Frage an Marianne Schieder von Thomas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
"
1. sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein abscheuliches Verbrechen. Gleiches gilt für Kinderpornografie im Netz. "
Denken sie bislang wäre Kinderpornografie im Internet kein abscheuliches Verbrechen gewesen?
"2. Ich will Kinderpornografie im Netz effektiv bekämpfen. Die bestehenden Regelungen reichen nach meiner Überzeugung nicht aus."
Das heißt der drastische Rückgang sämtlicher damit verbundenen Delikte im letzten Jahr, der ohne irgendwelche zusätzlichen Eingriffe erzeugt wurde, ist irrelevant?
Ist eine Zensureinrichtung ihrer Meinung nach ausreichend um ihre Ziele zu erreichen?
"3. Gemeinsam mit meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen ist es mein Ziel, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren."
Erschweren, also. Nicht verhindern?
Glauben sie dass eine - wie die vorgesehenen Maßnahmen bereits andeuten - sehr, sehr kleine Hürde dieser Art tatsächlich jemanden daran hindern wird an derartiges Material zu gelangen?
"4. Der vorliegende Gesetzesentwurf wirft zahlreiche inhaltliche und rechtliche Fragen auf, ist also nicht zufriedenstellend"
Ist es nicht der Fall dass mit diesem Beschluss dennoch eine Zensur-Apparatur in Deutschland geschaffen wurde, die sich auch durch weitere Anpassungen des Gesetzes als nichts anderes mehr bezeichnen lässt?
Finden sie es gut, dass es in diesem Land künftig möglich sein soll Daten, Informationen gleich welcher Art, zu zensieren - exakt so wie das, ungeachtet der Inhalte, sonst nur in Ländern geschieht die einem Regime unterstellt sind?
MfG,
Thomas Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 20.06.09.
Ich räume gerne ein, dass es nicht leicht war, das neue Gesetz zur Eindämmung der Kinderpornographie auf den Weg zu bringen und viele Für und Wider abzuwägen waren. Außerdem bewegen wir uns hier in einem sehr sensiblen Bereich, einerseits was den Schutz der Grundrechte betrifft, andererseits was die Opfer der Kinderpornographie betrifft. Sie können mir glauben, dass ich mir die Entscheidung bei der Abstimmung nicht leicht gemacht habe.
Ich denke, ich habe meine Position schon mehrfach dargelegt, trotzdem möchte ich noch auf einige grundlegenden Dinge aufmerksam machen:
1) Mit dem Gesetz soll der Zugang zu einschlägigen Seiten mit Kinderpornographie erschwert werden. Mir ist auch klar, dass es sinnvoller wäre, diese Seiten komplett verschwinden zu lassen. Da viele dieser Angebote auf Servern im Ausland liegen, haben wir dafür leider nicht den notwendigen Zugriff. Daher ist es besser, das zu tun, was möglich ist, anstatt nur abzuwarten und auf Freiwilligkeit zu vertrauen.
2) Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch wenn das viele gerne hätten. Schon lange ist dieses Medium mehr als eine reine Kommunikationsplattform. So wird zum Beispiel im Verbraucherschutz immer wieder deutlich, dass es klare gesetzliche Rahmenbedingungen im Internet braucht, um Menschen vor Betrug zu schützen. Selbiges gilt umso mehr, wenn es um Straftaten geht, bei denen Kinder die Leidtragenden sind.
3) Ich stimme damit überein, dass wir mit den Kontrollinstrumenten im Internet sehr vorsichtig sein müssen, um keinen unnötigen Einschränkungen zu verursachen. Ich halte es aber für völlig unangebracht, das Gesetz mit Zensurmaßnahmen von Diktaturen zu vergleichen. Wenn ein Zeitungskiosk oder ein Verlag Kinderpornos auf dem realen Markt vertreiben würden, hätte jeder dafür Verständnis, wenn dieser Kiosk geschlossen oder dem Verlag der Vertrieb des Magazins untersagt wird. In diesem Fall spricht auch niemand von uneingeschränkter Zensur.
Beim Internet handelt es sich um eine sehr junge Plattform, für die es nach und nach gesetzliche Regelungen braucht, wie wir sie auch für unser übriges gesellschaftliches Leben über Jahrzehnte erarbeitet haben. Ich finde es wichtig, dass diese Gesetze für das virtuelle Netz im gemeinsamen Dialog erarbeitet werden. Ich fände es unverantwortlich, das Internet, das für die Mehrheit der Bevölkerung einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen wird, völliger Willkür und Freiwilligkeit zu überlassen.
Selbstverständlich ist mir auch klar, dass Gesetze alleine nicht reichen. Sie müssen einhergehen mit Aufklärung und Bildung, um die Bevölkerung umfassend zu befähigen, dieses Netz nutzen zu können. Zu guter Letzt brauchen wir auch eine ethische Diskussion, um Grenzen abzustecken. Denn nicht alles was möglich ist, ist auch sinnvoll.
Ich hoffe, Sie haben nach diesen Erklärungen mehr Verständnis für meine Position.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Schieder, MdB