Frage an Maria Noichl von Anna S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Noichl,
Die Europäische Union ist, auch wenn vieles nicht optimal läuft, doch eine großartige Errungenschaft. Sie ermöglicht es uns, für die großen Herausforderungen internationale Lösungen zu suchen. In diesem Sinne habe ich zwei konkrete Fragen an Sie:
1. Sie sind Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter. Inwieweit hat die EU überhaupt die Möglichkeit, in diesem Gebiet etwas zu bewegen? Meistens scheitert es doch an schwer zu überwindenden und tief verankerten Vorurteilen, auch der Frauen selbst; zudem müssten die wirkungsvollsten Maßnahmen wohl von den nationalen Regierungen beschlossen werden.
Was sind also die Maßnahmen, über die Sie im Ausschuss diskutieren? Welche davon halten Sie für sinnvoll?
2. Ein großer Teil europäischer Gelder wird für Agrarsubventionen aufgewendet. Hier wird nicht differenziert nach Kriterien des Umwelt- und Tierschutzes, vielmehr wird nach Fläche verteilt und damit werden Massenbetriebe bevorzugt.
Sie sind Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Erachten Sie beispielsweise die bevorzugte Verteilung der Subventionen an ökologisch arbeitende oder kleine Betriebe für sinnvoller? Wie wird im Ausschuss damit umgegangen, inwieweit die Subventionen einen steuernden Effekt haben sollen? Wird sich in Zukunft voraussichtlich etwas am aktuellen System ändern?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Schmitt
Sehr geehrte Frau Schmitt,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Zu Ihrer ersten Frage:
Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein tief verankertes Grundrecht in der Europäischen Union. Nicht nur die Europäischen Verträge schreiben ihre Erreichung vor, sondern auch die, für alle Mitgliedstaaten verbindliche, Grundrechtecharta. Deshalb hat die EU, und damit auch das Europäische Parlament, den Auftrag, Maßnahmen zu erarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Das findet hauptsächlich im Bereich des Arbeitsmarkts statt. Hierbei sei an grundlegende Richtlinien zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern erinnert sowie zum Beispiel an den Richtlinienentwurf zu Frauen in Aufsichtsräten, der seit Jahren vom Europäischen Rat blockiert wird. Daran wir deutlich: Selbst, wenn die EU zuständig ist, können die Mitgliedstaaten auch immer die Blockade wählen. Sie haben also ganz Recht: Einfach ist es in diesem Bereich nie. Und Stereotype und Rollenvorstellungen, die in der Gesellschaft fest verankert sind, machen uns auf EU und nationaler Ebene das Leben schwer. Aber auch daran arbeitet die EU, in dem sie Mitgliedstaaten, die Stereotype abbauen und Frauen und Männern helfen wollen, ihren eigenen Weg zu finden, durch Wissen, Kampagnen und finanzielle Mittel unterstützt. Die wichtige grenzüberschreitende Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist ein weiteres Beispiels für notwendige EU Politik in diesem Bereich. Denn warum sollten Frauen in Frankreich besser geschützt werden als in Deutschland? Und warum sollte ihr Schutz erlöschen, wenn die vom einem ins andere Land ziehen? Sicher ist: EU-Maßnahmen sind immer nur so stark wie der Wille aller Mitgliedsländer. Deswegen kämpfe ich im Europäischen Parlament auch täglich dafür, dass alle an einem Strang ziehen.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Meiner Meinung nach müssen Direktzahlungen in Zukunft den Grundsatz „öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“ erfüllen. Das bedeutet, dass LandwirtInnen künftig für Umwelt-, Klima- oder Tierschutzleistungen, die über dem gesetzlichen Maß liegen, bezahlt werden. Diese Leistungen stellen einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft dar. Mein Ziel ist es, mindestens 30 % der Gelder in der 1. Säule dafür in der aktuellen Reform der GAP verbindlich zu reservieren. Gleichzeitig fordere ich eine EU-weit einheitliche, verbindliche Deckelung der bisherigen Direktzahlungen.
Ich stehe dafür, dass die Leistungen für Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele von Deckelungsgrenzen unberührt sind, denn hier zählt jeder Hektar. Ich möchte, dass Flächen mit großem Nutzen für Umwelt und Klima, wie etwa Grünland, somit zukünftig höhere Direktzahlungen erhalten als Ackerflächen. Damit sollen LandwirtInnen eine echte Honorierung für öffentliche Leistungen erhalten. Dafür werde ich mich auch als Berichterstatterin der sozialdemokratischen Fraktion bei den aktuell andauernden Verhandlungen zu den Strategieplänen innerhalb der Reform der Gemeinsame Agrarpolitik einsetzen.
Leider ist dies aufgrund einer konservativ-liberalen Mehrheit im Agrarausschuss kaum durchzusetzen. Essentielle Weichenstellungen hin zu einer nachhaltigeren Agrarpolitik fallen bei den Konservativen und Liberalen auf keinen fruchtbaren Boden, dies wurde bereits während der Verhandlungen vor der Abstimmung der GAP-Reform im Agrarausschuss im April 2019 klar und daran hat sich leider auch in der neuen Legislaturperiode nichts geändert. Vielmehr setzt die konservativ-liberale Mehrheit weiter auf die umstrittene Hektarprämie. Es ist ein Skandal, dass ein Großteil der europäischen Steuergelder bisher, und wohl auch in Zukunft, zu einem Großteil ohne direkte Gegenleistung und ohne Bedürftigkeitsprüfung in die Hände einiger Weniger fließt.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Noichl