Frage an Marco Wanderwitz von Heinz M. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Wanderwitz,
gerade eben habe ich die Fernseh-Berichterstattung zu den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen verfolgt. Es gibt doch hoffentlich einen speziellen Grund dafür, dass die beiden großen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland am heutigen Wahlabend zwei nahezu identische Sendungen produzieren müssen? Mir stellt sich diese Frage vor dem Hintergrund, dass erst am Montag die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten die nächste Erhöhung der Rundfunkgebühren um 95 cent empfohlen hatte. Damit würde die monatliche Rundfunkgebühr 17,98 Euro betragen. Das sind mehr als 200 (!) Euro pro Jahr!
Sehr geehrter Herr Müller,
die Notwendigkeit und zu sichernde Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Umfang des von ihm zu leistenden Grundversorgungsauftrags und seine zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendige staatsfern zu erfolgende Finanzierung wurden vom Bundesverfassungsgericht in zahlreichen aus Artikel 5 unseres Grundgesetzes (Rundfunkfreiheit) folgenden Entscheidungen abgeleitet und damit - auch für die Politik - verbindlich festgelegt. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind auf Grund der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne auch redaktionell unabhängig. Demnach sollte sich, so zumindest meine Sicht, Politik mit der Bewertung von Programminhalten so weitgehend wie möglich zurückhalten.
Ihrer Frage entnehme ich vor allem auch eine grundsätzliche Kritik an der Höhe der Rundfunkgebühr. Diese richtet sich zunächst weniger an die Bundesspolitik, da die Landtage hier die Verantwortung tragen. Im Vergleich der deutschen Rundfunkgebühr mit vergleichbaren Gebühren unserer direkten Nachbarn Österreich (jährlich ca. 210 bis 260 Euro), Schweiz (jährlich ca. 289 Euro) und Dänemark (jährlich ca. 324 Euro), oder auch anderer europäischer Länder, etwa Schweden (jährlich ca. 211 Euro) und Norwegen (jährlich ca. 242 Euro) sind die deutschen Gebühren zumindest bei weitem nicht die Spitze.
Betrachtet man die inflationsbereinigte Entwicklung der Gebühren seit ihrer Einführung 1953, ist zudem festzustellen, dass die Gebühren seit geraumer Zeit bezogen auf die Kaufkraft deutlich unter dem Stand der 1950er Jahre liegen. Der Gebührenanteil an einem durchschnittlichen Angestelltengehalt sank von 0,45 Prozent (Grundgebühr) bzw. 1,55 Prozent (inklusive Fernsehgebühr) im Jahr 1957 (Bruttomonatsverdienstdurchschnitt: Männer 576 DM / Frauen 316 DM bei ca. 1 Million Fernsehgeräte) auf ca. 0,15 Prozent bzw. 0,5 Prozent im Jahr 1976 (Bruttomonatsverdienstdurchschnitt: Männer 2.520 DM / Frauen 1.570 DM und Fernsehdichte 93 Prozent) und blieb seitdem etwa verhältnisgleich, die Gebührenerhöhungen entsprachen seit 1976 also weitgehend der Gehaltsentwicklung.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz MdB