Frage an Manuel Sarrazin von Dirk R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Sarrazin,
immer wieder stellt sich (mir) die Frage, ob reguläre russische Truppen in der Ostukraine "unterwegs" sind.
Es gibt tausende links, Seiten, Blogs, die dies vermuten lassen und die das Gegenteil proklamieren. Wenn Russische Truppen in der Ostukraine aktiv sind (von einzelnen Verirrern mal abgesehen), müsste es doch Bildmaterial geben. Es müsste Ukrainer geben, die vorbeifahrende russische Armeeeinheiten mit dem Handy auf aus dem Kellerfensster hinaus, aufgenommen haben. Und wenn russische reguläre Truppen dort eingreifen, werden es nicht kleine Trüppchen sein (rein aus taktischen Gründen). Sind Ihnen Beweise diesbzgl. zugänglich? Ich meine jetzt nicht wirkliche oder gefälschte Informationen aus dem Internet.
Wenn ja, warum werden diese nicht veröffentlicht? Es wäre ein Gebot der Zeit, denn DAMIT könnte man Druck auf Russland ausüben. Warum wird das nicht gemacht? Sind Reguläre russische Gruppen in der Ostukraine unterwegs? Bitte wirkliche Fakten, ansonsten könnte ich ja Ihnen ja z.B. unterstellen, Sie seien als islamistischer Kämpfer in Deutschland unterwegs (Beweis: Ihr Nachname!). Mit freundlichen Grüßen. Dirk Rübenstrunk
Sehr geehrter Herr Rübenstrunk,
vielen Dank für Ihre Frage nach Beweisen für eine Präsenz regulärer russischer Truppen in der Ukraine.
Seit Mitte letzten Jahres tragen Anhänger der separatistischen Kräfte und das ukrainische Militär schwere Konflikte im Osten des Landes aus. Von den Kämpfen besonders betroffen sind dabei die beiden Provinzen Donetsk und Luhansk. Einen Überblick über die Verläufe der Frontlinie gibt der Nationale Sicherheitsrat der Ukraine auf seiner Webseite rnbo.gov.ua.
Vergleicht man die Karte vom September 2014 ( http://www.rnbo.gov.ua/files/2014/07-09_eng.jpg ) mit der aktuellsten Version vom Dezember 2014 (http://www.rnbo.gov.ua/files/2014/16-12_eng.jpg ), so wird der Gebietsverlust deutlich, den das Ukrainische Militär besonders im Donezbecken in den vergangenen Monaten erlitt. Es ist unstrittig, dass die Separatisten die dafür nötige militärische Kapazität allein nicht besaßen. Es gibt noch viele weitere und spezifischere Anhaltspunkte, die den Einsatz russischer Soldaten sowohl an der Grenze als auch in der Ukraine selbst belegen. Ihre Frage nach Video- oder Fotomaterial von regulären russischen Truppen ist daher nachvollziehbar. Doch gerade weil Russland das eigene Engagement im Konflikt im Nachbarland immer wieder abstreitet und die eigenen Soldaten und Fahrzeuge ohne Erkennungszeichen in die Ukraine schickt, existieren solche Fotobeweise nicht oder nur sehr spärlich. Es werden hingegen immer wieder Satellitenbilder von schwerem Gerät russischer Herkunft in Separatistengebieten veröffentlicht (http://www.reuters.com/article/2014/08/28/us-ukraine-crisis-nato-idUSKBN0GS1D220140828) und Hinweise von der OSZE gegeben, deren eigene, überparteiische Nachforschungen in den abtrünnigen Gebieten von Separatisten behindert werden (http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-mh17-102.html). Zu den zahlreichen weiteren Belegen für den verdeckten Einsatz russischer Truppen zählen die sogenannten „Männer in Grün“, Soldaten ohne Abzeichen, die ab Mitte April 2014 Verwaltungsgebäude verschiedener Städte im Osten der Ukraine besetzten und unter ihre Kontrolle brachten. Dass diese Soldaten Angehörige des russischen Militärs waren, kann wegen den Geschehnissen auf der Krim Anfang 2014 kaum bezweifelt werden. Dort hatte Putin bereits zugegeben, dass russische Militärangehörige den sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ bei der Überwachung der zweifelhaften Volksabstimmung unterstützten, die die russische Annektierung ermöglichte. Diese russischen Militärangehörigen waren ebenfalls ohne Erkennungszeichen im Einsatz, und Moskau bestritt bis zur Äußerung Putins ihren offiziellen Einsatz: http://uk.reuters.com/article/2014/04/17/russia-putin-crimea-idUKL6N0N921H20140417 Aber auch aus der russischen Gesellschaft kommen Hinweise auf russische Militäroperationen in der Ukraine. Russische Zeitungen sprechen von der „russischen Invasion“ http://www.bbc.com/news/world-europe-28965597 , russische Soldaten melden sich öffentlich zu Wort http://www.newsweek.com/2014/09/19/russian-soldiers-reveal-truth-behind-putins-secret-war-269227.html und die traditionell wichtigen Verbände der russischen Soldatenmütter vermuten mehrere Tausend ihrer Söhne auf Mission in der Ukraine. Das Schicksal vieler russischen Soldaten und Wehrdienstleister sei trotz Nachfragen ihrer Angehörigen ungeklärt, geheime Beisetzungen in Russland von mehr als hundert gefallenen russische Soldaten lassen auf verlustreiche Kämpfe schließen. Die beiden folgenden Artikel berichten ausführlich über diese Problematik: http://www.theguardian.com/world/2014/sep/01/russian-soldiers-ukraine-rights-groups http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2014/08/29/what-does-russia-tell-the-mothers-of-soldiers-killed-in-ukraine-not-much/ Russland und Angehörige der separatistischen Führung reagiert auf solche Vorwürfe normalerweise mit dem Hinweis, bei den russischen Kämpfern handle es sich um Freiwillige, die ihre freie Zeit im Donbass verbringen. Angesichts der in der Ukraine festgenommenen russischen Fallschirmspringer, http://www.huffingtonpost.com/2014/08/26/ukraine-russian-soldiers_n_5714555.html die von ihrer Mission berichteten, muss an diesen Behauptungen jedoch gezweifelt werden.
Mitunter gibt es außerdem auch Aufnahmen von Militärkonvois, die unauffällig in die Separatistengebiete fahren, wie die ARD im August 2014 berichtet: http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-469.html Im November 2014 bestätigte auch die neutrale OSZE beunruhigende unmarkierte Transportfahrzeugen, die aus Russland in die Ostukraine fuhren http://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-osze-und-nato-fuerchten-weitere-gewalt-a-1002361.html
Schließlich bestätigt auch die NATO die Präsenz russischer Kräfte in der Ukraine. Schon im vergangenen Jahr beschuldigte das Bündnis Russland, ukrainische Separatisten mit eigenen Truppen und militärischem Gerät zu unterstützen: http://www.nzz.ch/international/europa/russische-truppenverstaerkung-in-ukraine-1.18427410 Auch nach dem Minsker Abkommen vom Februar dieses Jahres liefert Russland nach Informationen der Nato weiterhin Ausrüstung an die separatistischen Einheiten in der Ukraine und ist weiterhin mit eigenen Truppen vertreten: http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEKBN0M71HF20150311 und http://www.nzz.ch/international/europa/zwischen-zurueckhaltung-und-entschlossenheit-1.18500303
Wegen all dieser Hinweise und Belege kann ich Putins Äußerungen aus dem Minsker Abkommen, die Waffengewalt beenden und die Überprüfung der Waffenruhe durch die OSZE ermöglichen zu wollen, leider keinen Glauben schenken.
Ich hoffe ich habe Ihre Anfrage damit hinlänglich beantwortet und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Manuel Sarrazin