Frage an Manuel Sarrazin von Martin M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Sarrazin,
mir ist völlig klar, dass nicht zu jedem Zeitpunkt alle Bundestagsabgeordnete im Plenarsaal anwesend sein können. Mir ist auch völlig klar, dass die Arbeit der Abgeordneten zum Großteil in Ausschüssen und nicht im Plenarsaal stattfindet.
Dennoch war ich entsetzt über die Bilder des fast leeren Plenarsaals bei der Abstimmung über das Meldegesetz am 28.06.2012 gegen 20:50 Uhr, und ich möchte gerne nachvollziehen, was genau die Abgeordneten zu dieser Zeit gemacht haben und was genau zur Abwesenheit von 593 Abgeordneten führte.
Dabei möchte ich mich nicht auf scheinbar pauschale Urteile und Klischees in der Presse verlassen, sondern lieber die Abgeordneten direkt fragen.
Bitte teilen Sie mir doch mit, womit Sie beschäftigt waren, als der Bundestag über “TOP 21 Fortentwicklung des Meldewesens” abstimmte.
Für Ihre Antwort bedanke ich mich höflich im voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Meyer
Sehr geehrter Herr Meyer,
gerne möchte ich auch Ihnen an dieser Stelle etwas über die Arbeitsweise des Bundestages erklären (einen ähnlichen Beitrag finden Sie bereits unter meinen Antworten).
Der Deutsche Bundestag ist ein Arbeitsparlament, das sich mit einer Vielzahl unterschiedlichster Themen zu beschäftigen hat. Deshalb müssen sich alle Abgeordneten aller Fraktionen thematisch spezialisieren. In meinem Fall ist das die Europapolitik - also zur Zeit vor allem die Krise in den Eurostaaten. An einer Fachdebatte im Plenum nehmen in der Regel nur die jeweils spezialisierten Abgeordneten teil, die stellvertretend für ihre Fraktionen abstimmen. Anders wäre die Vielzahl von Themen im Bundestag überhaupt nicht handhabbar, die Volksvertretung wäre handlungsunfähig. Es geht bei einer normalen Abstimmung also nicht darum, die Mehrheit der momentan anwesenden Abgeordneten zu erringen! Durch ihren parlamentarischen Dienst stellen die Koalitionsfraktionen nämlich jederzeit sicher, dass sie über eine Mehrheit verfügen - zB über kurze Telefonanrufe in den Büros der Abgeordneten.
Leider wird in den Medien immer wieder der Eindruck erweckt, die nicht anwesenden Abgeordneten kämen ihren Pflichten nicht nach. Dieser Eindruck ist grundverkehrt! Das Abstimmungsverhalten der Fraktion zu einzelnen Anträgen oder Gesetzesentwürfen legt die Fraktion gemeinsam in ihrer Fraktionssitzung fest. Die anwesenden Abgeordneten der Grünen stimmen dann stellvertretend für die gesamte (!) Fraktion ab. In diesem Fall selbstverständlich mit Nein. Damit auch stellvertretend für mich, da ich selbst wie von Ihnen bereits bemerkt, nicht an der Abstimmung teilgenommen habe.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuel Sarrazin