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Manuela Rottmann
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Frage von Roland S. •

Frage an Manuela Rottmann von Roland S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Rottmann,

der folgende Bericht thematisiert „China hat eine geniale Mischung aus Orwells 1984 und Huxleys Schöne Neue Welt geschaffen“.
Bei einem Telefonanruf kann statt eines Wähltons eine Ansage kommen, "in der die angerufene Person angeprangert werde. Da bekomme man zum Beispiel zu hören: „Die Person, die sie gerade anrufen, ist ein Vertrauensbrecher, er hat seine Schulden nicht bezahlt und steht auf der schwarzen Liste."
https://www.welt.de/vermischtes/article200552362/Maischberger-Peking-will-sich-den-Traum-aller-diktatorischen-Herrscher-erfuellen.html

„Dass es der Gemeinschaft gut geht, ist wichtiger, als dass es dem Individuum gut geht“, so die Meinung eines Diskutanten zu den Prioritäten der Chinesischen Gesellschaft.

Überspitzt formuliert heißt dies, dass es egal ist, wie es dem Einzelnen (Souverän) ergeht, Hauptsache das (politische) System, die Gesellschaftsstruktur, das (kommunistische) Staatswesen ist vital und überlebensfähig.

In Deutschland gibt es immer mehr gesetzliche Verpflichtungen (Vorgaben), zumindest Erwartungshaltungen, die den Bürgern durch das politische System auferlegt werden. Zu nennen sind Rundfunkbeitragspflicht, Krankenversicherungspflicht (zukünftig auch Rentenversicherungspflicht), beispielhaft aber auch die lautstarken Aufrufe der Politik zur Körperzertung (Organspende) oder die geplante Impfpflicht, mit Strafandrohung, für aktuell z.B. Masern.

Halten Sie diese in Deutschland immer stärker um sich greifenden Verpflichtungen und Erwartungshaltungen durch das politische System (Politiker) im Prinzip vergleichbar mit den Erwartungshaltungen (Verpflichtungen) in China?
Wird die Politik ein vergleichbares Scoringsystem wie in China einführen, bei dem derjenige belohnt wird, der den Wünschen und Vorstellungen der Politiker entspricht und derjenige bestraft wird, der den Erwartungshaltungen nicht gerecht wird?
Wie stehen Sie als Bürger (nicht als Politiker!) zu dieser Entwicklung?

Portrait von Manuela Rottmann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

die Einführung eines Social-Scoring-Systems nach dem chinesischen Modell klar lehne ich ab. Im Gegensatz zu China ist Deutschland eine Demokratie und dem Schutz von Bürger- und Menschenrechten verpflichtet. Der Umgang mit Daten (Stichwort Datenschutz und Überwachung) ist in Deutschland ganz anders geregelt als in China. Das Regime unter der Kommunistischen Partei Chinas und Präsident Xi Jinping wird zunehmend repressiver und autoritärer. Das Sozialkredit-System kann in dieser Entwicklung als Mittel zum Zweck betrachtet werden.

Mein Kollege Jürgen Trittin ist in seiner Pressemitteilung vom 04.09.2019 kurz auf das Social-Scoring-System eingegangen:
"Auch braucht es eine kritische Bestandsaufnahme der Vereinbarungen des EU-China-Gipfels des letzten Jahres. Marktöffnung, Abbau von Investitionshemmnissen, Gleichbehandlung in- und ausländischer Investoren - alles das war versprochen worden. Aber die Wirklichkeit sieht trübe aus. Weiterhin werden ausländische Firmen zu Technologietransfer gezwungen und mit dem Sozialen Rating System (social scoring system) wird bis in die Unternehmen hinein Druck auf Mitarbeiter gemacht. Das muss die Kanzlerin deutlich kritisieren und klar machen, dass dies alles einer Vertiefung der Beziehungen, wie z.B. durch ein gemeinsames Investitionsschutzabkommen, entgegensteht." https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/prinzip-ein-land-zwei-systeme-in-hongkong-ist-nicht-verhandelbar

Die Beispiele, aus denen Sie eine Parallele zu dieser Situation in China für Deutschland ziehen wollen und einen Hinweis auf immer stärker um sich greifende Verpflichtungen in Deutschland entnehmen wollen, wundern mich teilweise. Auch in einem freiheitlichen Staat haben Staatsbürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Anders als in einer Diktatur wird darüber von demokratisch gewählten Abgeordneten entschieden, unabhängige Gerichte wachen über die Anwendung und setzen dem Staat dabei auch verfassungsrechtliche Grenzen. Neue Verpflichtungen müssen notwendig, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Krankenversicherungspflicht wurde schon im 19. Jahrhundert von Bismarck eingeführt, auch die Pflicht zur Einzahlung in die Rentenversicherung ist nichts neues, ebenso wenig Rundfunkbeiträge. Teilweise wurden Pflichten auch ausgesetzt, etwa die Wehrpflicht. Deutschland ist aus vielerlei Gründen nicht ansatzweise mit China vergleichbar.

Mit besten Grüßen
Dr. Manuela Rottmann