Frage an Maria Flachsbarth von Arne M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Flachsbarth,
was wird die Bundesregierung unternehmen um die Überwachung unseres Landes durch britische und amerikanische Geheimdienste zu unterbinden. Es verstößt ja gegen geltendes Recht in Deutschland!
Mit freundlichen Grüßen
Arne-Lars Meyer
Sehr geehrter Herr Meyer,
vielen Dank für Ihre Frage via abgeordnetenwatch, in der Sie sich mit den aktuellen Vorgängen im Hinblick auf geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen unserer Partnerstaaten, den USA und Großbritannien, auseinandersetzen. Gerne nehme ich hierzu im Folgenden Stellung:
Die aktuelle Debatte führt uns zu dem immer wiederkehrenden Thema des richtigen Verhältnisses zwischen Sicherheit und Freiheit im IT-Zeitalter. Unser Staat hat die Pflicht, seine Bürger zu schützen und seine Freiheiten und Grundrechte zu achten. Die Union ist die einzige Partei, die diesen beiden Dimensionen staatlicher Aufgaben eine hohe Priorität einräumt. Nur wenn es ein ausreichendes Maß an Sicherheit in einer Gesellschaft gibt, können die Bürgerinnen und Bürger ihre Freiheiten auch tatsächlich nutzen. Die Freiheitsrechte unserer Verfassung richten sich nicht nur gegen den Staat, sondern sie verlangen zugleich auch seinen aktiven Schutz gegenüber Straftätern und Gefährdern sowie Übergriffen anderer Staaten. Sowohl der Freiheit als auch der Sicherheit können wir nur gerecht werden, wenn wir uns am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientieren. Das heißt ganz konkret: Wenn es um die Suche nach einem Mörder, Entführer oder Terrorverdächtigen geht, kann ein Richter in Deutschland oder die dafür beim Bundestag eingerichtete G-10-Kommission die Überwachung der Kommunikation anordnen. Dies ist in solchen Fällen notwendig und völlig angemessen. Bei weniger gravierenden Gefahren oder Straftaten wie zum Beispiel einem Ladendiebstahl sind nach unserem Verständnis andere Maßnahmen ausreichend.
Selbstverständlich ist die öffentliche Gewalt in Deutschland an die Grundrechte und das geltende Recht auch im Bereich des Datenschutzes gebunden. Dennoch muss sich jeder, der das Internet nutzt, darüber im klaren sein, dass die Kommunikationsnetze international sind und Missbrauch durch Kriminelle ebenso wenig auszuschließen ist, wie nachrichtendienstliche Eingriffe durch andere Staaten. Ausländische Nachrichtendienste sind nicht ohne weiteres an die deutsche Rechtsordnung gebunden, solange sie nicht in Deutschland tätig werden. Und man muss wissen, dass der Schutz digitaler Daten deutscher Internetnutzer durch deutsches oder europäisches Datenschutzrecht in der Praxis Grenzen hat. Denn Daten fließen selbst bei einer E-Mail eines T-Online-Kunden an einen anderen Server in Deutschland möglicherweise über transnationale Kabel. Die Daten folgen nicht der Geographie, also dem kürzesten Weg zwischen Absender und Empfänger einer E-Mail, sondern den jeweils aktuellen Kosten für Datentransporte. Daher überqueren sie häufiger als wir denken nationale Grenzen und unterliegen dann nicht mehr der Hoheitsgewalt deutscher Behörden und dem Geltungsbereich des Grundgesetzes.
US-amerikanische und britische Geheimdienste haben Daten in großen Mengen gesammelt - auch Daten deutscher Bürger. Zum Erhalt der inneren und äußeren Sicherheit ist auch in Deutschland eine Überwachung des elektronischen Datenverkehrs erforderlich. Allerdings ist eine pauschale Überwachung nicht zu tolerieren und schießt deutlich über das angestrebte Ziel der Terror- und Gefahrenabwehr hinaus. Die umfassende und anlasslose Überwachung der Telekommunikation von Verbindungs- bis hin zu Inhaltsdaten durch die USA widerspricht den gemeinsamen Grundwerten in der EU, Deutschland und den USA sowie unserem Verständnis von Rechtsstaat und Bürgerrechten. Dies hat die Bundesregierung auch deutlich gegenüber den USA klar gemacht und darauf verwiesen, dass die Balance von Freiheit und Sicherheit nicht einseitig zu Lasten der Bürgerrechte aufgegeben werden darf. Darüber hinaus ist die Bundesregierung nach wie vor um Sachaufklärung bemüht und hat entsprechende Fragen an die US-amerikanische und britische Regierung gestellt. Zudem bemüht sich die Bundesregierung und auch der BND um Sachaufklärung vor Ort in den USA, um das mögliche Ausmaß der Zugriffe auf Daten von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sowie Unternehmen zu erfassen. Im Hinblick auf Großbritannien stellt sich die Situation nochmal ein wenig anders dar, da Großbritannien Mitglied der Europäischen Union ist und folglich durch das unionsrechtliche Primär- und Sekundärrecht im besonderen Maße an die Einhaltung der gemeinsamen Grundfreiheiten gebunden ist. Denn die Europäische Union basiert auf gemeinsamen Werten, zu denen unabdingbar die Grundrechte gehören. Diese müssen von allen Mitgliedstaaten beachtet werden. Eine Überwachung der Telekommunikation aller europäischen Bürgerinnen und Bürger wie durch Großbritanniens Nachrichtendienst Government Communications Headquarter (GCHQ) ist mit diesen gemeinsamen Werten unvereinbar. Die Bundesregierung drängt daher in der Europäischen Union und auch bilateral gegenüber Großbritannien darauf, das anlasslose Ausspähen von Inhalt und Verbindungsdaten der Telekommunikation sofort zu beenden.
Aufgrund der globalen Vernetzung und der fortschreitenden Harmonisierung und Vereinheitlichung der nationalen Rechtsordnungen auf supranationaler Ebene, ist es erforderlich, dass Europa gemeinsam für den Schutz der persönlichen Daten der Menschen in Europa eintritt. Daher muss auch die EU gemeinsam gegenüber den US-amerikanischen Partnern deutlich machen, dass die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von internationalem Terrorismus, der die USA wie auch Europa gleichermaßen bedroht, nicht die Totalüberwachung von Millionen unbescholtener Bürgerinnen und Bürger rechtfertigt. Die bereits ausgehandelten Abkommen zur Weitergabe von Fluggastdaten oder der Zugriff der USA auf bestimmte Bankdaten geben bereits sehr weitreichend Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger gegenüber den USA preis. Die Europäische Union muss deutlich machen, dass die Zusammenarbeit bei Fluggastdaten oder Bankdaten unter solchen Voraussetzungen in Frage steht. Ein weiteres Instrument zur Erhöhung der Sicherheit von Verbindungs- und Inhaltsdaten könnte ein umfassenden Datenschutzabkommens für den Bereich der Zusammenarbeit in der Inneren Sicherheit sein. Ein solchen Abkommen müsste darauf gerichtet sein, Datenschutz und Rechtsschutz auf hohem Niveau zu verankern und europäische Bürgerinnen und Bürger vor anlasslosem Generalverdacht zu schützen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind jedoch zunächst die Aufklärungsarbeiten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten des Europäischen Parlamentes der transatlantischen Expertengruppe und der deutschen Fachgremien abzuwarten, die die aufgeworfenen Vorwürfe im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt und ihr Ausmaß prüfen sollen.
Allerdings dürfen wir auch die Augen nicht verschließen: Wenn es um geheimdienstliche Tätigkeit geht, wird eine hundertprozentige öffentliche Transparenz nicht zu schaffen sein. Sie wäre sogar schädlich, weil sich Kriminelle und Extremisten dann noch viel besser genau auf die Arbeitstechniken der Dienste einstellen könnten und somit viel leichter Umgehungsmöglichkeiten fänden. Unabdingbar ist, dass sich unsere deutschen Dienste an Recht und Gesetz halten und sie der umfassenden parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Deshalb fand am Donnerstag, dem 25. Juli 2013, eine weitere Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums statt, in der Kanzleramts-minister Pofalla den Abgeordneten umfassend Auskunft gegeben hat und in der festgestellt wurde, dass die deutschen Dienste sich an Recht und Gesetz halten, dass es keine massenhafte Ausforschung deutscher Staatsangehöriger gibt; erst recht nicht durch die deutschen Dienste.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Gez. Maria Flachsbarth