Frage an Marco Wanderwitz von Nico R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wanderwitz,
ich habe vor kurzem erfahren, dass noch immer ein überproportionaler Großteil der Eliten in Deutschland westdeutscher Abstammung ist - selbst in Ostdeutschland(!) Ob in den hohen Ämtern von Bundeswehr, Polizei oder an Universitäten sowie den Ministerämtern und in der Wirtschaft - überall sind Westdeutsche überrepresentativ vertreten - und das 20 Jahre nach der Wiedervereinigung!
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2586933
http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2010/0930/elite.php5
Gleichzeitig gibt es heutzutage oftmals eine Frauenquote, man spricht im öffentlichen Diskurs sogar schon über eine Migrantenquote - aber was ist mit den ganzen Ost-Deutschen?
Ich würde gerne von Ihnen wissen, was Sie von diesem Problem halten, und ob Sie sich für eine Anpassung stark machen wollen/können?
Mit besten Grüßen,
Nico Rudolph
Sehr geehrter Herr Rudolph,
besten Dank für Ihre Frage.
Zunächst möchte ich festhalten, dass grundsätzlich Quoten für mich nur die ultima ratio sein dürfen; dann wenn der Umstand eintritt, dass es nicht funktioniert in der Praxis, dass Qualifikation das entscheidende Kriterium ist.
Wenn ich mir nun unsere Wahlämter in Sachsen anschaue, dann sehe ich dort jedenfalls keinen Nachholbedarf in Ihrem Sinne. In der sächsischen CDU-Landesgruppe beispielsweise sind zwar (nur) fünf der sechzehn Abgeordneten nicht in Sachsen geboren. Sie sind aber allesamt eine große Bereicherung, leben schon lange hier und haben viel für Sachsen geleistet - und sie sind allesamt von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt. Im Falle direkter Volkswahlen stellen sich derartige Fragen in keinem Fall meine ich.
Zur Beamtenebene: 1989 waren da viele, die wir ob ihrer Verantwortung im diktatorischen System nicht mitnehmen konnten und wollten als Verantwortungsträger im demokratischen Rechtsstaat. Und so dauerte es nun einige Zeit, bis „Eigengewächse“ nachkamen. Und diese müssen natürlich auf der Erfahrungsleiter aufwachsen, bevor sie Spitzenpositionen einnehmen können. Das war alternativlos. Gleichwohl es ist nach 20 Jahren höchste Zeit, zu schauen, ob Theorie und Praxis zusammengehen.
Wer hier seit vielen Jahren arbeitet und lebt ist Sachse. Ich unterscheide nicht zwischen den 1989 hier Lebenden und den (insbesondere in den frühen Jahren) Gekommenen. Wenn wir so vorgehen würden, wären wir nicht nur undankbar, es wäre auch eine schwere Hypothek für die aus Sachsen Weggegangenen in ihrer neuen Heimat.
Aber: Beim Nachwachsen in Verwaltung und Justiz sollten wir uns jetzt so verhalten, wie es der gewachsenen Normalität der alten Bundesrepublik entspricht. Und das heißt natürlich, dass wir unsere Landeskinder bei gleicher Qualifikation fördern.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wanderwitz