Frage an Marco Scheffler von Jörn H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Scheffler,
die Vorteile des BGE, für das Sie sich starkmachen, liegen auf der Hand. Aber wie kann es finanziert werden und wie soll mit den Gefahren umgegangen werden?
Zur Finanzierung: Wieviel Geld steht dem Staat derzeit eigentlich insgesamt zur Verfügung? Ich kann, bis auf das Steueraufkommen, leider keine Zahlen finden. Wie würden sich diese Zahlen mit Einführung eines BGE verändern, beispielsweise durch weniger Erwerbsarbeit?
Hier ein paar Thesen zu möglichen Nachteilen. Können Sie diesen Thesen zustimmen? Wenn nein, warum nicht?
* Wichtige, aber unattraktive, Arbeiten wie Straßenreinigung, Müllabfuhr, u.v.a.m. können nicht mehr ausgeführt werden, weil sie keiner mehr machen will.
* Viele Arbeitsplätze in Sozialämtern etc. gehen verloren.
* Ein wichtiger Anreiz für Arbeit, die Sicherung der eigenen Existenz, geht verloren. Dies führt a) zu Massenarbeitslosigkeit und b) zu massenhaft offenen Stellen und unerledigter Arbeit
* Arbeitslosigkeit führt oft zur sozialen Verwahrlosung
* Zu viele offene Stellen führen zur Schließung vieler Unternehmen; es gibt noch mehr Arbeitslose.
* Die Wirtschaft schrumpft dramatisch.
* Die Einnahmen des Staats sinken stark, das BGE (und vieles andere) ist nicht mehr finanzierbar.
* Unser Land geht vor die Hunde.
Vielen Dank für die Antwort!
Jörn Heissler
Sehr geehrter Herr Scheffler,
die Vorteile des BGE, für das Sie sich starkmachen, liegen auf der Hand. Aber wie kann es finanziert werden und wie soll mit den Gefahren umgegangen werden?
Zur Finanzierung: Wieviel Geld steht dem Staat derzeit eigentlich insgesamt zur Verfügung? Ich kann, bis auf das Steueraufkommen, leider keine Zahlen finden. Wie würden sich diese Zahlen mit Einführung eines BGE verändern, beispielsweise durch weniger Erwerbsarbeit?
Antwort, Teil 1: Zur Finanzierung
Laut Sozialbericht 2009 der Bundesregierung gibt Deutschland voraussichtlich fast ein Drittel des Bruttosozialprodukts bzw. des Bruttonationaleinkommens für Sozialausgaben (Kindergeld, Sozialhilfe, ALG2, Arbeitslosengeld, Rente und was sonst von der Gesellschaft an sozialen Leistungen aufgebracht wird) aus: 754 Milliarden Euro in diesem Jahr (Quelle: http://www.bmas.de/portal/33916/property=pdf/a101-09__sozialbericht__2009.pdf , S. 253ff)
Um das Grundeinkommen zu finanzieren, stehen prinzipiell mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Die Zusammenfassung sämtlicher Transferleistungen (siehe oben) und deren anschließende Ausschüttung ohne Bedarfsprüfung. Dieses Modell, von Herrn Althaus "solidarisches Bürgergeld" genannt, aus dem Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI).
2. Alternativ dazu ließe sich das Grundeinkommen auch über eine deutlich erhöhte Konsumsteuer finanzieren. Dieses Modell favorisiert bspw. der Gründer der Drogeriemarktkette DM, Götz Werner. Parallel zur Anhebung der Konsumsteuer könnte dieses Modell die menschliche Arbeit von den so genannten Lohnnebenkosten entlasten. Eine Steuer wird nur auf das fertige Produkt erhoben. Die Bruttopreise der meisten Produkte bleiben dabei gleich.
Eine Reihe weiterer Finanzierungsmodelle sind durchgerechnet. Was es braucht, ist der politische Wille und die politische Macht, sie zu beschließen und dann umzusetzen. Deswegen: „Mensch, macht Politik“ ( http://www.mensch-macht-politik.de ). Deswegen die Kampagne, das Bundestagsdirektmandat für den Wahlkreis 21, Hamburg-Eimsbüttel, zu gewinnen.
Ihre Fragen, Teil 2:
Hier ein paar Thesen zu möglichen Nachteilen. Können Sie diesen Thesen zustimmen? Wenn nein, warum nicht?
Antwort, Teil 2: Thesen
* Wichtige, aber unattraktive, Arbeiten wie Straßenreinigung, Müllabfuhr, u.v.a.m. können nicht mehr ausgeführt werden, weil sie keiner mehr machen will.
Alles eine Frage des Preises. Wer sich heute die Drecksarbeiten für Dumpinglöhne machen lässt, muss eben, wenn die Arbeit gemacht werden soll, die Löhne erhöhen. Nebenbei: Die Müllabfuhr gehört sicherlich nicht zu den unattraktivsten Jobs hierzulande.
* Viele Arbeitsplätze in Sozialämtern etc. gehen verloren.
Ja. Die gesamte Kontrollbürokratie würde verschwinden. Aber der Staat bzw. die jeweiligen Verwaltungseinheiten hätten die Chance, die Angestellten sinnvoller einzusetzen, dort, wo heute Leute gebraucht werden. Und die Leute auf den Ämtern wären glücklicher, weil sie nicht anderen hinterher schnüffeln müssten.
* Ein wichtiger Anreiz für Arbeit, die Sicherung der eigenen Existenz, geht verloren. Dies führt a) zu Massenarbeitslosigkeit und b) zu massenhaft offenen Stellen und unerledigter Arbeit
Das Grundeinkommen sichert nur die Existenz inklusive kultureller-gesellschaftlicher Teilhabe. Alles darüber hinaus - und das wird die überwältigende Mehrheit wollen - muss weiterhin erwerbserarbeitet werden. Die meisten Leute würden, wenn sie befragt werden, weiter das tun, was sie gerade tun, wenn sie ein Grundeinkommen hätten.
* Arbeitslosigkeit führt oft zur sozialen Verwahrlosung
Frei zu sein vom Arbeitszwang ist keineswegs zu verwechseln mit arbeitslos. Ein Grundeinkommen senkt aller Voraussicht nach die Gesundheitskosten, weil bspw. der psychische Druck wegfällt. Arbeitslosigkeit heute lässt die Leute verzweifeln, weil sie sich entwertet fühlen. Morgen setzt das Grundeinkommen ein neues Potenzial im menschlichen Miteinander frei: Mehr Zeit für Kinder und Alte und andere Bedürftige in dieser Gesellschaft.
* Zu viele offene Stellen führen zur Schließung vieler Unternehmen; es gibt noch mehr Arbeitslose.
* Die Wirtschaft schrumpft dramatisch.
* Die Einnahmen des Staats sinken stark, das BGE (und vieles andere) ist nicht mehr finanzierbar.
* Unser Land geht vor die Hunde.
Das ist eine Untergangsspirale, die ich nicht teile - zumal sie auf einem Menschbild (passiv, konsumierend, antriebslos, wenig schöpferisch, unterwürfig) beruht, das mir fremd ist. Wenn wir einem Arbeitskräftemangel entgegen sehen sollten, haben wir genügend Möglichkeiten, dem entgegen zu steuern. Nein, unser Land gewinnt durch das Grundeinkommen, weil wir es allen ermöglichen, dabei zu sein, teilzuhaben, denn niemand von uns kann etwas dafür, auf der Welt zu sein. Deswegen muss für alle ein menschenwürdiges Dasein die Grundlage sein, zumal in einer Gesellschaft, die sich das leisten kann.
Ich hoffe, Ihre Fragen hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Scheffler