Frage an Marco Wanderwitz von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Wanderwitz,
Flüchtlinge ertrinken zu Tausenden im Mittelmeer. Kinder Frauen, Männer. Das Thema ist Gegenstand der Politik, es wird geredet, wenig gehandelt und das Sterben geht munter weiter:
"Ein Flüchtlingsboot ist auf dem Weg von Libyen nach Italien gekentert. An Bord waren offenbar rund 700 Menschen. 28 Menschen konnten von einem Handelsschiff gerettet werden, Hunderte werden aber vermisst.(...)"Im Moment müssen wir befürchten, dass dies eine Tragödie von gewaltigem Ausmaß ist", sagte Carlotta Sami, Sprecherin des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (...).
Nach bisheriger Schätzung waren in diesem Jahr 900 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Allein am vergangenen Sonntag sind möglicherweise rund 400 Menschen ums Leben gekommen, als ein Boot auf dem Weg von Libyen nach Italien kenterte. Sollte sich die Opferzahl von rund 700 Toten bewahrheiten, wäre das Unglück von Samstagnacht die bisher größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.
2014 zählten die Behörden 3500 Tote (...) Allein in der vergangenen Woche hatten Italiens Küstenwache und die Marine etwa 11.000 Migranten im Mittelmeer gerettet.
ARD- Kommentator Markus Preiss erkennt das massive Versagen (gerade auch der deutschen) Politik:
"Eine Schande für Europa. Für alle, die es heute schlimm finden, was da vor Sizilien passiert, aber morgen bloß keinen Flüchtling in der städtischen Turnhalle sehen wollen. Eine Schande für unsere Politiker, allen voran die EU-Innenminister der letzten 20 Jahre. Und eine Schande für ganz viele von uns, die klammheimlich froh waren, dass da jemand unsere Haustür so fest zudrückte wie nur irgend möglich."
Wie lange sollen wir noch dem elendigen Sterben im Mittelmeer zusehen?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum aktuellen Flüchtlingsdrama. Uns alle rütteln die Bilder der Schiffskatastrophen vor der libyschen Küste auf, berühren und bedrücken. Der Tod so vieler Menschen, die ihr Leben menschenverachtenden Schlepperbanden anvertraut haben, führt uns allen das Unheil vor Augen, das Ungerechtigkeiten in den Herkunftsregionen der Menschen und zerfallende Staaten auf den Fluchtrouten anrichten können. In erster Linie müssen wir vor Ort bei der Veränderung dieser Umstände helfen. Als Europäische Union müssen wir auch alles tun, damit die von gewissenlosen Schleppern ins Verderben geführten Menschen vor dem Tod gerettet werden. Am Donnerstag dieser Woche werden die EU-Staats- und Regierungschefs dazu zu einem Sondergipfel zusammenkommen. Europa muss rasch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Lage auf den Weg bringen - und über mittel- und langfristige Perspektiven beraten. Dabei ist weder die hermetische Abriegelung Europas noch die bedingungslose Öffnung unserer Grenzen die Lösung. Wir müssen den Schleusern unmissverständlich klar machen, dass wir ihre skrupellosen Geschäfte nicht tolerieren werden. Lösungen, die erst auf dem Mittelmeer ansetzen, werden keine nachhaltige Verbesserung bringen. Vergessen wir auch nicht all die Opfer, die - unbemerkt von der Weltöffentlichkeit - auf ihrem langen Weg an die Mittelmeerküste etwa durch die Sahara sterben. Dauerhaft kann sich die Lage nur über eine Verbesserung der Zustände in der Heimat der Menschen ändern. Dort müssen wir noch stärker als bisher zu Frieden und Gerechtigkeit beitragen. Dieser Verantwortung werden wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern weiterhin stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz