und innerparteilicher Kampf das öffentliche Bild bestimmt. Ja, und? Ein bisschen Revolution ist immer noch besser als tödliche Erstarrung. Schlimmer als 23 Prozent hätte es dadurch auch nicht kommen können, aber es hätte eine Chance darin gelegen.
Sind Sie nicht auch der Meinung?
Sehr geehrter Herr Rojer,
nein, der Meinung bin ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB