Frage an Marco Wanderwitz von Matthias D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Wanderwitz,
was wird die CDU unternehmen um ZEITNAH! die Bespitzelung unserer Bevölkerung durch ausländische (und inländische) Geheimdienste wirksam zu unterbinden?
1989/90 waren wir uns ja alle einig das wir so etwas hier nicht wollen.
Bitte verweisen Sie nicht auf ein persönliches Gespräch, eine Antwort hier wäre für viele Leser interessant.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Drehn,
(auch) bei dieser Debatte geht es im Grunde um das immer wiederkehrende Thema des richtigen Verhältnisses zwischen Sicherheit und Freiheit im IT-Zeitalter. Unser Staat hat die Pflicht, seine Bürger zu schützen, seine Freiheiten und Grundrechte zu achten. Die Union ist die einzige Partei, die diesen beiden Dimensionen staatlicher Aufgaben hohe Priorität einräumt. Nur wenn es ein ausreichendes Maß an Sicherheit in einer Gesellschaft gibt, können die Bürgerinnen und Bürger ihre Freiheiten auch tatsächlich nutzen. Die Freiheitsrechte unserer Verfassung richten sich nicht nur gegen den Staat, sondern sie verlangen zugleich auch seinen aktiven Schutz gegenüber Straftätern und Gefährdern sowie Übergriffen anderer Staaten.
Sowohl der Freiheit als auch der Sicherheit können wir nur gerecht werden, wenn wir uns am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientieren. Das heißt ganz konkret: Wenn es um die Suche nach einem Mörder, Entführer oder Terrorverdächtigen geht, kann ein Richter in Deutschland oder die dafür beim Bundestag eingerichtete "G-10-Kommission" die Überwachung der Kommunikation im konkreten Einzelfall anordnen. Dies ist in solchen Fällen notwendig und angemessen. Bei weniger gravierenden Gefahren oder Straftaten wie zum Beispiel einem Ladendiebstahl sind nach unserem Verständnis andere Maßnahmen ausreichend.
Der Zweck "heiligt" also nicht alle Mittel, sondern Zweck und Mittel müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Wir werden daher selbstverständlich auch zum Zweck der Sicherheit nicht alles gesetzlich zulassen, was technisch möglich wäre. Wir wollen unseren Sicherheitsbehörden daher auch künftig nur einen gezielten Zugriff auf Daten unter strengen rechtsstaatlichen Maßgaben erlauben. Eine ziellose und/oder allumfassende Sammelwut lehnen wir strikt ab. Darin unterscheidet sich unser Sicherheits- und Freiheitsverständnis offensichtlich von demjenigen der derzeitigen US-Regierung.
Die aufgeworfenen Fragen lassen sich nach meiner Überzeugung am besten mit folgenden vier Maximen lösen. Konkrete Maßnahmen beinhaltet der Acht-Punkte-Katalog der Bundeskanzlerin zum Thema.
1. weitere Aufklärung insbesondere durch die USA notwendig
Zunächst gab es nur Behauptungen von Edward Snowden. Durch die Reise und Gespräche von Bundesinnenminister Dr. Friedrich in den USA gibt es nun erstmals belastbare Informationen durch die US-Regierung. Bei seinen Gesprächen hat Minister Dr. Friedrich erfahren, dass die USA keine Industriespionage gegen deutsche Unternehmen betreibt. Zudem soll es - so die amerikanischen Angaben - keine unbeschränkte und flächendeckende Speicherung von Kommunikationsinhalten durch die NSA geben, sondern "nur" eine zielgerichtete Speicherung für Personen, Gruppierungen und Einrichtungen in den Bereichen Terrorismus, Kriegswaffenkontrolle und organisierte Kriminalität.
Für uns ist ein zentraler Punkt, dass in Deutschland deutsches Recht gilt und es von jedermann - gleich ob Bürger unseres Landes oder etwa Mitarbeiter befreundeter Staaten - eingehalten wird. Daher ist hier weitere Aufklärung notwendig. Diese erfolgt - so das Ergebnis der Reise von Hans-Peter Friedrich - auf Expertenebene und zwischen den Nachrichtendiensten; unser Bundesinnenminister wird US-Justizminister Holder erneut im September dazu treffen. Zudem laufen derzeit Verhandlungen über die Aufhebung von Befugnissen, welche die USA aufgrund eines Verwaltungsabkommens von 1968 in der Bundesrepublik haben. All dies dient der Eindämmung von Schutzlücken gegenüber den Gefahren einer unrechtmäßigen Datensammelwut anderer Länder.
Allerdings dürfen wir auch die Augen nicht verschließen: Wenn es um geheimdienstliche Tätigkeit geht, wird eine hundertprozentige öffentliche Transparenz nicht zu schaffen sein. Sie wäre sogar schädlich, weil sich Kriminelle und Extremisten dann noch viel besser genau auf die Arbeitstechniken der Dienste einstellen könnten und somit viel leichter Umgehungsmöglichkeiten fänden. Unabdingbar ist, dass sich unsere deutschen Dienste an Recht und Gesetz halten und sie der umfassenden parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Deshalb finden derzeit sehr regelmäßig Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums statt.
2. internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden unerlässlich
In Zeiten der Globalisierung, des Internets und des ständig steigenden Reiseverkehrs haben die stärksten Bedrohungen für unsere innere Sicherheit ganz überwiegend eine internationale Dimension. Dies gilt in besonderem Maße für den Terrorismus: Islamisten lassen sich etwa durch das Internet radikalisieren (auf Seiten, die im Ausland betrieben werden), reisen dann in Ausbildungslager für Terroristen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet oder kämpfen im Syrienkonflikt mit und kehren anschließend nach Deutschland zurück. Um zu verhindern, dass solche Extremisten Anschläge verüben, ist es unabdingbar, dass sich unsere Sicherheitsbehörden mit Sicherheitsbehörden unserer Verbündeten eng austauschen. Durch die Zusammenarbeit mit der NSA konnten Anschläge in Deutschland verhindert werden, wie konkret etwa durch die "Sauerlandgruppe" oder die "Düsseldorfer Terrorzelle".
Wenn deutsche Staatsbürger im Ausland entführt werden, ist es geboten, dass unsere Sicherheitsbehörden eng mit unseren Verbündeten kooperieren. Das haben bisher alle Bundesregierungen so gehandhabt. Wenn es im Netz einen Austausch über Bombenbauanleitungen gibt, darf sich der Staat nicht künstlich blind machen. Schließlich ist es ein Gebot praktischer Vernunft, bei einem multilateralen Einsatz von Soldaten wie in Afghanistan sich in Sicherheitsfragen mit den Partnern auszutauschen. Ein angemessener Datenaustausch sichert das Leben unserer Soldaten im Ausland und unserer Bürger im In- und Ausland.
3. Sensibilisierung unserer Bürger und Unternehmen für den Umgang mit Daten und Stärkung der IT-Sicherheit
Die Aussagen von Edward Snowden und die diesbezügliche Berichterstattung haben für Bürger, Unternehmen und Politiker gleichermaßen das Thema des sicheren Datenverkehrs wieder einmal in den Fokus gerückt.
Der Schutz digitaler Daten deutscher Internetnutzer durch deutsches oder europäisches Datenschutzrecht hat in der Praxis Grenzen. Denn Daten fließen selbst bei einer E-Mail eines T-Online-Kunden an einen anderen Server in Deutschland möglicherweise über transnationale Kabel. Die Daten folgen nicht der Geographie, also dem kürzesten Weg zwischen Absender und Empfänger einer E-Mail, sondern den jeweils aktuellen Kosten für Datentransporte. Daher überqueren sie häufiger als wir denken nationale Grenzen und unterliegen dann nicht mehr der Hoheitsgewalt deutscher Behörden und dem Geltungsbereich des Grundgesetzes.
Als Antwort auf die Sorge, nicht immer sicher digital zu kommunizieren, klären bereits jetzt das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnologie und der Verein Deutschland sicher im Netz auf. Die Bundesregierung wird die Aufklärungsarbeit zur Bewusstseinsbildung und -schärfung intensivieren.
Der Staat spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Forschungsförderung, bei der Entwicklung und auch der Zertifizierung von sicheren IT-Produkten. Wir müssen aber unsere Anstrengungen um eine bessere IT-Sicherheit intensivieren etwa im Hinblick auf Verschlüsselungsmöglichkeiten, die missbräuchliche Datenausspähung erschweren.
Bei allen Maßnahmen müssen wir uns aber bewusst sein und sollten dies offen und aktiv kommunizieren: Bürger und Unternehmen müssen letztlich eigenverantwortlich unterscheiden zwischen Kommunikation, die ihnen wichtig und besonders schützenswert ist, und jener herkömmlichen Versendung von Daten im Internet, welche leicht ausgelesen werden kann und der Vertraulichkeit allenfalls einer Postkarte entspricht. Der Staat kann dem Bürger beim Surfen, Chatten, Mailen oder Posten seine Eigenverantwortung nicht abnehmen.
4. Maßnahmen für einen besseren internationalen Datenschutz
Da die Daten beim Internetsurfen oder Mailen transnational fließen, helfen rein nationale Regelungen wie unser Bundesdatenschutzgesetz nicht weiter. Daher werden wir mit der Bundesregierung auf internationaler Ebene sowohl im Rahmen der EU als auch bei den Vereinten Nationen für einen intensiveren Datenschutz eintreten. Wichtig ist auch der Vorstoß von Minister Dr. Friedrich, im Rahmen der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA eine digitale Grundrechte-Charta einzufordern und diese zum Verhandlungsgegenstand zu machen.
Die Union ist die Partei der inneren und der äußeren Sicherheit. Keine andere Partei nimmt den Schutzauftrag des Grundgesetzes so ernst wie wir, wenn es um den Schutz von Leib und Leben unserer Bürger geht. Wir stehen für eine Politik, die mit Augenmaß und ohne Übertreibung in die eine oder andere Richtung unsere Freiheit und damit das friedliche Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sichert. Die Vorstellungen der Opposition, deutsches Datenschutzrecht müsse und könne weltweit in einer Art „Basta“-Politik oder mit der „Kavallerie“ erzwungen werden, sind einfach nur weltfremd. Wir werden den Verhandlungweg beschreiten müssen, und der ist steinig, da die Grundansätz zum Teil weit auseinanderliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz