Frage an Manuel Sarrazin von Christoph G. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Hallo Herr Sarrazin,
meine Frage bezieht sich auf die Sinnhaftigkeit der Vermögenssteuer. Hierzu ein guter Artikel in FAZ-online von Wolfgang Schön vom 23.07.21.
Die ganze Diskussion wirk populistisch. Es klingt für nicht oder nicht ausreichend reflektierende Wähler zunächst einmal gut, dass "die Reichen" stärker zur Kasse gebeten werden. Man mag sich sagen: "recht so, ich bin ja nicht reich".
Ist es tatsächlich möglich, eine Vermögenssteuer gerecht hinzubekommen? Einkünfte aus Vermögen werden soweit ich weiß sämtlich an der Quelle oder spätestens jährlich besteuert. In den Zeiten, wo Vermögenssteuer erhoben wurde in Deutschland, gab es dies noch nicht vollumfänglich und die Kapitalerträge für Privatpersonen lagen deutlich über den heutigen, zumindest in Prozent. Als Hamburger mit einem Eigenheim läge ich sehr wahrscheinlich allein damit über der Grenze von EUR 1.000.000,00, ohne dass hier ein liquider Ertrag erzielt wird. Müsste ich dann aus der Substanz bezahlen? Und wenn ich es richtig verstehe, darf ich ein bestehendes Darlehen nicht gegenrechnen, dass hieße, auf eine bestehende Darlehensrate käme ein zusätzlicher "Tilgungsanteil". Das dürfte vielen privaten Haushaltsrechnungen das Genick brechen.
Und weiterhin ist eigenerwirtschaftetes Vermögen bereits in der Entstehung versteuert, egal ob aus vorherigen Erträgen oder aus Einkommen. Ist dies dann nicht doppelte Besteuerung? Ich halte es für richtig, dass stärkere Schultern auch eine höhere Last tragen sollten in einer Gesellschaft. Ich halte es für richtig, Vermögen bei Erwerb, also auch im Erbfall, zu besteuern. Ich halte es für falsch, bereits versteuertes Vermögen erneut zu besteuern, weder privat noch gewerblich. Dies spart Aufwand (Vermögensfestellung) und erhält allenthalben die Substanz. Privatpersonen und Gewerbe herhalten ihre Planungssicherheit. Und es ist gewährleistet, dass Ertrag erwirtschaftendes Vermögen regelmäßig und substanzschonend besteuert wird.
Gruß, Christoph Glette
Sehr geehrter Herr Glette,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr gerne aufgreife, um unseren Standpunkt zu verdeutlichen. Eine Vermögensteuer ist Gesetz in Deutschland. Allerdings wird diese Steuer seit 1997 nicht mehr erhoben. Auch die Wirtschaftswissenschaft ist sich weitgehend einig, dass die Vermögensverteilung in Deutschland sehr ungleich ist. Laut DIW besitzt das „eine Prozent“ an der Spitze der privaten Haushalte rund 35 Prozent des Nettovermögens (die obersten 10 Prozent besitzen 2/3 des gesamten Nettovermögens). Auch die Pandemie und ihre Folgen ändern dieses Ungleichgewicht nicht. Im Gegenteil gibt es Hinweise, dass gerade sehr hohe Vermögen in dieser Situation sogar noch profitieren. Gleichzeitig sind die vermögensbezogenen Steuern in Deutschland im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich niedrig. Während in Deutschland vermögensbezogenen Steuern von knapp 1% des BIP gezahlt werden, sind es im OECD-Durchschnitt doppelt, in Ländern wie den USA, Australien oder Luxemburg dreimal so viel.
Für uns Grüne ist daher klar, dass große Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden sollen. Deshalb haben wir in unserem Wahlprogramm u.a. beschlossen:
„Die Vermögensungleichheit in Deutschland hat stark zugenommen und liegt weit über dem EU-Durchschnitt. Das liegt unter anderem daran, dass es sehr reichen Menschen möglich ist, durch Gestaltungen einer Besteuerung von Vermögen, etwa bei der Erbschaftssteuer, nahezu komplett zu entgehen. Wir wollen solche Gestaltungsmöglichkeiten abbauen und große Vermögen wieder stärker besteuern. Dafür gibt es verschiedene Instrumente wie zum Beispiel die Erbschaftssteuer oder die Vermögensteuer. Die Einführung einer neuen Vermögensteuer für die Länder ist unser bevorzugtes Instrument. Die Länder sollten die Einnahmen dieser Steuer für die Finanzierung der wachsenden Bildungsaufgaben einsetzen. Die Vermögensteuer sollte für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Begünstigungen für Betriebsvermögen werden wir im verfassungsrechtlich erlaubten und wirtschaftlich gebotenen Umfang einführen. Dabei streben wir Lösungen an, die zusätzliche Anreize für Investitionen schaffen und die besondere Rolle und Verantwortung von mittelständischen und Familienunternehmen berücksichtigen. “
Sie sehen - so wie wir die Vermögenssteuer ausgestalten wollen, wäre auch ihr Eigenheim in Hamburg nicht betroffen. Denn selbst ohne Abzug der Schulden, wären sie unter der Grenze von zwei Millionen Euro. Bei Partner, die die Wohnung gemeinsam besitzen müsste sie gar einen Wert von vier Millionen Euro haben. Zur Frage der Darlehen: historisch wurde die Vermögenssteuer nicht auf den Bruttowert des Vermögens bezogen, sondern Bemessungsgrundlage war das Bruttovermögen abzüglich der Schulden. Somit könnten sie ein bestehendes Darlehen gegenrechnen.
Ihr Beispiel zeigt also gut, dass die wenigsten Menschen in Deutschland überhaupt betroffen wären. Das machen auch nochmal die Zahlen des DIW deutlich. Das Median-Nettovermögen lag 2019 bei ca. 22.800 Euro. D.h. die Hälfte der Menschen in Deutschland hat ein Vermögen unter 22.800 Euro und wäre damit weit vom Einbezug in die Vermögenssteuer enfernt. In der Tat wären über 99% der Deutschen nicht betroffen. Laut den Zahlen des DIWs haben 99% der Deutschen ein Vermögen von unter 1,3 Millionen.
Zur Frage der Zulässigkeit der Besteuerung von Vermögen hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages (WD 4 –3000 –128/11) dargestellt, dass eine Besteuerung von Vermögen dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, da sehr hohe Vermögen eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit aufweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese bestätigt und ebenfalls die Zulässigkeit einer Besteuerung mit einem niedrigen Steuersatz erklärt.
Auch der Aufwand für die Vermögensfeststellung lässt sich bei geschickter Ausgestaltung in Grenzen halten. Eine weitere Studie des DIW schätzt z.B., dass von einer Vermögensteuer ab 2 Millionen Euro nur knapp 300.000 private und juristische Personen betroffen wären. Den Erhebungsaufwand schätzt es dann auf 2% der Steuereinnahmen, was im Bereich anderer Steuern liegt.
Sie sehen also mit der hohen Grenze von zwei Millionen Euro bei der Vermögenssteuer wollen wir sehr vermögende Menschen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen, ohne Haushalte mit höheren, mittleren und niedrigen Einkommen und Vermögen zusätzlich zu belasten.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Benjamin Benirschke