Frage an Marco Wanderwitz von Lutz N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wanderwitz,
die Bundesrepublik ist seit 2002 seitens der EU aufgefordert, das Schornsteinfegermonopol (es verstößt u.a. gegen die Niederlassungsfreiheit) abzuschaffen.
Millionen Eigentümer und Mieter ärgern sich seit Jahren über die Machenschaften der Schornsteinfeger, die für Scheindienstleistungen wie das Kehren sauberer Schornsteine (ein Gasschornstein produziert keinen Ruß) oder das Bemessen bereits vermessener Anlagen, beim Bürger Entgelte erpressen. Jedes Jahr fließen so 2,2 Milliarden Euro in die Taschen der Schornsteinfeger.
Lesen Sie im BISchG, hier § 52 (4) nach. Dort steht - sinngemäß - daß der Betreiber einer nicht beanstandeten Anlage die Kosten hierfür nicht zu übernehmen hat. Trotzdem ignorieren das die Schornsteinfeger und deren Aufsichtsbehörden!
Es ist ein Skandal, daß ein Schornsteinfeger mehr Rechte als die Polizei hat. Grund ist ein aus dem Jahr 1933 bis heute geltendes Schornsteinfegergesetz, das den 16.000 Schornsteinfegern in diesem Land paradiesische Zustände beschert, gänzlich ohne Wettbewerb!
Wie kann es sein, daß das Schornsteinfegergesetz festlegt, Grundrechte aus dem Grundgesetz, hier Artikel 13, einfach außer Kraft zu setzen?
Was tun Sie ganz konkret, um diesem Skandal ein Ende zu bereiten. Für einfachste Tätigkeiten wie das Kehren von Schornsteinen benötigt ein modernes Industrieland kein Monopol aus der Nazizeit! Es ist heute nicht vermittelbar, den Bürgern zwangsweise Scheindienstleistungen durch die Schornsteinfeger aufzubürden, wo an anderen Stellen der Staat an die Eigenverantwortung der Bürger appelliert!
Ebenso wie wir keinen Bezirkselektrikermeister haben brauchen wir keinen Bezirksschornsteinfegermeister!
Bis zum 17.12. ist die Bundesregierung aufgefordert, das Schornsteinfegermonopol aufzuheben, sonst droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Wie man hört, sollen lediglich kosmetische Korrekturen an der heutigen Regelung vorgenommen werden. Wer hat Angst vor den Schornsteinfegern?
Sehr geehrter Herr Nestler,
haben Sie Dank für Ihre Anfrage vom 9.12.06.
Um die letzte Ihrer Fragen vorab zu beantworten: Angst vor Schornsteinfegern muss meins Eindrucks nach niemand haben. Aber Spaß beiseite: ein wenig „Abrüstung“ bei der Wortwahl stünde Ihrer Anfrage gut zu Gesicht. Weder werden Entgelte erpresst, noch sehe ich Machenschaften oder Skandale. Über Sinn und Unsinn, die Rechtfertigung einer gesetzlichen Regelung, kann man natürlich streiten. Aber auch nicht jedes Gesetz aus einer schlimmen Zeit ist zwingend ein schlechtes Gesetz.
In der Sache haben Sie freilich Recht damit, dass die EU-Kommission das deutsche Schonsteinfegergesetz gerügt hat. Die Bundesregierung plant eine Revision der Gesetzlichkeiten. Das Inkrafttreten der Neureglung ist für den 1.1.2008 geplant. Die Notwendigkeit eines geordneten Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere einer ausreichenden Parlamentsbeteiligung, wird sicher nicht dazu führen, dass die EU-Kommission eine Vertragsverletzungsklage von dem EuGH in dieser Zeit betreibt.
Die vormalige rot-grüne Bundesregierung hatte am 12.5.2004 einen Katalog von Vorschlägen zum Bürokratieabbau beschlossen, bei dem es u. a. auch um eine Überprüfung des Schornsteinfegermonopols ging. Dabei gab es Ziele, denen auch wir als Union uns im Grundsatz anschließen konnten. Die vormalige rot-grüne Bundesregierung kam aber über diesen Stand nicht hinaus. Das dadurch bedingte Zeitverstreichen ist nicht unser Versäumnis.
In Kenntnis der europarechtlichen Notwendigkeit, der sachlichen Sinnfälligkeit und des bisherigen Beratungsstandes der Fachpolitikebene halte ich folgende Punkte als Eckpunkte einer Reform des Schornsteinfegergesetztes für sinnvoll:
1. Im Hinblick auf die EU-rechtlichen Vorgaben wird der Tätigkeitsbereich, in dem der Bezirksschornsteinfeger im Bezirk ausschließlich tätig sein dar, im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage im Umfang eingeschränkt.
2. Zu dem Tätigkeitsbereich (hoheitliche Aufgaben), in dem der Bezirksschornsteinfeger ausschließlich tätig ist, gehören künftig nur noch - die Kontrolle der den Eigentümern obliegenden Pflichten, - Überprüfungsarbeiten in Bezug auf die Betriebssicherheit sowie auf etwaige Mängel einer Anlage, einschließlich der Befugnis zum Erlass einer Mängelbeseitigungs- oder Stilllegungsverfügung, - die Feststellung der Betriebssicherheit einer Feuerungsanlage.
3. Alle diejenigen Schornsteinfegerarbeiten, die keine Kontrollaufgaben beinhalten, werden aus dem bisherigen Vorbehaltsbereich herausgenommen. Sie können bei entsprechender handwerksrechtlicher Qualifikation frei ausgeführt werden (Öffnung für den Wettbewerb). Die Dienstleistungsfreiheit für die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus dem EU-Ausland wird uneingeschränkt gewährleistet.
4. Die Verpflichtung der Eigentümer, die kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen fristgerecht kehren und überprüfen zu lassen, wird wie bisher im Gesetz geregelt.
5. Kommt der Eigentümer seiner Verpflichtung, die nach dem Schornsteinfegergesetz und der Kehrordnung vorgeschriebenen Schornsteinfegerarbeiten ausführen zu lassen, nicht nach, werden diese ersatzweise durch den Bezirksschornsteinfeger ausgeführt.
6. Gebühren werden für den Bereich der hoheitlichen Aufgaben sowie für die ersatzweise Ausführung der „freien“ Schornsteinfegerarbeiten festgelegt.
7. Die Bezirke werden über ein objektives, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren vergeben.
8. Die Bestellung erfolgt befristet.
9. Für europäische Bewerber, die an der Ausschreibung von Bezirken teilnehmen, herrscht Chancengleichheit. Alle entsprechenden europäischen Qualifikationen und Ausbildungsabschlüsse werden hierbei anerkannt.
10. Das Erfordernis eines amtsärztlichen Gutachtens als Bestellungsvoraussetzung entfällt.
11. Das Erfordernis der vorherigen praktischen Tätigkeit bei einem Bezirksschornsteinfegermeister entfällt.
12. Die Pflicht der vorherigen Eintragung in die Bewerberliste entfällt.
13. Die Residenzpflicht wird aufgehoben.
14. Das Nebentätigkeitsverbot wird ebenfalls aufgehoben.
Damit werden wir den europarechtlichen Anforderungen meiner Ansicht nach sachgerecht gerecht. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz, MdB