Warum lassen die Grünen in Hamburg einen neuen Stadtteil Oberbillwerder in Zeiten des Klimawandels zu. Die Marschflächen müssen bleiben, denn sonst säuft Bergedorf in Zukunft immer wieder ab.
Sehr geehrte Frau P.,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Der Hamburger Wohnungsmarkt befindet sich in einer sehr engen Marktlage. Der Zuzug nach Hamburg ist nach wie vor hoch und ungebrochen. Nach dieser Berechnung des Statistikamtes wird die Einwohnerzahl Hamburgs von rund 1,831 Mio. Ende 2017 auf 1,949 Mio. im Jahr 2040 steigen (Variante W1 mit geringerer Zuwanderung). In der Variante W2 mit moderater Zuwanderung wächst die Bevölkerungszahl auf 1,988 Mio. und in der Variante mit der höchsten Zuwanderung (W3) auf 2,051 Mio. Personen. Dies zeigt wie dringend der Bedarf an neu zu errichtetem Wohnraum ist.
Die Freizügigkeit, d.h. sich dort niederzulassen wo man es möchte, ist ein grundgesetzlich geschütztes hohes Gut unserer Verfassung. Damit dieser Zuwachsdruck nicht derart durchschlägt, dass die Mieten völlig durch die Decke gehen bzw. eine drastische Verdrängung von Menschen mit geringeren Einkommen ins Umland stattfindet, muss dem entgegengesteuert werden. Hamburg hatte aus diesem Grund ein Bündnis für das Wohnen in Hamburg mit der Wohnungswirtschaft geschlossen. Seit 2011 wurde der Bau von über 100.000 neuen Wohnungen genehmigt, davon sind bisher 77.000 fertiggestellt.
Alle Vorgaben und Verabredungen verbinden die Bündnispartner mit einem klaren Bekenntnis zum flächeneffizienten und ökologischen Bauen. Die Entwicklung neuer Flächen soll stets verbunden werden mit einer ausgleichenden Gestaltung von Grün- und Freiräumen, die die Menschen bedarfsgerecht nutzen können. Hamburg ist und bleibt somit eine grüne Metropole am Wasser. Senat und Wohnungswirtschaft fühlen sich gemeinsam den Klimazielen auf verschiedenen Ebenen und den im Klimaplan festgelegten Maßnahmen verpflichtet. Gemeinsam wollen sie alle erforderlichen Schritte ergreifen, um diese Klimaziele fristgerecht zu erreichen.
Oberbillwerder ist ein Stadtentwicklungsvorhaben, welches seit über 20 Jahren im Flächennutzungsplan steht und den Abschluss der „Bergedorf-Achse“ im Achsenplan der Stadtentwicklung bildet. Oberbillwerder ist Hamburgs zweitgrößtes Stadtentwicklungsprojekt Auf 118 ha sollen bis zu 7000 Wohneinheiten entstehen. Dazu kommen 4000-5000 Arbeitsplätze, ein Bildungs- und Begegnungszentrum, 2 Grundschulen sowie bis zu 14 Kitas und noch einmal so viele soziale Einrichtungen. 11 Mobility Hubs, rund 28 Hektar öffentliche Grün- und Freiflächen mit zahlrechen Spielplätzen sowie ein großer Aktivitätspark und ein Schwimmbad kommen hinzu.
Oberbillwerder erhalte eigene Retentionsflächen (Überflutungsflächen: Grüner Loop, Blaues Quartier und ein Retentionsbecken im Nord-Westen), die ein Starkregenereignis der Größe von 2018, das es statistisch alle 100 Jahre gibt, aufnehmen können. Das Gebiet wird daher eine größere und bessere Retentionswirkung haben als die bisher direkt entwässernden landwirtschaftlichen Flächen.
Bei noch größeren Ereignissen ist das Flächen- und Höhenmodell so angelegt, dass temporär weitere öffentliche Flächen, etwa Quartiersplätze, einstauen können. Sämtliches im Projektgebiet anfallendes Niederschlagswasser werde zuerst in die internen Retentionsflächen geleitet und von dort aus gedrosselt und zeitlich verzögert in den Nördlichen Bahngraben Richtung Schöpfwerk Allermöhe abgegeben. Die Drosselung und Verzögerung bewirkt eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Status quo und eine Entspannung der nachlaufenden Vorfluter.
Der Durchlass Richtung Süden wird somit entlastet und nicht zusätzlich beaufschlagt. Der bestehende Durchstich in Richtung Schöpfwerk Allermöhe wird ausreichend dimensioniert sein. Eine zusätzliche Ableitung ist hydraulisch in Richtung Süden aus Sicht der Planung nicht sinnvoll. Selbstverständlich würden die Nachbargebiete bei der Planung der Entwässerung einbezogen.
Verschiedene Aspekte und berechtigte ökologische, soziale und wirtschaftliche Interessen müssen also gegeneinander abgewogen werden. Eine verträgliche Mietenentwicklung, die Kraftanstrengung der Bevölkerungsentwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Herausforderung des Klimaschutzes und auch des Hochwasserschutzes müssen selbstverständlich im Interesse aller Hamburger und Hamburgerinnen bewältigt werden.
Auf Bundesebene wollen wir uns dafür einsetzen, den Flächenverbrauch bei der Siedlungsentwicklung zu reduzieren und keinen Nettoverbrauch mehr zu haben. Denn der verantwortungsvolle Umgang mit den Flächen ist bester Natur- und Artenschutz. Wir möchten gerne, dass:
- Innenentwicklung und flächensparendes Bauen Vorrang haben;
- Nicht mehr benötigte versiegelte Flächen der Natur zurückgegeben werden;
- Verkehrsflächen reduziert werden;
- Flächen, die noch versiegelt werden, ortsnah durch Entsiegelung ausgeglichen werden müssen;
(S. 134 f., Bundestagswahlprogramm 2021 Bündnis 90/Grüne)
Wir hoffen, Ihnen mit unserer Antwort die schwierige Gemengelage und Beweggründe ein bisschen näher gebracht zu haben. Auch, wenn diese Antwort sie möglicherweise nicht zufriedenstellen wird.
Nehmen Sie gerne auch Kontakt zu den Grünen in Bergedorf auf.
Mit freundlichen Grüßen
i.A.. B. B.