Frage an Marco Wanderwitz von Wilfried M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wanderwitz,
die beiden "Unionsparteien" werben zwar in unterschiedlichen, voneinander geschiedenen Regionen um ihre Wähler, sind aber oft nicht einig, konkurrieren im Bundestag bzw. der Regierung auch und ich vernehme zunehmend Verdruß z.B. wegen der Sonderrolle der CSU.
Als die beiden Parteien nach dem Kriege gegründet wurden, gab es m.W. nicht wenige Befürworter eines betont antiliberalistischen, antikapitalistischen Weges hin zu einem Christlichen Sozialismus, nämlich um verehrte Persönlichkeiten wie Jakob Kaiser (CDU) und Josef Müller (CSU), die unter dem NS-Regime auch persönlich gelitten hatten, zum Beispiel in Haft waren.
Im Ahlener Programm war als eine Lehre diese enthalten:
"Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden" (1).
Das erste Grundsatzprogramm der CSU bedauerte noch die Zerrüttung (auch) des privaten Lebens im totalitären System des NS und bekannte sich zur ewigen Gültigkeit der christlichen Sittengesetze (2).
Hierzu habe ich folgende Fragen:
1. Warum läßt man die CSU und die CDU nicht endlich in ganz Deutschland gegeneinander antreten?
2. War die oben zitierte Einschätzung bzw. Lehre der CDU- Gründer Ihrer - heutigen - Ansicht nach falsch?
3. Werden Ihrer Ansicht nach bei den Führungskräften der real existierenden CSU von heute die christlichen Sittengesetze so hoch gehalten, wie das deren Gründern vorschwebte?
4. Wie ist das in der CDU?
5. Soll es bei diesen Einschätzungen so bleiben oder sollte sich etwas ändern?
6. Hätten Sie Interesse, mit uns gemeinsam an der baldigen Gründung einer (Gesamt-) Deutschen Christlich Sozialen Union oder auch einer Partei des Christlich Demokratischen Sozialismus aktiv mitzuwirken (worum ich bitte)?
Mit frdl. Grüßen
Dipl. Med. W. M.
Deutsches Institut für Totalitarismusabwehr
1) http://www.kas.de/wf/de/33.813/
2) http://www.hss.de/fileadmin/migration/downloads/1946-Grundsatzprogramm.pdf
Sehr geehrter Herr Meißner,
seit ich politisch denken kann, gibt es die Unionsfamilie aus den Landesverbänden der CDU, so in meiner sächsischen Heimat, und der CSU im Freistaat Bayern. Die gegenseitige Befruchtung empfinde ich dabei als ebenso positiv, wie die vielen Grundgemeinsamkeiten. Nach alledem guten Miteinander stellt sich mir die Frage nach einem Gegeneinander nicht.
Grundsatzprogramme sind auch immer Spiegel der Zeit, in der sie Geltung erlangten. Beide Unionsparteien haben ihre Programmatik regelmäßig überarbeitet - heute gilt die jeweils letzte Version. Die von Christsozialen und Christdemokraten maßgeblich entwickelten Soziale Marktwirtschaft ist dabei einer der Kernbestandteile.
Wir machten und machen Politik auf der Basis des christlichen Menschenbildes. Oft sind allerdings in der Tagespolitik Kompromisse, bspw. in Koalitionen, nötig. Dass die in Verantwortung Stehenden dabei auch persönlich eine Vorbildfunktion haben, ist selbstverständlich. Dass Menschen fehlbar sind, ebenso.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz